Justiz

Pläne eines Klima-Klebers: „Im August protestiere ich in Bayern, im September in Berlin“

Der Klimaaktivist Simon Lachner wird am Mittwoch in Berlin zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach dem Ende der Verhandlung kündigt er weitere Aktionen an.

Ein Klimaaktivist vor der Siegessäule in Berlin
Ein Klimaaktivist vor der Siegessäule in BerlinKay Nietfeld/dpa

Mitten in der Verhandlung im Saal 3007 im Amtsgericht Tiergarten geht es plötzlich um Sekundenkleber. Genauer: Die Staatsanwältin erwähnt drei Tuben Sekundenkleber, die beschlagnahmt wurden. Der Richter fragt den Angeklagten Simon Lachner, ob er diese Tuben aus der Asservatenkammer zurückhaben möchte. Etwas belustigt sagt der 25-jährige Klimaaktivist: „Wenn sie nicht leer sind, dann nehme ich sie gern zurück.“

Am Mittwochmorgen muss sich der Regensburger Simon Lachner wegen Nötigung und Widerstand gegen Polizeibeamte in zehn Fällen verantworten. Zwischen Juni und Oktober 2022 habe er sich wiederholt an Straßenblockaden beteiligt, heißt es in der Anklage, und sich in einigen Fällen auf der Straße festgeklebt. Besonders interessant in diesem Fall: An einem Tag habe sich wegen dieser Aktion ein Rettungsfahrzeug verspätet, obwohl die Demonstranten eine Rettungsgasse gebildet hatten.

In einem Polizeibericht ist hier die Rede von drei Minuten, die das Rettungsfahrzeug zu spät beim Patienten eintraf. Zum Vergleich wurde die sogenannte Eintreffprognose einbezogen, das ist die durchschnittliche Fahrzeit des Autos zum Zielort, die von einem Programm berechnet wird. Ob der Patient dadurch gesundheitlich benachteiligt wurde, ist jedoch nicht dokumentiert worden. Es wurde davon ausgegangen, dass dies nicht der Fall war.

Wie viele Klimaaktivisten vor ihm, die vor Gericht standen, nutzt auch Lachner die Gelegenheit, um noch einmal auf den Inhalt seines Protests hinzuweisen. Er spricht von einer „Dringlichkeit, schnellere und stärkere Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen“. Anschließend kritisiert er die deutschen Medien, die erst dann berichten, wenn der Protest besonders ungewöhnlich sei. „Weniger Störendes wird ignoriert.“ Nur deshalb sei seine Form des Protests so „deutlich“, es gehe darum, Aufmerksamkeit zu erlangen.

Der angeklagte Klimaaktivist Simon Lachner
Der angeklagte Klimaaktivist Simon LachnerLennart Preiss/dpa

In der Tat hat auch bei dieser Protestform die Aufmerksamkeit nachgelassen. Der Vorgang wirkt routiniert. Alle Beteiligten wissen, was sie zu erwarten haben. In diesem Verfahren ist kaum noch Presse anwesend, nur ein Kamerateam interviewt Simon Lachner vor dem Gerichtssaal. Als sich in dieser Woche wieder Aktivisten auf die Straße vor dem Großen Stern klebten, ließ die Polizei gar zwei der Demonstranten kleben, weil sie nicht mehr den Verkehr störten. Lediglich ein kurzer Videoclip erregte Aufmerksamkeit, weil ein Lkw-Fahrer einen Demonstranten in Stralsund beinahe überfuhr bei der Aktion.

Simon Lachner erzählt im Gerichtssaal von seiner Kindheit, in der sich sein Umweltbewusstsein entwickelt habe. Als Erwachsener startete er mit seinem Bruder in Regensburg ein Stromprojekt mit Solaranlagen und nahm an Aktionen von Fridays for Future und Ende Gelände teil. Wörtlich sagt er über die deutsche Klimapolitik: „Es wird herumgewurstelt, es werden Ablenkdebatten geführt.“ Wichtig sei für ihn nur, das Auslösen von Klima-Kipppunkten zu verhindern, das sind die Punkte, ab denen die Klimakatastrophe für die Menschheit nicht mehr vermeidbar ist.

Als Lachner sein Schlussplädoyer beendet hat, klatscht Marion Fabian, die einzige Zuschauerin im Saal. Die 73 Jahre alte Berlinerin begleitet regelmäßig die Protestaktionen der Letzten Generation, bei einer Gerichtsverhandlung war sie jetzt das erste Mal dabei. Sie trägt auffällig grüne Kleidung.

Während des Urteilsspruchs zeigt der Richter zwar Verständnis für die Beweggründe Lachners, übt jedoch auch Kritik an der Protestform. Durch die Straßenblockaden seien Menschen unfreiwillig Teil des Protests und der medialen Wirkung. Eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen je 15 Euro sei deshalb gerechtfertigt.

Marion Fabian ist mit dem Urteil nicht zufrieden. „Für mich wäre ein Freispruch angemessen gewesen“, sagt sie der Berliner Zeitung. „Der Richter hat seine Chance verpasst, ein Zeichen zu setzen.“ Sie sei seit Beginn des Jahres bei der Letzten Generation aktiv und habe auch schon auf der Straße gesessen und wurde von Autofahrern angegriffen. „Das Alter schützt davor nicht.“

Vor dem Gerichtsgebäude auf der Kirchstraße in Moabit zeigt sich Lachner gegenüber der Berliner Zeitung ebenfalls nicht überrascht. Oft zeigen Richter erst Verständnis, sagt er, müssten dann aber dennoch Urteile aussprechen. Schreckt ihn das Urteil von weiteren Protestaktionen ab? Er schaut erst und spricht genauso tonlos wie vor Gericht: „Im August werde ich an Aktionen in Bayern teilnehmen. Wenn ich da nicht festgenommen werde, protestiere ich ab September wieder in Berlin.“ Den beschlagnahmten Sekundenkleber bekam Simon Lachner übrigens nicht zurück.