Straßenblockaden

161.000 Euro: Wie Berlin an den Klima-Klebern der Letzten Generation verdient

Interne Statistik: Die Berliner Polizei hat inzwischen 1328 Tatverdächtige ermittelt. 104-mal stand die Feuerwehr im Stau. Was man über einige Klima-Kleber weiß.

Aktivisten der Letzten Generation blockieren die Fahrbahn in der Karl-Marx-Allee.
Aktivisten der Letzten Generation blockieren die Fahrbahn in der Karl-Marx-Allee.Paul Zinken/dpa

Die Klima-Kleber sorgen mit ihren Straßenblockaden dafür, dass die Berliner Polizei kräftig Kasse macht. Seit Beginn der Blockadeaktionen erließ die Polizei Berlin insgesamt 669 Gebührenbescheide. Das ist nach Informationen der Berliner Zeitung der Stand am 17. Mai. So oft kassiert die Behörde jeweils 241 Euro – das macht zusammen schon mal 161.229 Euro.

Grundlage dafür ist ein Regelwerk mit dem sperrigen Namen Polizeibenutzungsgebührenverordnung. Es legt fest, was zu bezahlen ist, wenn die Polizei Maßnahmen „zur Gefahrenabwehr für Personen, Sachen oder Tiere“, für die Sicherung von Gefahrenstellen auf öffentlichem Straßenland und bei Personen in Notlagen ergreifen muss.

Wegen wiederholter Verstöße gegen das Versammlungsfreiheitsgesetz verhängte die Berliner Polizei seit dem vergangenen Herbst zudem achtmal Zwangsgeld in Höhe von jeweils 2000 Euro, wie aus einer internen Statistik hervorgeht. Die Betroffenen waren jeweils achtmal bei Blockaden festgestellt worden. Bis dahin waren diese Zwangsgelder lediglich angedroht worden.

Die Rechtsgrundlage für ein Zwangsgeld bietet das Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz. Demnach können Demonstrationen beschränkt werden, wenn dadurch die öffentliche Sicherheit „unmittelbar gefährdet“ ist. Laut Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) schöpfen Polizei und Innenverwaltung hinsichtlich der Blockaden „alle rechtsstaatlichen Mittel“ aus. Es gehe um ein gezieltes Vorgehen gegen diejenigen, die beharrlich die Rechte anderer verletzten.

Ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 1000 Euro kassierte die Polizei von einem Teilnehmer, der sich nicht an ein Aufenthaltsverbot gehalten hatte.

Allerdings ist es nach Angaben der Polizei derzeit nicht möglich, die Gesamtkosten für einen Polizeieinsatz in Rechnung zu stellen. Diese seien vom laufenden Haushalt gedeckt.

Immer dieselben: Kartoffelbrei-Werfer auch bei BER-Blockade dabei

Bezahlt werden die Gebühren und Zwangsgelder bislang vor allem aus Spenden, die bei der Letzten Generation eingehen. Dies war der Grund, weshalb die Bayerische Staatsanwaltschaft am Mittwoch bundesweit die Wohnungen von 15 Mitgliedern der Letzten Generation durchsuchen ließ, darunter in Berlin.

Und so sind es oft dieselben, die sich an den Aktionen beteiligen. Viele von ihnen stammen gar nicht aus Berlin: etwa Benjamin K. aus Ludwigsburg, der in Potsdam ein Gemälde mit Kartoffelbrei bewarf und sich dort festklebte. Im November beteiligte er sich unter anderem an einer Blockade der Zufahrt zum BER. So wie Lisa W. aus dem Allgäu, die den BER blockierte, sich dann ans Brandenburger Tor klebte und schließlich auf dem Berlinale-Teppich saß.

