Interview

OB von Frankfurt (Oder): „Manche sagen mir, entweder Sie machen das jetzt, oder ich wähle AfD“

René Wilke ist 40 Jahre alt und Oberbürgermeister von Frankfurt an der Oder. Ein Gespräch über das schwierige Geschäft der Politik.

Oberbürgermeister René Wilke im neu sanierten und umgebauten Rathausgebäude in Frankfurt an der Oder
Oberbürgermeister René Wilke im neu sanierten und umgebauten Rathausgebäude in Frankfurt an der OderStephanie Steinkopf/Ostkreuz

An einem sonnigen Morgen treffen wir den Oberbürgermeister von Frankfurt an der Oder, René Wilke, in dem frisch renovierten Rathaus der Stadt. Der 40-Jährige ist mit dem Fahrrad gekommen. Er lächelt, hat gute Laune und sagt, dass er eigentlich keine Zeit habe für Interviews, aber für die Berliner Zeitung wollte er eine Ausnahme machen. Die Themen sind drängend.

Herr Wilke, Sie sind 2018 als Kandidat der Linken in Frankfurt an der Oder angetreten und wurden zum Oberbürgermeister gewählt. Nun sind Sie im Juni aus der Linken ausgetreten. Wieso?

Vorab gesagt: Ich wünsche der Linken wirklich nichts Schlechtes. An einer Sache hat sich nämlich nichts geändert: an meiner Überzeugung, dass Deutschland eine Partei wie Die Linke braucht. Es ist aber nicht mehr meine Partei.

Was hat Sie entfremdet?

Die Linke hat in vielen Themen eine inhaltliche Schlagseite. Sie ist in der Sozialpolitik auf der Seite derjenigen, die auf Leistungen angewiesen sind. Manchmal zeigt sie in diesen Themengebieten eine sehr naive Haltung, die zu wenig berücksichtigt, dass Leistungserhalt auch mit eigener Handlungsbereitschaft einhergehen muss. Dann das Thema Migrations- und Flüchtlingspolitik. Da ist die Linke sehr stark auf der Seite der Geflüchteten und ihrer Situation in diesem Land. Der Fokus liegt auf Integrationsproblemen. Das ist alles richtig und wichtig. Aber der andere Aspekt, welche Probleme, welche Herausforderungen, welche Risiken und Gefahren mit Migration einhergehen, das ist in der Positionierung der Linken deutlich unterbelichtet. Dann die Friedenspolitik. Die Linke hat sich immer als Partei betrachtet, die pazifistisch ist. Damit konnte ich nie so hundertprozentig etwas anfangen. Mit der zweiten Stufe der Invasion Russlands in der Ukraine haben sich in Sachen Krieg und Frieden viele Fragen für mich neu gestellt.

Welche Perspektive nehmen Sie heute ein?

Es gibt viele Linke, die sagen: „Wir sind für Frieden“. Diese Menschen gehen mit Friedenstauben auf die Straße und sagen: „Wenn wir keine Waffen mehr an die Ukraine liefern, dann gibt es auch Frieden in der Ukraine.“ Das ist nicht mein Friedensverständnis. Das ist Unterwerfung. Das würde bedeuten, der Aggressor bekommt, was er will. Frieden heißt ja nicht nur keine Auseinandersetzung mit Gewalt, sondern auch gesellschaftlicher Frieden. Und dieser käme mit der Selbstaufgabe der Ukraine nicht. Diese pazifistische Haltung gegenüber der Ukraine ist eine, die wir in Ostdeutschland sehr stark erleben, die im Prinzip auch sagt: „Der Krieg in der Ukraine ist nicht unser Problem.“ Viele Menschen verspüren das Bedürfnis nach einfachen Antworten, aber die Realität ist komplexer, auch mit Blick auf die Friedenspolitik.

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Foto: Stephanie Steinkopf/Ostkreuz
Über die Person
René Wilke wurde am 30. Juni 1984 in Frankfurt an der Oder geboren. Heute ist er parteilos, früher war er Mitglied der Linken. Seit 2018 ist er Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt (Oder). Zuvor wurde er bei der Landtagswahl in Brandenburg 2014 als Direktkandidat im Landtagswahlkreis Frankfurt (Oder) in den brandenburgischen Landtag gewählt und vertrat den Wahlkreis dort bis zu seiner Mandatsniederlegung.

