Mobilität

Senat stoppt Radwegprojekte: Jetzt droht ein weiteres Gerichtsverfahren

Senatorin Schreiner hat das Projekt, die Hauptstraße in Schöneberg mit Radfahrstreifen auszustatten, angehalten. Nun droht ein Bürger mit einer Klage.

Ein Radfahrer unterwegs in Berlin. Markierungen reichen nicht immer aus. Oft ist es notwendig, Radverkehrsanlagen von dem übrigen Verkehr zu trennen. So ist es für die Hauptstraße geplant.
Ein Radfahrer unterwegs in Berlin. Markierungen reichen nicht immer aus. Oft ist es notwendig, Radverkehrsanlagen von dem übrigen Verkehr zu trennen. So ist es für die Hauptstraße geplant.Sebastian Gabsch/imago

Im Konflikt um die Verkehrspolitik des neuen Senats könnte es einen weiteren Rechtsstreit geben. Ein Bürger hat den Senat aufgefordert, den Stopp des Umbaus der Hauptstraße in Schöneberg aufzuheben. Wenn die Verkehrsverwaltung nicht innerhalb einer bestimmten Frist zusagt, dass dort geschützte Radfahrstreifen eingerichtet werden, will er Klage einreichen. Das teilte die Deutsche Umwelthilfe, die den Bürger unterstützt, am Freitag mit. Beim Verwaltungsgericht ist bereits ein Verfahren zur Ollenhauerstraße in Reinickendorf anhängig. Eine betroffene Bürgerin fordert, den fertig gebauten, aber als ungültig markierten Radfahrstreifen endlich freizugeben. In diesem Fall könnte es nun eine Wendung geben, so die Deutsche Umwelthilfe.

Jahrelang wurde gestritten, gefordert und schließlich geplant. Nun steht das Projekt, in der Hauptstraße in Schöneberg den Fahrbahnraum zwischen dem U-Bahnhof Kleistpark und der Dominicusstraße anders aufzuteilen. Geschützte Radfahrstreifen sollen das Radfahren auf diesem Abschnitt der Bundesstraße 1 sicherer machen. Das erfordert es,  die Busspuren vom rechten Fahrbahnrand auf den jeweils mittleren Fahrstreifen zu verlegen. So soll der Verkehr auf der M48 und anderen Linien beschleunigt werden. Dem übrigen Kraftfahrzeugverkehr steht die jeweils linke Spur zur Verfügung, heute hat er je zwei Fahrstreifen. Auch Lieferparkzonen sind in der Bezirksamtsplanung vorgesehen.

Bund will drei Viertel der Baukosten tragen

Das Projekt in der Hauptstraße ist umsetzungsreif, so Saskia Ellenbeck (Grüne), die für die Straßen zuständige Stadträtin in Tempelhof-Schöneberg. Der Bund hat zugesagt, von den Baukosten in Höhe von rund einer Million Euro drei Viertel zu tragen. Es könnte also losgehen. Doch die Senatsverkehrsverwaltung hat das Vorhaben angehalten. Obwohl bereits Prüfungen und Abstimmungen erfolgt sind, lässt Senatorin Manja Schreiner (CDU) es noch einmal untersuchen. Dabei geht es unter anderem darum, wie es sich auf den Verkehr auswirken würde – und dazu gehört auch der ruhende Autoverkehr.

Radfahrer und andere Verfechter der Mobilitätswende haben bereits mehrmals dagegen demonstriert. Nun beschäftigt auch diese Angelegenheit Juristen, und wieder ist es die Deutsche Umwelthilfe, die durch eine ihrer Anwältinnen dabei assistiert und unterstützt. „Ein persönlich betroffener Bürger hat bei der Senatsverwaltung beantragt, den bereits angeordneten Radweg auf der Hauptstraße in Berlin-Schöneberg unverzüglich umzusetzen und freizugeben“, teilte die Umwelthilfe mit. „Wenn dem Antrag nicht innerhalb der einmonatigen Frist entsprochen wird, wird Klage erhoben.“

In der Mitteilung wird der Bürger, der die Senatsverwaltung nun zum Handeln aufgefordert hat, zitiert. „Die Hauptstraße in Schöneberg ist für Radfahrende eine der wichtigsten Strecken im Bezirk und Schulweg vieler Kinder“, sagte er. „Zugleich ist sie eine der gefährlichsten Straßen in Schöneberg – erst vor wenigen Jahren wurde hier eine Radfahrerin bei einem Unfall getötet. Der bereits angeordnete Radweg wäre ein Lichtblick für alle Menschen im Bezirk und muss kommen.“

Wird der Radweg in der Ollenhauerstraße nun doch freigegeben?