Inzwischen häufen sich bei der Berliner Polizei die Strafverfahren gegen Mitglieder der Letzten Generation, aber auch gegen Mitglieder von Extinction Rebellion, einer ebenso radikalen Gruppierung. Zusammen brachten sie es bis zum 17. Mai auf insgesamt 532 Straßenblockaden in der Hauptstadt. Bis dahin schrieb die Polizei 4369 Strafanzeigen – die meisten gegen Blockierer der Letzten Generation und 324 gegen Extinction Rebellion.

Insgesamt ermittelte die Polizei 1328 Tatverdächtige. 1772 Ermittlungsvorgänge landeten inzwischen bei der Staatsanwaltschaft, die über Strafbefehle beziehungsweise Anklagen zu entscheiden hat.

Berliner Richter ordneten 57-mal Präventivgewahrsam an

Die Polizei veranlasste zudem insgesamt 265 „richterliche Gewahrsamsvorführungen“. Diese betrafen festgenommene Blockierer, die bereits mehrfach einschlägig aufgefallen waren und von denen die Polizisten annahmen, dass sie am nächsten Tag gleich wieder auf der Straße sitzen würden.

In Berlin kann ein sogenannter Unterbindungsgewahrsam, auch schlicht Präventivhaft genannt, auf richterlichen Beschluss bis zum Ende des nächsten Tages verhängt werden, höchstens aber 48 Stunden. Die Koalition aus CDU und SPD hat sich darauf geeinigt, dass die Möglichkeit eines solchen Gewahrsams auf fünf Tage erweitert werden soll. In Bayern ist eine Präventivhaft von bis zu 30 Tagen möglich, in Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Brandenburg beträgt sie höchstens 14 Tage.

Auch Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik sprach sich zuletzt für eine längere Gewahrsamsdauer aus. Inwiefern dies bei den Richtern auf Gegenliebe stößt, ist ungewiss. Denn nur in 57 Fällen ordneten Richter Gewahrsam für Klima-Kleber an.

Dass sich die Täter davon nicht sonderlich abschrecken lassen, muss auch die im Landeskriminalamt gebildete Ermittlungsgruppe Asphalt feststellen, die aus 13 Mitarbeitern besteht. Inwieweit ihre 457 durchgeführten sogenannten Gefährderansprachen etwas gebracht haben, ist unklar. Allein innerhalb einer Woche suchte sie in gut 20 Fällen ermittelte Klima-Kleber auf, um ihnen zu sagen, dass man sie im Auge behalte, und ihnen die Konsequenzen ihres Tuns klarzumachen.

104 Fahrzeuge der Berliner Feuerwehr betroffen

Mit ihren Blockaden behindern die Klima-Kleber auch immer wieder Fahrzeuge der Feuerwehr. Mit Stand 17. Mai waren insgesamt 104 Feuerwehrautos betroffen – die meisten davon Rettungswagen, die mit oder ohne Blaulicht fuhren.

Sie blieben in den von den Klima-Klebern verursachten Staus stecken, weil durch die abrupten Blockaden der Fahrbahn die Autofahrer an der Stauspitze meist keine Chance hatten, eine Rettungsgasse zu bilden. In solchen Fällen musste die Feuerwehr in der Regel andere Rettungswagen schicken. Die Verzögerungen summieren sich nach interner Statistik somit auf insgesamt 20 Stunden.

Mitunter tragen diese Blockaden, wie es sie auch am Montag dieser Woche wieder zahlreich gab, dazu bei, dass bei der Feuerwehr der Ausnahmezustand Rettungsdienst verhängt wird. Dieser wird ausgerufen, wenn die RTW zu mindestens 80 Prozent ausgelastet sind und die vorgegebenen zehn Minuten zwischen Notruf und Eintreffen nicht eingehalten werden können. Dann müssen die Wagen mit Mitarbeitern besetzt werden, die eigentlich auf Löschfahrzeugen eingeteilt sind, was zulasten der Brandbekämpfung geht. Am Montag in dieser Woche dauerte der Ausnahmezustand rund elf Stunden: von 10.50 Uhr bis 21.45 Uhr.