Kann man als Politiker überhaupt noch komplex kommunizieren?

Wenn du mit deiner Botschaft durchkommen willst, dann musst du kurz sein, prägnant sein, ein bisschen überspitzt sein. Diese Verkürzungen treiben uns aber in eine unheilvolle Spirale. Denn die Welt, die Fragen und die Antworten sind nicht kurz und prägnant. Ich bemühe mich um Differenziertheit, was einige Frankfurter zu schätzen wissen. Aber es gibt auch welche, die sagen: „Jetzt sag mal dit oder dit.“ Diesen Menschen ist das zu viel Erläuterung. Sie wünschen sich zum Beispiel, dass durchregiert statt abgewogen und ausgehandelt wird. Da ist bei manchen so eine Sehnsucht nach Entlastung von all der Vielschichtigkeit. Das hat mit einer gesellschaftlichen Gesamtüberforderung zu tun.

Wollen Sie zur Oberbürgermeisterwahl 2026 eigentlich noch einmal antreten?

Das habe ich noch nicht entschieden. Das kommt vor allem darauf an, ob die Menschen in Frankfurt das wollen. Ob sie eher mit ostdeutschem Charme sagen: „War schon ganz in Ordnung, der soll weitermachen.“ Oder, dass Zeit ist, Schluss zu machen. Ich bin niemand, der meint: „Ich muss das“ und sich aufdrängt. Ich bin ein Angebot. Das kann man annehmen oder ausschlagen.

Macht es Ihnen noch Spaß, Politiker zu sein?

Spaß? Würde ich verneinen. Es ist nach wie vor sehr erfüllend. Es ist die Last der Verantwortung, aber auch die tägliche Gestaltungsmöglichkeit. Ich habe jeden Tag das Gefühl, etwas Positives beitragen zu können und sehe Entscheidungen, die ich getroffen habe, ganz konkret in meiner Stadt. Aber es gibt auch Momente, da denk ich mir: „Den Mist muss ich mir nicht antun. Es ginge auch einfacher im Leben.“ Was ich in den sechseinhalb Jahren, in denen ich Oberbürgermeister bin, erfahren habe, ist, dass sich in der kurzen Zeit die Art, wie Politik funktioniert, immer weiter verändert hat.

Was hat sich in der Politik genau verändert, zumal in Brandenburg? Vor einigen Tagen wurde hier ein neuer Landtag gewählt. Sie regieren eine kreisfreie Stadt in Brandenburg.

Es gibt noch mehr Verkürzung, noch mehr Schwarz-Weiß-Denken und noch mehr Polarisierung, ein noch aggressiveres gesellschaftliches Grundklima, noch weniger gegenseitigen Respekt und Akzeptanz unterschiedlicher Haltungen.

Wenn Sie über Aggressivität in der Politik sprechen: Spüren Sie diese Aggression bei Ihren politischen Diskussionen im Stadtparlament oder bei Diskussionen mit Bürgern?

Beides. Vor meiner Zeit gab es auch starke Auseinandersetzungen im Stadtparlament, aber die waren kommunal geprägt. Es ging um Themen wie Stadtumbau, Verlust von Einwohnern, Abriss von Wohnungen. Jetzt sind wir in einer Phase, in der ein Kommunalparlament zu einem Mini-Bundestag wird. Dass Dinge, die so gar nichts mit unserer Entscheidungshoheit zu tun haben, wie etwa auswärtige Angelegenheiten, auf der Bühne des Stadtparlaments ausgetragen werden. Aber wir hatten ja auch Landtagswahlen, bei denen mehr über Bundespolitik diskutiert wurde. Was ich gesellschaftlich außerdem als Neuentwicklung wahrnehme, ist eine seltsame Rückkehr zu Bedürfnissen, von denen ich dachte, dass die Menschen es genießen, dass sie abgestreift wurden.

