Schockierende Aussagen

Die Superreichen und der Klimawandel: „Eigentlich ist es mir scheißegal“

Eine Reportage von STRG_F schockiert auf YouTube mit Zitaten von Superreichen zu Privatflügen. Doch sind ihre Rechtfertigungsversuche wirklich so absurd?

Theo Stratmann erklärt beim Essen, dass er verschwenderisch ist und Kaviar wegwirft.
Theo Stratmann erklärt beim Essen, dass er verschwenderisch ist und Kaviar wegwirft.Screenshot/YouTube

Reiche Menschen fliegen von Hamburg nach Sylt mit dem Privatjet, während andere auf Fleisch oder das eigene Auto verzichten. Wer ist schuld am Klimawandel? Die gesamte Menschheit oder doch nur diejenigen mit dem höchsten CO₂-Ausstoß? Das wären dann die Menschen, die in westlichen Gesellschaften leben, allen voran die „Superreichen“. Die Reportage „Privatjets, Yachten, Kaviar: Wie beeinflussen Superreiche das Klima?“ konfrontiert Reiche mit ihrer besonderen Verantwortung. In sechs Tagen hat das Video von STRG_F auf YouTube mehr als 1,8 Millionen Zuschauer erreicht.

„Ich bin mit dem Fahrrad zum Flugplatz gefahren“, sagt ein älterer Privatjet-Passagier, den der Reporter Mirco Seekamp am Flughafen von Sylt befragt. Dann sieht man, wie er in ein teures Auto steigt. Ein anderer sagt, er glaube einfach nicht, dass Menschen, die mehr Geld haben, auch mehr CO₂ ausstoßen. Auf die Frage, ob Klima nicht so wichtig sei, antwortet er: „Nicht für die Kurzstrecken, die wir fliegen. Da gibt es ganz andere Probleme, die wir angehen könnten.“ Seine Tochter meint, die Ärmeren könnten ja auch fliegen. Sie mache sich auf jeden Fall Gedanken über das Klima, aber wolle noch mehr reisen.

Das alles klingt im ersten Moment lustig und absurd. Viele User auf YouTube lassen sich darüber aus. Wer wirklich reflektiert, dem dürfte diese Rechtfertigungslogik aber bekannt vorkommen: Der umweltbewusste Yuppie fährt mit dem Rennrad und benutzt eine Bambuszahnbürste, fliegt aber auch zweimal im Jahr in den Urlaub, oft gleich um die halbe Welt. Inklusive Kurzstreckenflüge während der Reise. Autofahren ist in manchen Kreisen tabu, Erzählungen von der Südamerikareise gelten dagegen als Statussymbol. 

„Eigentlich ist es mir relativ scheißegal“

Und als Statussymbol sehen die Reichen nun mal auch ihre Privatjet-Flüge. Sie halten den Service im Flieger auf Social Media fest und feiern sich dafür, dass sie sich das leisten können. Protagonist Can erklärt, dass er mit seiner teuren Uhr nicht in die U-Bahn steigen will. Der Reporter erwähnt auch, dass es für Weltstars nicht immer einfach sei, Economy zu fliegen. Trotzdem veranschaulicht die Reportage mit Schaubildern, wie die reichsten zehn Prozent der Deutschen mehr CO₂ ausstoßen als die 50 Prozent der ärmeren Bevölkerung. Can habe zum Beispiel mit einem einzigen Flug nach Nizza sein CO₂-Budget für ein Jahr bereits erschöpft. Der Verzicht von Reichen hätte also eine viel größere Wirkung, auch wegen ihrer umfangreicheren Möglichkeiten, durch Macht  Unternehmen zu beeinflussen.

Dann geht der Reporter mit dem 18-jährigen Theo Stratmann essen. „Ich will nicht einsparen“, sagt der in Bezug aufs Klima und grinst. „Eigentlich ist es mir relativ scheißegal.“ Ihm sei der Komfort in manchen Situationen wichtiger, da sei er eben ehrlich. Stratmanns Ziel ist es, noch mehr zu besitzen: 20 Häuser und Autos und den größten Privatjet. Stratmann ist reich geboren, er zeigt sich im Film verschwenderisch, wer mehr hat, dürfe auch mehr verbrauchen.

Theo Stratmann sagt auch, dass es nichts nütze, wenn er verzichte, während „1000 Menschen am Tag“ nach Sylt fliegen. Er hätte nichts gegen ein Verbot für solche Flüge. Seine Argumentation überschneidet sich hier unter anderem mit der von Mitgliedern der „Letzten Generation“, die nach Thailand geflogen sind und dafür von vielen Medien kritisiert wurden: Individualverzicht helfe nur bedingt, die Politik müsste schlechte Entscheidungen verhindern.

Spricht Theo Stratmann aus, was viele in Wahrheit denken?

Die Reportage von STRG_F zeigt auch, warum beispielsweise VW bei der Vermietung von Privatjets weniger Kerosinsteuern zahlt. Platziert ist die Recherche dazu direkt nach einem Zitat von Habeck, das sich gegen Verbote richtet und stattdessen auf eine Regelung durch Besteuerung verweist. Ansonsten gehen die Reporter von STRG_F eher auf einzelne Protagonisten ein.

Theo Stratmann glaubt, dass man den Klimawandel nicht mehr aufhalten kann, und zieht daraus den Schluss: „Dann kann ich wenigstens die letzte Zeit noch auf die Kacke hauen, statt mich auf die Straße zu kleben.“ Dabei wirkt Stratmann aufrichtig. Die einzige Aussage, die dann doch ironisch und absichtlich überspitzt klingt, ist die, dass andere ja für ihn einsparen, die gar nicht in den Urlaub fliegen.

„Schlecht erzogen“, „unfassbar, wie ehrlich er ist“, kommentieren die Zuschauer Stratmanns Aussagen. Als reicher Mensch in einer kapitalistischen Gesellschaft hat Theo Stratmann gelernt, dass Geld gleichbedeutend mit Leistung ist und diese mit Anerkennung. Er meint, dass Lehrer weniger leisten als Unternehmer, die Mitarbeiter beschäftigen. Deshalb verspricht er sich von seinem Konsum Anerkennung statt Ablehnung. Im Film sagt er auch, man müsste die Gedankengänge zur Klimaerwärmung erst mal haben, es müsste mehr Aufklärung geben: „Ich denke gar nicht darüber nach und meine Freundesgruppe auch nicht.“

Der Reporter schließt mit den Worten: „Vielleicht ist Theo Stratmann mit seiner Haltung ein Einzelfall. Vielleicht spricht er aber auch aus, was viele – reich und arm – in Wahrheit denken. Tatsache ist, wir alle müssen etwas verändern, wenn wir den Klimawandel aufhalten wollen. Auch ich zähle im globalen Vergleich zu den reichsten Prozent der Menschen.“