Fragen & Antworten

„Air Defender 2023“: Das müssen Sie zur großen Luftwaffenübung wissen

Montag startet die größte Verlegeübung von Luftstreitkräften seit Bestehen der Nato. Am BER verspäten sich wahrscheinlich Flüge. Ein Überblick.

Ein Kampfjet der US-Air Force steht kurz vor Beginn der multinationalen Großübung Air Defender 2023 auf einem Stützpunkt in Jagel, Schleswig-Holstein.
Ein Kampfjet der US-Air Force steht kurz vor Beginn der multinationalen Großübung Air Defender 2023 auf einem Stützpunkt in Jagel, Schleswig-Holstein.Nikito/imago

So ein Luftwaffen-Manöver hat es über Deutschland noch nicht gegeben: Am Montag startet „Air Defender 2023“. Die Luftwaffenübung hat vermutlich auch Auswirkungen auf den Flugbetrieb am Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg (BER), regional wird es laut. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu „Air Defender 2023“:

Was ist „Air Defender 2023“?

„Air Defender 2023“ ist die größte Verlegeübung von Luftstreitkräften seit dem Bestehen der Nato. Deutschland und 24 weitere Staaten – darunter auch der auf Aufnahme wartende Nato-Partner Schweden – üben von Montag an die Verteidigung des Bündnisgebietes gegen einen Angreifer sowie die Rückeroberung umkämpfter Gebiete. An der Übung unter deutscher Führung nehmen 10.000 Soldaten mit 250 Flugzeugen teil, darunter 70 Militärmaschinen aus Deutschland. Der für den nördlichen Nato-Raum zuständige Gefechtsstand in Uedem (Nordrhein-Westfalen) führt die Übung.

Deutsche Presse-Agentur GmbH

Wann und wo findet die Luftwaffenübung statt?

„Air Defender 2023“ findet vom 12. bis zum 23. Juni in drei Lufträumen statt, überwiegend über Teilen Norddeutschlands und der Nordsee. Das Training wird in Teilschritten vollzogen. In Brandenburg wird nach den Planungen der westliche Teil des Landes von den Flügen betroffen sein, in Berlin ebenfalls. Zeitlich überschneidet sich die Übung mit den Special Olympics World Games in Berlin vom 17. bis 25. Juni.

Um 10 Uhr geht es am Montag los, laut Luftwaffe sind 146 Flugzeugstarts vorgesehen. Der Hauptluftkampf findet in einer Höhe bis zu 20 Kilometern statt, höher also als die zivilen Fluggesellschaften fliegen. Es wird auch Tiefflüge geben, aber vor allem auf Truppenübungsplätzen.

Die drei Lufträume sollen wochentags jeweils im Wechsel genutzt werden. Dabei soll ein Übungsraum Ost über Mecklenburg-Vorpommern und der Ostsee jeweils von 10 bis 14 Uhr als einziger auch für Tiefflüge reserviert sein. Der Raum Süd erstreckt sich von Lechfeld in Bayern nach Rheinland-Pfalz und soll von 13 bis 17 Uhr genutzt werden, bevor an den Raum Nord über der Nordsee von 16 bis 20 Uhr abgegeben wird.

„Air Defender 2023“: Wie sieht das Übungsszenario aus?

In dem Szenario ist das fiktive östliche Bündnis OCCASUS der Gegner. Nach einer jahrelangen Konfrontation mit OCCASUS hat der Konflikt die Bundesrepublik erreicht. Das westliche Bündnis löst den Verteidigungsfall nach Artikel 5 des Nato-Vertrages aus.

Die OCCASUS-Allianz versucht in dem Szenario, zur Ostsee vorzustoßen und den Rostocker Hafen in Besitz zu nehmen. Sie nutzt dabei auch Sabotageaktionen und den Einsatz von Spezialkräften, die aus der Luft unterstützt werden.

„Spezialkräfte der Organisation Brückner und andere Truppen von OCCASUS konnten von Osten nach Deutschland eingeschleust werden. Nun halten Luft- und Bodenkräfte die gesamte Region Klebius besetzt, etwa ein Viertel des Landes“, schreibt die Bundeswehr zu der Übung.

Tag 1 des Gegenangriffs: Es kämpft Blau gegen Rot, den Feind. Es geht um Luftnahunterstützung („close air support“) eigener Soldaten im Kampf am Boden sowie „2 gegen 2“ in der Luft, also den Kampf von Flugzeugen gegen andere Flugzeuge.

