Ukraine-Krieg

China versichert Baerbock: Wir liefern keine Waffen an Russland

Es ist eine der schwierigsten Missionen in der bisherigen Amtszeit von Außenministerin Baerbock. Beim Treffen mit ihrem chinesischen Kollegen Qin Gang geht es hart, aber nicht unfreundlich zu. 

Händeschütteln in Peking: Außenministerin Annalena Baerbock und ihr chinesischer Amtskollege Qin Gang.
Händeschütteln in Peking: Außenministerin Annalena Baerbock und ihr chinesischer Amtskollege Qin Gang.Soeren Stache/dpa

China hat versichert, Russland im Krieg gegen die Ukraine aktuell und auch künftig nicht mit Waffen zu unterstützen. „Wir liefern und werden ja auch später keine Waffen an Konfliktparteien liefern“, sagte Außenminister Qin Gang nach einem fast zweistündigen Gespräch mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Peking. Zudem kontrolliere man den Export sogenannter Dual Use-Güter, die zivil und militärisch verwendet werden können, entsprechend der Gesetzeslage. Baerbock hatte die chinesische Regierung zuvor eindringlich aufgefordert, sich stärker als bisher in Moskau für ein Ende des Krieges einzusetzen.

China sieht sich nach eigenen Angaben hinsichtlich des Ukraine-Kriegs als neutrale Partei. Doch Staatschef Xi hat bislang weder die russische Offensive in dem Nachbarland verurteilt noch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gesprochen. 

Als Zeichen für die engen Bande zwischen Chinas und Russlands Militär reist der neue chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu am Sonntag nach Moskau. Der General, gegen den die USA Sanktionen verhängt hatten, wird seinen russischen Amtskollegen Sergej Schoigu treffen, berichteten beide Seiten. Seit der Invasion in der Ukraine vor mehr als einem Jahr gibt China dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Rückendeckung. Chinas Außenminister ließ auch nach den Gesprächen mit Baerbock keinerlei Entgegenkommen erkennen, sondern stand Russland weiter zur Seite.

Bei ihrem Antrittsbesuch hatten Baerbock und Qin Gang etwa zwei Stunden und damit fast doppelt so lange wie geplant im Format des deutsch-chinesischen strategischen Dialogs miteinander beraten. Öffentlich traten sie anschließend höflich, aber kompromisslos in der Sache miteinander auf. Auch bei den gegensätzlichen Positionen etwa in der Frage der Menschenrechte oder in der Haltung gegenüber Taiwan gab es keine erkennbare Annäherung. Mehrfach ging Qin Gang vor Journalisten ausführlich direkt auf Äußerungen von Baerbock ein, um die chinesische Haltung zu rechtfertigen.

Baerbock fordert von Peking mehr Einsatz für Kriegsende in Ukraine

Qin Gang betonte, die chinesische Rolle in der Ukraine-Frage bestehe darin, Versöhnung zu fördern und Friedensverhandlungen voranzubringen. „Wir werden nicht weiter Öl ins Feuer gießen“, erklärte er nach der offiziellen Übersetzung. Er betonte aber auch die russischen Sicherheitsinteressen, die berücksichtigt werden müssten, was als Kritik an der Nato verstanden werden kann.

Baerbock sagte, der Besuch von Präsident Xi Jinping in Moskau habe gezeigt, dass kein anderes Land mehr Einfluss auf Russland habe als China. „Die Entscheidung, wie es diesen Einfluss nutzt, berührt Europas Kerninteressen ganz unmittelbar.“ Mit den Rechten als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat gehe für China auch eine besondere Verantwortung einher, appellierte sie an Peking.

Annalena Baerbock steht im Staatsgästehaus Diaoyutai während einer Pressekonferenz Rede und Antwort.
Annalena Baerbock steht im Staatsgästehaus Diaoyutai während einer Pressekonferenz Rede und Antwort.Soeren Stache/dpa

Mit Blick auf das im Westen kritisierte Positionspapier Pekings zum Ukraine-Krieg sagte Baerbock: „Aber ich muss offen sagen, dass ich mich frage, warum die chinesische Positionierung bisher nicht die Aufforderung an den Aggressor Russland beinhaltet, den Krieg zu stoppen. Wir alle wissen, Präsident Putin hätte jederzeit die Möglichkeit dazu.“

Baerbock in China: Eskalation um Taiwan „Horrorszenario“

Baerbocks Besuch fand auch vor dem Hintergrund verschärfter Spannungen rund um Taiwan statt. Peking betrachtet Taiwan als abtrünniges Gebiet, das es wieder mit dem Festland vereinigen will – notfalls mit militärischer Gewalt. Die 23 Millionen Einwohner zählende Insel hat seit mehr als 70 Jahren eine unabhängige Regierung.

Baerbock nannte eine militärische Eskalation um die demokratische und von China beanspruchte Inselrepublik Taiwan ein „Horrorszenario“ für die Welt. 50 Prozent des globalen Handelsverkehrs gingen durch die Meerenge der Taiwanstraße. Die „Schockwelle dieser Wirtschaftskrise“ würde auch China treffen. „Konflikte dürfen nur friedlich gelöst werden.“ Baerbock bekräftigte die deutsche Ein-China-Politik, wonach Peking als einzig legitime Regierung Chinas anerkannt wird und keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan unterhalten werden. Eine gewaltsame Veränderung des Status quo sei aber nicht zu akzeptieren.