„Ein rein politisch motivierter Stopp eines Radweges, der geplant, finanziert und angeordnet wurde, der von der Verwaltung noch bis vor wenigen Wochen als wichtig für die Verkehrssicherheit angesehen wurde, ist ein rechtswidriger, symbolischer Akt im ideologischen Kampf der CDU gegen Radwege“, kommentierte die Deutsche Umwelthilfe.

Sieben Jahre nach dem ersten Beschluss wurde in der Ollenhauerstraße in Reinickendorf für 280.000 Euro ein Radfahrstreifen markiert. Doch das Bezirksamt ließ ihn mit gelben Folie ungültig machen.
Sieben Jahre nach dem ersten Beschluss wurde in der Ollenhauerstraße in Reinickendorf für 280.000 Euro ein Radfahrstreifen markiert. Doch das Bezirksamt ließ ihn mit gelben Folie ungültig machen.Thomas TRutschel/imago

Im Fall des ungültig gemachten Radfahrstreifens in Reinickendorf zeichne sich eine neue Entwicklung ab, hieß es am Freitag weiter. „Die Senatsverwaltung plant offenbar, den zunächst gesperrten Radweg auf der Ollenhauerstraße doch freizugeben, wie am späten Donnerstagabend bekannt wurde.“ Dies erfolge unmittelbar nachdem eine persönlich betroffene Mitarbeiterin der Umwelthilfe in der vergangenen Woche einen Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht gestellt hatte. Nach dessen Eingang hatte das Gericht das Bezirksamt Reinickendorf dazu verpflichtet, bis 18. Juli sämtliche Verwaltungsvorgänge offen zu legen und den Antrag zu erwidern.

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, sprach am Freitag von einem „ersten Erfolg“. Er sei ein „Signal für die faire Aufteilung des knappen Verkehrsraumes gerade auch für die in Berlin viel zu häufig unter die Räder kommenden Radfahrer. Unmittelbar vor der vom Gericht gesetzten Frist lenken Bezirk und Senat ein. Der Erfolg in Reinickendorf bestätigt eindeutig: Der von Verkehrssenatorin Manja Schreiner verhängte Radwegestopp ist rechtswidrig.“

Für die Radfahrstreifen in der Ollenhauerstraße wurden bislang 180.378 Euro und fünf Cent ausgegeben, teilte die neue Mobilitäts-Staatssekretärin Claudia Elif Stutz (CDU) der Grünen-Abgeordneten Oda Hassepaß auf eine Anfrage hin mit. Der Bund habe zugesagt, über das Förderprogramm Stadt und Land drei Viertel zu tragen – rund 135.000 Euro.

„Die Maßnahme unterstützt die Sicherheit und Leichtigkeit des Fußverkehrs und erhöht die Sicherheit und Leichtigkeit des Radverkehrs“, so Stutz. Das Bezirksamt habe mitgeteilt, dass die Arbeiten an dem Radfahrstreifen „im Hinblick auf die Anlage von Lieferzonen nicht beendigt worden sind“. Vorgesehen sei, den jeweils links neben den Radverkehrsanlagen gelegenen Autofahrstreifen während der verkehrsarmen Zeiten zum Parken freizugeben.

Die Zeit drängt: Sonderprogramm des Bundes endet im Dezember 2023

Das Konzept entstand der Verantwortung der Reinickendorfer Grünen-Politikerin Korinna Stephan, die damals als Stadträtin für die Straßen zuständig war. Die Grünen im Bezirk befürchten nun, dass der Stopp des Projekts auch der Wirtschaft schadet, die auf Lieferbereiche angewiesen sei. „Offensichtlich wurden der Bau der Ladezone und die Planung für das Parken auf dem Mittelstreifen angehalten, um anschließend das Projekt insgesamt torpedieren zu können“, so der Bezirksverordnete Jens Augner.

 „Die Sperrung des fertig markierten Radweges auf der Ollenhauerstraße ist nicht nachzuvollziehen. Die Verkehrssicherheit kommt unter die Räder. Eins ist klar: Die Sperrung eines sicheren Radwegs führt nicht dazu, dass Menschen auf dem Rad sicher unterwegs sind, sondern führt zu ihrer Gefährdung“, kommentierte Oda Hassepaß, Sprecherin der Grünen-Fraktion für Rad- und Fußverkehr.

Sie befürchtet, dass zugesagte Fördergelder verfallen. Das Bundesprogramm Stadt und Land ende zum 31. Dezember 2023. „Berlin wurde wiederholt aufgefordert, Bundesmittel zum Radwegeausbau zu nutzen. Aktuell setzt der Senat viele Förderzusagen aufs Spiel. Das ist das Gegenteil von sparsamer Finanzmittelverwendung.“

DUH-Chef Resch kündigte weitere Verfahren an: „Wir werden auch für weitere Radwege alle uns zur Verfügung stehenden juristischen Möglichkeiten nutzen, um die ideologische, sicherheitsgefährdende Anti-Fahrrad-Politik der Berliner CDU-SPD-Regierung zu stoppen.“