Wenn nicht einmal der sonst so streitbare Berliner Fahrgastverband IGEB etwas Grundsätzliches auszusetzen hat, muss eine Sache wirklich gelungen sein. Und so ist es auch: Der neue Fahrplan für den Regionalzugverkehr, der am dritten Advent in Kraft getreten ist, beschert den Bahnnutzern in Berlin und Brandenburg viele gute Dinge. Ein Glücksfall in einer Region, die nach Desastern wie beim Bau des Flughafens BER oder bei der verpatzten Wahl 2021 nicht mit guten Nachrichten gesegnet ist.
Natürlich, auch an diesem Sonntag lief nicht alles glatt. Wer von Berlin mit dem RE1 nach Frankfurt (Oder) reisen wollte, wurde in der Fahrplanauskunft des Verkehrsverbunds mit „Zug fällt aus“ erschreckt. Dabei fuhren die Regionalexpresszüge, sogar halbwegs pünktlich. Auf der Internetseite der Bahn wurden sie als „Sonderzüge“ angekündigt, als wären historische Garnituren mit Musik- und Barwagen unterwegs, obwohl die vorgesehenen Fahrzeuge im Einsatz waren. Nun ja, Schwamm drüber. In unserer überkomplexen Digitalwelt scheint es nicht mehr ohne Pannen dieser Art abzugehen.
Die Zahl der angebotenen Sitzplätze ist um die Hälfte erhöht worden
Das kann die prinzipiell positive Einschätzung aber nicht trüben. Nachdem bei früheren Neuvergaben von Verkehrsverträgen die Kapazität kaum erhöht oder sogar verringert wurde, obwohl die Region schon damals wuchs, ist das Angebot im Netz Elbe-Spree um 30 Prozent gewachsen. So ist die Zahl der Sitzplätze, die auf den 17 Linien angeboten werden, um die Hälfte gestiegen. Auf der Ost-West-Linie RE1 sieht der neue Fahrplan während der Hauptverkehrszeiten 800 zusätzliche Plätze pro Stunde und Richtung vor, weil die Zahl der stündlichen Fahrten auf drei angehoben wurde. Zwischen Berlin und Cottbus, wo sich Pendler und Ausflügler bisher in absurd kurzem Vier-Wagen-Zügen drängen mussten, hat jeder Regionalexpress jetzt immerhin fünf Doppelstockwagen.
Verbesserungen dieser Art kommen gerade richtig in einer Fahrplanperiode, in der das ab Frühjahr 2023 geltende 49-Euro-Aboticket dem Regionalverkehr zusätzliche Kundschaft bescheren wird. Auch wenn die Planer, die vor zehn Jahren mit den Vorbereitungen für diesen Fahrplanwechsel begonnen haben, das Ticketangebot nicht im Sinn haben konnten – die Kapazitätserhöhung kommt trotzdem just in time.
Unterdimensioniert und störanfällig
Sicher ist nicht alles gelungen. Auch in den neuen Zügen haben Fahrgäste zuweilen den Eindruck, dass die Planer versucht haben, so viele Sitzplätze unterzubringen wie möglich. Festzuhalten gilt auch, dass der Großteil der neuen Züge auf der Linie RE1 gerade mal zwölf Sitze mehr in der zweiten Klasse bietet als die Vorgänger.
Dass die Infrastruktur der Bahn auch in Berlin und Brandenburg vielerorts unterdimensioniert und störanfällig ist, lässt sich auch mit den schönsten neuen Fahrzeugen nicht verändern. Es spricht für sich, dass auf wichtigen Relationen die Fahrzeiten vorsichtshalber verlängert worden sind. Baustellen werden auch nach dem Fahrplanwechsel auf zahlreichen Strecken für Unannehmlichkeiten sorgen. Genauso wie der Personalmangel, der auch an diesem Wochenende wieder zu Ausfällen führte.


