Was wir über die Lebensrealitäten vor Hunderten, vor Tausenden von Jahren wissen, das wissen wir meistens von den oberen Klassen dieser Zeiten. Historische Porträts? Gibt’s so gut wie nur von Herrschern. Archäologische Funde metallener Schätze? Gehörten einst den Königinnen und Königen. Detaillierte Biografien? Werden von niedriggestellten Menschen kaum bekannt.
Dabei können auch und gerade Hinweise zum Leben und Wirken der einfachsten Leute Aufschluss über die Gesellschaften und politischen Systeme der Vergangenheit geben. Insofern ist das, was Archäologinnen und Archäologen nun in Pompeji freigelegt haben, von besonderer wissenschaftlicher Relevanz.
Nördlich der versunkenen Stadt in der heutigen italienischen Region Kampanien haben sie ein Sklavenzimmer gefunden, das Einblicke gibt in den Alltag der untersten Schicht vor 2000 Jahren. Es handele sich um einen Fund, „der wichtiger ist und mehr Aufschluss gibt über das antike Leben als eine schöne Statue“, twitterte Gabriel Zuchtriegel, der deutsche Museumsdirektor von Pompeji, auf der Online-Plattform X (ehemals Twitter).

Das Zimmer liegt in der Villa Civita Giuliana, rund 600 Meter entfernt von der antiken Stadt; für seine Rekonstruktion wurde eine bewährte Methode angewendet, bei der Hohlräume, die organisches Material in der erstarrten Vulkanasche hinterlassen hat, mit Gips gefüllt werden. Die Einrichtung der Kammer lasse darauf schließen, dass es auch innerhalb des Dienstbotenquartiers eine strenge Hierarchie gegeben habe, teilte die Ausgrabungsstätte am Sonntag (20. August) mit.
Selbst der Fluchtversuch einer Ratte konnte rekonstruiert werden
Das ließen zwei unterschiedliche Betten vermuten – eines extrem einfach gehalten und ohne Matratze, ein anderes mit deutlich komfortablerer Ausstattung. Neben den beiden Betten waren in der Kammer auch zwei kleine Schränke gefunden worden. Ein ähnliches einfaches Bett wie jenes, das nun gefunden wurde, war bereits im Jahr 2021 in einem anderen Sklavenzimmer in Pompeji entdeckt worden.

Von den prekären Umständen, unter denen die Sklavinnen und Sklaven gelebt haben, zeugten auch weitere Funde in der Kammer: Bestimmte Keramikgefäße und Amphore ließen eine höchst unhygienische Lebensweise erkennen, heißt es in er Mitteilung. Es konnte nachgewiesen werden, dass in dem Zimmer mindestens drei Nagetiere gelebt hatten; ferner gehen die Archäologinnen und Archäologen davon aus, dass die Sklavenzimmer gleichzeitig als eine Art Abstellraum genutzt wurden. Erkennbar sei, dass eine Ratte in einem Krug unter einem der Betten versucht hatte, dem sogenannten pyroklastischen Strom zu entkommen, der Pompeji in den Untergang gerissen hatte.
Im Jahr 79 nach Christus war die antike Stadt Pompeji bei Ausbrüchen des nahen Vesuvs unter Asche, Schlamm und Lava begraben worden. Die Stadt, ihre Bewohnerinnern und Bewohner wurden dadurch teilweise konserviert – erst im 18. Jahrhundert war Pompeji wiederentdeckt worden. Seitdem gehört die Ausgrabungsstätte nicht nur zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten Italiens – die hier gemachten Funde haben nicht selten Sensationsstatus.