Die Nato-Partner streben nach Luftüberlegenheit und gehen gemeinsam und mit Maschinen in der Luft den Ablauf von Missionen durch. Dazu sammeln sich Flugzeuge der unterschiedlichen Staaten in Gebieten, sogenannten assembly areas: Zunächst identifizieren und unterdrücken Spezialflugzeuge für den Elektronischen Kampf (Eloka) gegnerische Radarstellungen und Flugabwehrstellungen. Jagdflugzeuge bekämpfen dann den Gegner in der Luft. Dann kommen Bomber gegen Ziele am Boden zum Einsatz. Über allem fliegen Aufklärungsmaschinen, und Tankflugzeuge sorgen für ausreichend Treibstoff – vereinfacht gesagt.

Geübt werden das Zusammenspiel und gemeinsame Taktiken, wie Generalleutnant Günther Katz, Kommandierender General des Luftwaffentruppenkommandos, im Bundeswehr-Format „Nachgefragt“ sagt. „Wir zeigen auch Stärke, denke ich mir, indem wir auch demonstrieren, dass wir abwehrbereit sind und dass wir auch bereit sind, jeden Quadratzentimeter des Bündnisgebietes gegen jeden möglichen Gegner zu verteidigen“, sagte er.

Sind Flugreisende am BER von „Air Defender 2023“ betroffen?

Zu den Beeinträchtigungen des zivilen Flugverkehrs gibt es unterschiedliche Einschätzungen. „Das wird sich maximal im Minutenbereich bewegen“, sagte der Inspekteur der Deutschen Luftwaffe, Ingo Gerhartz, in der vergangenen Woche zu möglichen Verspätungen von Flügen. Zudem laufe die Übung vor den Schulferien und der großen Urlaubsreisewelle.

Die Fluglotsengewerkschaft GdF stellt allerdings eine andere Prognose auf. Die Militärübung „wird natürlich massive Auswirkungen auf den Ablauf der zivilen Luftfahrt haben“, sagte ihr Vorsitzender Matthias Maas. Das Brandenburger Verkehrsministerium teilte mit, am Hauptstadtflughafen BER sei mit verspäteten Flügen zu rechnen

Bei verspäteten Flügen werde die Gemeinsame Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg auf Antrag der Fluggesellschaften im Einzelfall prüfen, ob Starts und Landungen per Ausnahmegenehmigung außerhalb der Betriebszeiten möglich seien, teilte das Ministerium mit. Denkbar seien Verspätungen bis 1 Uhr nachts.

Auch der BER selbst hat sich auf verspätete Flüge eingestellt. Fluggäste sollten sich bei ihrer Airline oder über die Webseite oder App des BER über ihre Flüge informieren, hieß es.

Was passiert, wenn sich mein Flug wegen „Air Defender 2023“ verspätet oder ausfällt?

Auch bei Problemen infolge der Luftwaffenübung können sich betroffene Reisende auf ihre Fluggastrechte aus der zugrundeliegenden EU-Verordnung berufen. So besteht laut dem Fluggastrechte-Portal Flightright bei einer Verspätung von mehr als zwei Stunden das Recht auf eine kostenlose Mahlzeit und ein Getränk am Airport.

Ab einer Verspätung bei Kurzstreckenflügen von zwei Stunden, bei Mittelstreckenflügen von drei Stunden und bei Fernstreckenflügen von vier Stunden muss die Fluggesellschaft den Reisenden eine alternative Beförderung zum „frühestmöglichen Zeitpunkt“ zum Ziel anbieten – etwa durch Umbuchung auf einen anderen Flug. Das passiert oft automatisch. Oder die Airline bietet die Option an, das Ticket für innerdeutsche Flüge in eine Bahnfahrkarte umzuwandeln.

Bietet die Airline so etwas nicht von selbst an, sollten Betroffene ihr eine Frist zur Beschaffung der Alternative setzen. Kommt sie der Aufforderung nicht nach, könnten Reisende selbst Ersatz beschaffen und die Kosten der Fluggesellschaft hinterher in Rechnung stellen.

Hat ein Flug mehr als fünf Stunden Verspätung, können Reisende das Ticket zurückgeben und ihr Geld zurückverlangen – Gutscheine müssen sie nicht akzeptieren. Auch Bearbeitungsgebühren dürfen nicht von der Airline einbehalten werden.

Bei Verspätungen ab drei Stunden am Zielort oder kurzfristigen Flugabsagen sehen die EU-Regelungen unter gewissen Voraussetzungen je nach Flugdistanz zusätzlich sogenannte Ausgleichszahlungen in Höhe von 250, 400 oder 600 Euro pro Passagier vor. Allerdings sind die Aussichten auf diese Zahlungen bei Annullierungen und verspäteten Landungen infolge der Luftwaffenübung nach Einschätzung von Reiserechtsfachleuten eher mau. (mit dpa)