Katja Kippings Ton ist ernst. Die Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales sitzt in den Räumen der Sozialverwaltung in Kreuzberg und spricht über die momentan „enorm schwierige Situation“ in Berlins Geflüchteten- und Asylunterkünften. „Stark und plötzlich“ sei die Zahl der Asylsuchenden in Berlin in den letzten Monaten gestiegen, sagt sie. Und das, obwohl die Zahl der ukrainischen Geflüchteten abnehme. Damit auch weiterhin alle bedürftigen Menschen untergebracht werden könnten, müssten jetzt neue Unterkünfte sowie Maßnahmen für den Winter in Angriff genommen werden, so die Linken-Politikerin.
Derzeit verfügt das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) über 27.700 Unterkunftsplätze. So viele wie noch nie. Doch selbst dieses große Angebot stößt an seine Grenzen – mittlerweile sind nur noch etwa 200 Plätze frei. Allein am ersten Oktoberwochenende kamen 171 Asylbewerber in Berlin an, am vergangenen Wochenende waren es 168. Insgesamt haben im Jahr 2022 bisher mehr als 12.000 Menschen einen Erstantrag auf Asyl in Berlin gestellt – im Jahr zuvor waren es gerade einmal 7800. Das vergangene Wochenende sei das zweite in Folge gewesen, an dem die Sozialverwaltung sich die Frage habe stellen müssen, wie sie über das Wochenende kommen würden, sagt Kipping.
Dabei hat die Sozialverwaltung in den letzten Monaten ungefähr 6000 neue Unterbringungsplätze geschaffen. Rund die Hälfte davon besteht aus Containerunterkünften, knapp über ein Viertel der Plätze befindet sich in neu gebauten oder sanierten Unterkünften. Das reiche aber nicht mehr, betonte Kipping. Am Wochenende müssten Asylsuchende vorübergehend im ehemaligen Flughafen Tegel untergebracht werden, wo sich das Ankunftszentrum für Ukraine-Geflüchtete befindet. Im Asylankunftszentrum in Reinickendorf gab es keine freien Betten mehr. Die beiden Einrichtungen wurden seit der Ankunft der ukrainischen Geflüchteten in Berlin bewusst getrennt, um auf die Besonderheiten des russischen Angriffskrieges bestmöglich reagieren zu können.
Russische Deserteure stellen keine Mehrheit unter Asylsuchenden dar
Kippings unmittelbare Lösung ist es, die zusätzliche Nutzung der Terminals A und B in Tegel für die Unterbringung zu beantragen. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Ankunftszahlen aus der Ukraine im Winter wieder sprunghaft ansteigen werden“, sagt sie. Für diesen Fall müsse eine möglichst zuverlässige „Puffer-Reserve“ eingerichtet werden. Allein die Weiternutzung des Terminals C reiche nicht aus. „Aus meiner Sicht werden wir es uns im Winter nicht leisten können, auf Tegel zu verzichten“, betont Kipping. Der Senat muss allerdings noch die Entscheidung treffen, ob so eine Nutzung möglich ist.
Nach Angaben der Sozialverwaltung stammen die Asylbewerber, die derzeit vermehrt in Berlin ankommen, vor allem aus Syrien, Georgien, Moldau und Aserbaidschan; auch für Ortskräfte aus Afghanistan müssen umgehend Plätze gefunden werden. Im September beantragten zudem 35 russische Staatsangehörige in Berlin Asyl – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den 15 Antragstellern im September 2021.