Wie meinen Sie das?

Zu DDR-Zeiten musste man sich über gewisse Dinge keine Gedanken machen, weil andere sich diese Gedanken gemacht haben. Richtungen wurden vorgegeben, man durfte sich nicht dagegenstellen. Das führte bei einigen auch dazu, dass sie sich „vom Staat“ fernhielten, ihr Ding machten und möglichst wenig mit dem System zu tun hatten. Dann kam eine Befreiung mit der Wende. Und jetzt sehe ich wieder stärker ein Bedürfnis nach genau diesen Leitplanken, die Verantwortliche vorgeben sollen. Die eigenen Unsicherheiten im Leben werden gefühlt stärker, und man möchte davor geschützt werden, von Oberen. Zugleich darf es dann aber wiederum auch nicht in Bevormundung oder Einmischung enden. Eine komplizierte, fast paradoxe Gemengelage. Ich merke das auch daran, dass von einer Stadtverwaltung und einem OB zunehmend Dinge gefordert und erwartet werden, die überhaupt nicht in unserer Macht liegen. Natürlich nur, wenn es dem eigenen Interesse dient, und mit entsprechender Enttäuschung, wenn das nicht geht. Das ist aber eine Politikenttäuschung, die etwas mit verfehlter Erwartung zu tun hat.

Sind das Ältere, die so eine Orientierung wollen?

Ja. Aber bei den Jüngeren wächst auch das Bedürfnis nach der ordnenden Hand, der man diese Macht zuschreibt. Das ist ein Riesenproblem. Im Praktischen kollidiert das extrem mit der Art, wie dieser Staat funktioniert. In einer Demokratie wird aus guten Gründen dafür gesorgt, dass ein Mensch wie ich keine Allmacht hat. Wir erleben das zum Beispiel bei Fragen des Natur- oder Denkmalschutzes. Bei Mietverhältnissen oder Streitigkeiten zu Hause, auf der Arbeit oder in der Gartensparte. Oder bei Bebauungsplänen. Da soll ich Probleme lösen, egal, ob ich die Macht dazu habe oder nicht. Die individuellen Interessen werden in den Vordergrund gerückt. Es ist ein bisschen ein Verständnis, als wäre ein Bürgermeister der persönliche Angestellte oder Dienstleister eines jeden. Die eigentliche Aufgabe ist aber nicht der Einzelne, sondern immer das Gemeinwohl, das wir im Blick haben und dem wir dienen müssen. Viele verstehen das, aber andere sagen dann trotzdem Sätze wie: „Entweder Sie machen das jetzt, oder ich wähle AfD.“

Neben der Oder rühmt sich die kreisfreie Stadt mit der Viadrina seit 1991 auch wieder als Universitätsstadt
Neben der Oder rühmt sich die kreisfreie Stadt mit der Viadrina seit 1991 auch wieder als UniversitätsstadtStephanie Steinkopf/Ostkreuz

Wie reagieren Sie dann?

Mit beständigem Vor-Ort-und-im-Dialog-Sein. Ich erkläre viel, aber ich lerne bei den Begegnungen ja auch jedes Mal sehr viel, das ich in mein Handeln einbeziehen muss. Sehr bewährt hat sich etwas, das ich Konfrontationstherapie nenne. Wir machen zu besonderen Themen und Projekten Workshops und lassen dort verschiedene Interessensgruppen bewusst zusammenkommen und auch aufeinanderprallen. Statt jeweils nur mit Einzelgruppen am Tisch zu sitzen. Damit jeder sieht: Was ich hier für mich will, hat für mein Gegenüber konkrete negative Folgen, die jemand wie ich genauso berücksichtigen muss. Das ist oft sehr heilsam.

Hat sich die Diskrepanz zwischen dem, was die Politik tut, und dem, was die Menschen wollen, vergrößert?

