Letzte Generation

„Blockieren, Ankleben, Lahmlegen“: Das planen Klimaaktivisten Mittwoch in Berlin

Die Klimaschutzgruppe Letzte Generation plant eine groß angelegte Protestkampagne in Berlin. Was haben sie vor und worauf müssen sich Berliner einstellen?

Aimee van Baalen (v.l.n.r.), Irene von Drigalski, Carla Hinrichs und Raphael Thelen bei der Pressekonferenz der Letzten Generation zur geplanten Protestaktionen in Berlin
Aimee van Baalen (v.l.n.r.), Irene von Drigalski, Carla Hinrichs und Raphael Thelen bei der Pressekonferenz der Letzten Generation zur geplanten Protestaktionen in BerlinImago Images

Klimaschutz bleibt auch in den nächsten Wochen das zentrale Thema in Berlin und wird mit Sicherheit zu Verkehrsbehinderungen im gesamten Stadtgebiet führen. Nach dem Klimavolksentscheid, den Koalitionsverhandlungen und der einwöchigen „Frühlingsrebellion“ der Protestgruppe Extinction Rebellion plant jetzt die Klimaschutzgruppe Letzte Generation eine groß angelegte Protestkampagne für die Hauptstadt. Der ehemalige Journalist und heutige Sprecher der Letzten Generation, Raphael Thelen, kündigte an: „In den nächsten Wochen werden wir sehr viel Anlass zu Berichterstattung bieten, werden blockieren, uns ankleben, demonstrieren.“

Die Berlinerinnen und Berliner müssen sich für die nächsten Tage also auf eine neue Protestwelle der Klimaaktivisten einstellen, inklusive Straßenblockaden und Klebeprotesten. Die Gruppe kündigte auf einer Pressekonferenz in der Kreuzberger St.-Thomas-Kirche an, Berlin in den nächsten Tagen lahmlegen zu wollen. Neben den schon üblichen Straßenblockaden sind auch andere Protestformen geplant, unter anderem eine angemeldete Demonstration vor dem Brandenburger Tor am Sonntag. Die Gruppe hatte ihre Proteste zuletzt in ganz Deutschland durchgeführt, will ihre Aktionen in den nächsten Wochen aber auf Berlin konzentrieren.

Über 800 Menschen haben auf der Website der Gruppe bereits ihre Teilnahme an den teils illegalen Protestaktionen angekündigt. Sprecherin Aimée van Baalen bestätigte diese Zahl während der Pressekonferenz. Das Ziel für die kommenden Tage sei, mit möglichst vielen Blockaden den Berliner Verkehr häufig und an vielen Orten zu stören und die Stadt zum Stillstand zu bringen. Es soll schon in den ersten Tagen der Protestkampagne zu Straßenblockaden kommen.

Die üblichen Ziele der Blockaden, häufig inklusive Klebeaktionen, sind dabei sämtliche Autobahnauffahrten entlang der A100, etwa Messedamm oder Sachsendamm, sowie rund um das Dreieck Funkturm. Auch an großen Plätzen und Kreuzungen wie am Strausberger Platz oder am Großen Stern sind Blockaden wahrscheinlich. Die BVG reagiert auf die Blockaden meist durch operative Anpassungen und im Austausch mit der Berliner Polizei, damit es zu keinen Betriebsstörungen kommt. Auch Museen und Galerien sollten vorbereitet sein, die Klebeaktion im Museum Barberini ist noch vielen in Erinnerung.  

Ab Mittwoch startet die neue Protestoffensive der Letzten Generation. Ab dem 19. April und jeden Mittwoch danach treffen sich Mitglieder der Gruppe in der St.-Thomas-Kirche zum Brunch. Bis zum Wochenende sollen die Protestaktionen vor allem im Regierungsviertel stattfinden, „um im besten Fall tagtäglich bei den Verantwortlichen zu stehen“, sagt eine Sprecherin, „und sie damit zu konfrontieren, dass sie momentan keinen Plan haben, um unser Überleben zu sichern“. Ab dem 24. April solle dann ganz Berlin „friedlich zum Stillstand gebracht werden“.

Die zentrale Forderung ist ein Gesellschaftsrat

Wann und wo die Störaktionen genau stattfinden sollen, hält die Gruppe üblicherweise geheim. Zwar werde mit einer starken Reaktion der Berliner Polizei gerechnet, sagt eine Sprecherin. „Konsequenzen, auch Gefängnisstrafen, nehmen wir dabei in Kauf.“ Zuletzt waren in Heilbronn vier Mitglieder der Gruppierung zu mehrmonatigen Haftstrafen nach wiederholten Protestaktionen verurteilt worden: Je drei, vier und fünf Monate Haft ohne Bewährung sowie eine auf Bewährung ausgesetzte dreimonatige Haftstrafe verhängte das Gericht.

Einen festen Zeitrahmen, in dem die Proteste in der nächsten Zeit stattfinden sollen, nannte die Gruppe zunächst nicht. „Einen fixen Endzeitpunkt gibt es nicht“, sagte Sprecherin Carla Hinrichs der Berliner Zeitung. „Zeitlich haben wir erst mal ein Open End.“ Wie bei ihren Protesten üblich, stellt die Letzte Generation auch für diese Protestkampagne eine zentrale Forderung an die Bundesregierung. Die Proteste hielten so lange an, bis die Bundesregierung einen Gesellschaftsrat einsetze. Dieser solle Maßnahmen erarbeiten, wie Deutschland es schaffen könne, bis zum Jahr 2030 auf die Verwendung fossiler Brennstoffe wie Öl, Kohle oder Gas zu verzichten.

Geht es nach der Letzten Generation, sollen per Losverfahren 160 Mitglieder für diesen Gesellschaftsrat ermittelt werden, die die deutsche Gesellschaft repräsentativ zum Beispiel nach Alter, Geschlecht, Einkommen oder Migrationshintergrund abbilden. Diese sollen, informiert durch Interessenvertreter und die Wissenschaft, Maßnahmen für mehr Klimaschutz diskutieren und sich auf Vorschläge einigen. In dem Rat erarbeitete Vorschläge sollen dann dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt werden. „So werden Maßnahmen nicht in Ministerien mit Lobbyeinfluss erarbeitet“, sagte Sprecherin Aimée van Baalen, „sondern von einem Gesellschaftsrat, der die Interessen der Bevölkerung wirklich vertritt.“

Einen solchen Gesellschaftsrat forderte kürzlich auch die Gruppe Extinction Rebellion, die vom 12. bis zum 17. April eine Protestwoche unter dem Namen „Frühlingsrebellion“ in Berlin durchgeführt hatte und dafür ein Protestcamp im Invalidenpark in Mitte einrichtete, das am Dienstag abgebaut wurde. Mitglieder der Letzten Generation beteiligten sich ebenfalls an den Aktionen.

Zuletzt entstand der Eindruck, dass es eine zunehmende Vernetzung und gegenseitige Bezugnahme der verschiedenen großen Gruppen innerhalb der deutschen Klimaschutzbewegung gibt. Zwar kritisierte Fridays for Future Deutschland die Letzte Generation zuletzt für ihre radikalen Protestformen, die keinen gesellschaftlichen Rückhalt erzeugen würden, und bezeichnete sie als elitär und selbstgerecht. Sprecherin Aimée van Baalen sagte allerdings, dass die Kommunikation zwischen den beiden Gruppen nach wie vor „gut“ funktioniere und weiterhin Kontakt bestünde.