Qin Gang verwahrte sich gegen jede ausländische Einmischung. Wenn andere Staaten den Ein-China-Grundsatz „wirklich respektieren“, sollten sie die separatistischen Aktivitäten in Taiwan ablehnen. Die „Wurzel der Probleme“ seien die Unabhängigkeitsbestrebungen. China werde „keinen Zoll Territoriums preisgeben“.  Er bekräftigte zudem die Ansicht Pekings, dass Taiwan zu China gehöre: Niemand hoffe mehr auf Frieden und Stabilität sowie auf eine „friedliche Wiedervereinigung der Heimat“ als die „Landsleute“ auf beiden Seiten der Straße von Taiwan. „China wird seine nationale Souveränität und territoriale Integrität entschlossen verteidigen“, sagte Qin.

Etwa 50 Prozent des globalen Warenverkehrs passierten die Region, sagte Baerbock. Eine Destabilisierung der Straße von Taiwan hätte „dramatische Folgen“ für die Weltwirtschaft. „Die Schockwellen einer solchen Weltwirtschaftskrise würden auch China und Deutschland als besondere Handelsnationen empfindlich treffen.“

Zuletzt hatten Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zur China- und Taiwan-Politik im westlichen Lager Kritik ausgelöst. Macron hatte nach einem Besuch in China kurz vor Baerbocks Reise mit Blick auf die USA gesagt, Europa dürfe in der Taiwan-Frage kein „Mitläufer“ sein.

Qin Gang über Menschenrechte: Brauchen keine Lehrmeister

Baerbock äußerte sich in Peking auch zur Menschenrechtslage im Land. Sie sei besorgt, „dass Freiräume für zivilgesellschaftliches Engagement in China immer weiter schrumpfen und Menschenrechte beschnitten werden“. Sie verwies auf den im August vergangenen Jahres veröffentlichten UN-Bericht, der „schwere Menschenrechtsverletzungen“ in der Region Xinjiang gegen die muslimische Minderheit der Uiguren angeprangert hatte und konkrete Empfehlungen enthielt.

Qin Gang wehrte sich in einem längeren Vortrag gegen die Kritik. „Was China am wenigsten braucht, ist ein Lehrmeister aus dem Westen.“ Jeder Staat habe seine eigene Gegebenheiten und kulturellen und historischen Hintergründe. Bei den Menschenrechten gebe es „keine einheitlichen Standards in der Welt“. Der Austausch über Meinungsverschiedenheiten müsse von gegenseitigem Respekt geprägt sein – keinesfalls dürfe er „schulmeisterlich“ und „herablassend“ sein.

Baerbock hielt dem entgegen, es gebe durchaus gemeinsame Standards für die Menschenrechte in der Welt und erinnerte an die UN-Charta und die UN-Menschenrechtskonvention. Darin stünden universelle Menschenrechte, an die alle UN-Mitglieder gebunden seien. „Eine Zusammenarbeit mit dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zur Umsetzung dieser Empfehlung würden wir begrüßen“, sagte Baerbock.

Während des Besuches wurden der bekannte Bürgerrechtsanwalt Yu Wensheng und seine Frau Xu Yan festgenommen. Beide waren „auf dem Weg zur EU-Delegation“ in der chinesischen Hauptstadt, die direkt neben der deutschen Botschaft liegt, wo sich Baerbock am Freitagabend (Ortszeit) aufhielt. Wie die EU-Delegation mitteilte, seien zudem der Bürgerrechtsanwalt Wang Quanzhang, seine Kollegin Wang Yu und der Rechtsaktivist Bao Longjun unter Hausarrest gestellt worden. „Wir fordern ihre sofortige, bedingungslose Freilassung.“ In Brüssel äußerte eine EU-Sprecherin ihre „große Besorgnis“.

Großer Bahnhof für Baerbock in China

Die chinesische Führung bereitete Baerbock, die in Peking als besonders China-kritisch innerhalb der deutschen Bundesregierung gilt, insgesamt einen freundlichen Empfang. Bei der ersten Station ihres Besuches in der Hafenstadt Tianjin traf sie den Parteichef Chen Min'er, der als Politbüromitglied ein Schwergewicht in der Führung ist. Auch wurde die Außenministerin in Peking von Vizepräsident Han Zheng empfangen.

Außenminister Qin Gang war zudem eigens nach Tianjin – 120 Kilometer von der Hauptstadt – gefahren, um mit Baerbock am Freitagmorgen ein deutsches Unternehmen für Elektromobilität zu besuchen. Der Minister stammt selbst aus der Wirtschaftsmetropole. Anschließend fuhren Baerbock und ihr Amtskollege gemeinsam im Hochgeschwindigkeitszug mit einem Tempo von bis zu 350 Kilometern in der Stunde nach Peking.