Ich merke, dass auch die Menschen, die nicht AfD wählen, eine Unzufriedenheit mit Politikern spüren. Das hat auch mit der Art zu tun, wie Politik medial vermittelt wird. Mir wurde einst der Grundsatz mitgegeben: „Niemals Bürgerschelte. Du darfst niemals sagen, dass der Bürger unrecht hat.“ Ich bin mittlerweile an dem Punkt, dass ich sage: „Das ist falsch.“ Wenn ich Bürger wirklich respektiere, und das tue ich, dann muss ich auch sagen dürfen: „Ich glaube, du bist auf dem falschen Dampfer. Du hast dich falsch informiert. Du hast eine falsche Erwartung.“ Gerade auf Bundesebene kann es den Leuten aktuell niemand so richtig recht machen. Wenn die CDU regieren würde, hätten wir ganz sicher ebenso Auseinandersetzungen und Unzufriedenheiten. Das Miteinanderringen ist der wichtigste Grundpfeiler von Demokratie. Und die einfachen Urteile aus der Distanz, das Delegieren von Verantwortung, müssen aufhören. Olaf Scholz ist ganz sicher nicht dafür verantwortlich, wenn in meinem Leben etwas nicht rund läuft. Das bin ich immer noch selbst.

Ich will nicht sagen, dass die Ampel alles richtig macht. Aber wir brauchen einen Mittelweg zwischen Kritik einerseits und der Akzeptanz andererseits, welche Probleme Politik lösen kann und welche immer noch eigene Baustellen sein sollten. Ich erlebe ja schon in meinem Alltag, wie vielschichtig ich von sehr gut ausgebildeten Fachleuten, die das studiert und jahrelange Erfahrung haben, in den jeweiligen Themen beraten werde. Manche Prozesse gehen über Wochen und Monate. Aber auf Facebook fühlen sich immer mehr Menschen mit ihrer eingebildeten Kompetenz berufen, alles fachlich zu bewerten. Das ist doch irre und auch sehr arrogant. Kurzum: Politik muss natürlich immer kritisch hinterfragt werden. Aber das gilt für jede und jeden einzelnen in seinen Maßstäben, Erwartungen, Bewertungen und vermeintlichen Fähigkeiten, Dinge kompetent einschätzen zu können, genauso. Die Abkopplung zwischen Politik und Bevölkerung ist beidseitig.

René Wilke: „Ich merke, dass auch die Menschen, die nicht AfD wählen, eine Unzufriedenheit mit Politikern spüren.“
René Wilke: „Ich merke, dass auch die Menschen, die nicht AfD wählen, eine Unzufriedenheit mit Politikern spüren.“Stephanie Steinkopf/Ostkreuz

Sollte man einen AfD-Mann zum Bürgermeister erklären, damit die AfD sich „entzaubern“ kann? Dass die AfD mal sieht, was Verwaltung bedeutet und das Übernehmen von Verantwortung?

Ich weiß nicht. Es geht ja schon um viel. Das sollte kein Experimentierfeld sein. Aber es passiert ja. Es ist ja auch nicht mehr so, dass tatsächlich nach Ebenen gewählt wird. Gesamtgesellschaftliche Trends spielen eine sehr große Rolle. Wenn ich mir die Wahlergebnisse bei unserer Stadtverordnetenversammlung anschaue, dann sind einige Stadtverordnete rausgeflogen, deren Positionen ich nicht teilte, die aber sehr kompetent und wichtig für gute Lösungen waren. Mit fantastischen Ergebnissen wiedergewählt wurden manche Leute, die de facto kaum jemand kennt und deren Stimme selbst ich nicht erkennen würde, weil sie nie ein Wort gesagt oder etwas beigetragen haben. Sie standen aber auf „der richtigen“ Liste. Bei der Entzauberung habe ich wenig Hoffnung. Wer ein bisschen die Kommunalpolitik verfolgen würde, für den wäre die AfD schon längst entzaubert. Das wird aber von der Mehrheit gar nicht verfolgt. Die Menschen lassen sich dann von Bundesthemen treiben, statt lokal oder landespolitisch zu entscheiden. Ist das eine kompetente Entscheidungsfindung? Ich denke nicht.

Wird im Stadtparlament in Frankfurt an der Oder viel über den Ukrainekrieg diskutiert?

