Der größte Fahrplanwechsel seit Jahren: So wurden die Neuerungen, die am 11. Dezember im Berliner und Brandenburger Regionalzugverkehr in Kraft traten, angepriesen. Fest steht mittlerweile aber auch, dass der Fahrplanwechsel vielen Fahrgästen die größten Unannehmlichkeiten seit langem beschert hat. Wegen teils horrender Verspätungen müssen Reisende länger in der Kälte warten. Jetzt sind auch noch Zugausfälle hinzugekommen. Weil sich plötzlich herausgestellt hat, dass die Infrastruktur auf der Stadtbahn nun doch nicht ausreicht, muss die Ostdeutsche Eisenbahn (Odeg) auf der stark frequentierten Linie RE1 vorerst jede dritte Fahrt streichen. Schon gab es ein erstes Krisentreffen, aber eine nachhaltige Lösung der Probleme scheint nicht in Sicht zu sein.
Für die Skepsis, die viele Beobachter äußern, gibt es vor allem zwei Gründe. Zum einen war die Erwartung, dass die Infrastruktur in Berlin schon irgendwie mit den zusätzlichen Ansprüchen zurechtkommen wird, offensichtlich verfehlt. Zum anderen wirkt sich vor diesem Hintergrund die desolate Situation im Fernverkehr der Deutschen Bahn (DB) umso heftiger aus. „Wenn sich ICE-Züge verspäten, betrifft das leider oft genug auch uns“, sagte Odeg-Geschäftsführer Lars Gehrke der Berliner Zeitung.
Im Ostbahnhof hat eine neue Bauphase begonnen – zwei Gleise gesperrt
Thema Nummer eins ist also die Kapazität der Anlagen. Die DB hat die Stadtbahn schon lange vor der Umstellung als überlastet eingestuft. „Sie gehört zu den meistbefahrenen Strecken“, bestätigte ein Bahnsprecher. Geplante Bauarbeiten im Ostbahnhof, die der Station bis 2025 neue Gleishallen bescheren sollen, schränken die Leistungsfähigkeit weiter ein. Vor kurzem hat eine neue Phase begonnen, die Gleise 1 und 2 sind gesperrt.
Nach dem neuen Fahrplan soll die Strecke, die sich von Ost nach West durch die Berliner Innenstadt zieht, unter der Woche eine weitere Fahrt pro Stunde und Richtung aufnehmen. Vorgesehen ist, dass der RE1 montags bis freitags während der Hauptverkehrszeiten statt bisher zwei Mal nun drei Mal pro Stunde verkehrt. Verstärkerzüge, die aus zwei gekuppelten Vierteilern Siemens Desiro HC bestehen und 800 Sitzplätze bieten, sollen zwischen Brandenburg und Frankfurt (Oder) das Angebot ergänzen. Damit wäre auf der Stadtbahn die maximal mögliche Anzahl von Zügen erreicht, so der Bahnsprecher. Von planmäßig zwölf Zügen pro Stunde und Richtung ist die Rede – mehr geht nicht.
47 Minuten warten auf den nächsten Regionalexpress
Der Betrieb begann am vergangenen Montag wie geplant. Doch nachdem sich die Verspätungen gehäuft hatten, musste die Odeg in Absprache mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) nur drei Tage später die Reißleine ziehen. „Wir haben die Verstärkerzüge aus dem Angebot genommen“, sagte Lars Gehrke. Seit Donnerstag verkehren auf der Linie RE1 wieder nur noch zwei Regionalexpresszüge pro Stunde und Richtung – nun aber mit einer je nach Station bis zu 47 Minuten langen Fahrplanlücke.
„Diese Einschränkung soll zunächst bis zum 20. Dezember gelten“, berichtete der Odeg-Manager, dessen Unternehmen die Linie RE1 am Sonntag von der Deutschen Bahn übernommen hat. Während eines Krisentreffens am Donnerstag wurde vereinbart, dass eines der gesperrten Gleise zum 21. Dezember wieder freigegeben wird.

Die Ausweitung des Angebots sei seit Jahren vorbereitet worden, sagte Lars Gehrke verärgert. „DB Netz hatte viel Zeit, sich darauf einzustellen.“ Bei der Odeg wundert man sich, dass die Netzbetreiber plötzlich darüber grübeln, ob der Fahrplan nicht vielleicht doch „zu eng gestrickt“ sei. „Uns wurde stets mitgeteilt, dass die Kapazität auch im Ostbahnhof ausreicht, dass das geplante Angebot fahrbar ist“, erklärte Gehrke. Doch nun heiße es, dass die Strecke nicht die volle Kapazität bieten könne. Weitere Komplikationen ergeben sich dadurch, dass die Züge der Linie RE6 in Charlottenburg in jeder Stunde fast 30 Minuten eines der vier Gleise blockieren, bevor sie zurückfahren.
Am Mittwoch wurden nur 42 Prozent der Fernzüge als pünktlich registriert
Dass neu eingerichtete Langsamfahrstellen die Züge zusätzlich ausbremsen, sei ein weiterer Negativfaktor, so Gehrke. Wie berichtet musste DB Netz wegen Gleislagefehlern in Grunewald, in Köpenick und anderswo die zulässige Höchstgeschwindigkeit verringern. Außerdem bremsten Weichenstörungen die Züge der Linie RE8 auf der Hamburger Bahn aus. Südlich von Berlin habe die Pünktlichkeit dadurch gelitten, dass bei Diedersdorf statt zwei Gleisen nur ein Gleis nutzbar war, sagte Lars Gehrke weiter.
Wenn ein System, das ohnehin auf Kante genäht ist, mit von außen eingetragenen Verspätungen konfrontiert wird, kann sich die Lage weiter verschärfen. „Dann kann es kollabieren“, warnte Gehrke. Der Fernverkehr, mit dem sich die Regionalzüge die knappen Kapazitäten teilen müssen, fahre immer öfter dem Fahrplan hinterher, wie aktuelle Daten zeigen. So verkehrten am Mittwoch nur noch 42 Prozent aller DB-Fernzüge laut Fahrplan oder maximal fünf Minuten und 59 Sekunden verspätet.
„Die Pünktlichkeit auf der Stadtbahn wird auch vom langlaufenden Fernverkehr beeinflusst“, bestätigte der Bahnsprecher. Auch die Regionalzüge des Bundesunternehmens, das unter anderem die Verbindung zwischen Nauen, Berlin und Cottbus (RE2) von der Odeg übernommen hat, leiden unter Verspätungen. „So war die Pünktlichkeit des RE2 am Mittwoch durch Bauarbeiten am Ostbahnhof und einen liegen gebliebenen ICE in Spandau leider nicht so, wie wir sie uns für die Fahrgäste wünschen“, hieß es. Wie berichtet fallen bei DB Regio auch immer Züge aus, weil sich Lokführer krank melden. So entfallen auf den Linien RB24 und RB32 die Fahrten nach Schönefeld.
Siemens-Züge haben Schwierigkeiten beim Kuppeln
Auf der neuen Verbindung zwischen Leipzig, Cottbus und Frankfurt (Oder) bestehen weiterhin Probleme mit Fahrzeugen, die je nach Abschnitt einzeln oder in Doppeltraktion verkehren. „An einzelnen Mireo-Zügen im Netz Lausitz gibt es noch technische Schwierigkeiten beim Kuppeln“, so die Bahn. „Wir haben jedoch ausreichend Ersatzfahrzeuge, die wir vorübergehend alternativ einsetzen können.“