Ja. Neulich aber auch über China und Weißrussland. Die große europäische Migrationsfrage. Über Genderthemen ebenso. Aber natürlich auch sehr, sehr viel über rein Kommunales. Die anderen Themen nehmen aber zu.

Wie wichtig war die Ukrainefrage landespolitisch mit Blick auf die Brandenburg-Wahl?

Sehr wichtig. Und das war falsch. Es gab genug sehr wichtige Landesthemen. Aber es ging ja im Kern dabei um die Frage: „Auf welcher Seite stehst du? Bist du jemand, dem ich mich ideologisch verbunden fühle? Oder bist du jemand, der zu den anderen gehört?“ So ticken viele bei der Wahlentscheidung. Das ist schade. Niemand repräsentiert einen zu hundert Prozent. Und es unterschätzt, was ein Landespolitiker zu leisten hat und dass es gute Landespolitiker gibt, ohne dass man sich bei allen Weltfragen einig sein muss.

Ist es für Sie ein Dilemma, wenn Sie sich gezwungen sehen, sich bundespolitisch oder außenpolitisch zu positionieren, obwohl Sie das unsinnig finden?

Ich habe lange versucht, das abzukoppeln und zu sagen: Diese Themen sind nicht unsere Baustelle. Aber es funktioniert nicht. Ich werde immer wieder auf diese Themen angesprochen. So richtig massiv begonnen hat das mit Corona. Das ging weiter mit den Handwerkerdemonstrationen, dann kamen der Ukrainekrieg und die Bauernproteste. Menschen aus den Protestbewegungen haben mich eingeladen und gesagt: „Oberbürgermeister, halt eine Rede und sag, auf welcher Seite du stehst.“ Ich kann das schon nachvollziehen. Zugleich denke ich: „Leute, wisst ihr eigentlich, wieviele eigene Probleme, Themen und Fragen ich hier vor Ort zu lösen habe? Was eigentlich mein Job ist. Für den ich dadurch weniger Zeit habe. Und wäre das nicht wichtiger, als Antworten zu geben, bei denen meine Kompetenz gering ist und deren Relevanz und Effekt nahe null liegt?“

Würden Sie sich beim nächsten Wahlkampf stärker positionieren?

Zu den Themen, um die es vor Ort wirklich geht, immer. Aber eben da, wo ich mich kompetent fühle oder eine klare, begründete Haltung entwickelt habe. Aber ich würde keine bundespolitischen Themen plakatieren, nur um damit dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Das ist das Gegenteil von Menschen ernst nehmen. Das ist respektlose „Wählerverarsche“. Traurig, dass es so oft funktioniert.

Das Kretschmer-Prinzip lehnen Sie ab. Er äußert sich außenpolitisch.

Ja.

Wie ist Ihr Blick auf das BSW? Setzen Sie BSW mit AfD gleich?

Nein. Nicht in der Sache. Aber es gibt methodische Parallelen. Was AfD, Linke und BSW gemein haben, ist die Neigung dazu, in einer komplexen Welt voller Differenziertheit zu gucken, wie man statt Grautönen ein bisschen mehr Weiß und ein bisschen mehr Schwarz in die Argumente hineinbekommt. Wagenknecht sagt: „Ich muss so sein und verkürzen, damit ich eine Chance habe, die Menschen abzuholen.“

Finden Sie das legitim?

Ich kann verstehen, was sie damit erreichen will. Also Leute abholen, wo sie sind. Aber da ist auch wieder diese Spirale. Letztlich ist man damit Teil von etwas Unheilvollem. Nämlich von Verkürzungen und Schwarz-Weiß-Denken. Jemand, der so viel Respekt und Anerkennung wie Frau Wagenknecht genießt, der hätte sogar die Macht zu sagen: „Wisst ihr, Leute, ich weiß, was ihr hören wollt. Aber so sind wir nicht.“ Sie könnte mit der Macht, die sie hat, noch Besseres bewirken.

Ihr Urteil klingt abwägend.

Ich bemühe mich.

Bei der AfD waren Sie eindeutiger.

Beim BSW kann ich die Kompetenz der dort aktiven Politiker noch nicht einschätzen.

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