Wahlchaos

Nach dem Wahldesaster in Berlin will der Senat jetzt Profis ranlassen

Für künftige Wahlen: Die Vorschläge einer externen Expertenkommission sollen nun umgesetzt werden. 

Wahlberechtigte stehen Schlange vor einem Wahllokal am 26. September in Berlin.
Wahlberechtigte stehen Schlange vor einem Wahllokal am 26. September in Berlin.Berliner Zeitung/Markus Wächter

Stimmzettel fehlten oder waren zu Tausenden ungültig. Etliche Wähler resignierten in langen Warteschlangen: Nach dem Desaster bei den Wahlen zum Bundestag und zum Abgeordnetenhaus im vergangenen September will der Senat die Wahlen nun professionalisieren.

Ab 1. Oktober wird der Verwaltungswissenschaftler Stephan Bröchler neuer Landeswahlleiter in Berlin. Das beschloss der Senat bei seiner Sitzung am Dienstag. Bröchler, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) in Berlin, gehörte der externen Expertenkommission an, die der Senat nach den zahlreichen Pannen bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zum Bundestag im September 2021 eingesetzt hatte.

Die Expertenkommission hatte in ihrem im Juli vorgelegten Abschlussbericht etliche Defizite bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahlen kritisiert.

Noch ist offen, ob die Wahlen in Berlin ganz oder teilweise wiederholt werden müssen. Das Landesverfassungsgericht will darüber am 28. September verhandeln. Ein Urteil wird im Herbst oder Dezember erwartet.

Die Zahl der Wahlkabinen soll erhöht werden

Um die Wahlen künftig zuverlässig zu organisieren, greift der Senat die Handlungsempfehlungen der Expertenkommission auf. So soll es künftig allgemeine Standards und eine zentrale Steuerung geben. Dafür wird ein hauptamtliches Landeswahlamt gegründet. 

Bislang war die Organisation von Wahlen eine Sache von Ehrenamtlichen, maßgeblich organisiert von den Bezirken. Die werden Kompetenzen abgeben müssen. Das Landeswahlamt soll nun zentrale und bezirksübergreifende administrative Aufgaben bei der Vorbereitung und Durchführung von Wahlen übernehmen. Dazu gehören zum Beispiel die Beschaffung von Stimmzetteln, bezirksübergreifende Entwicklung von Standards etwa für Schulungen und Gewinnung von Wahlhelfern.

In den Bezirken sollen die Abläufe ebenfalls standardisiert werden, etwa bei der Organisation und der Raumplanung. Die Zahl der Wahlkabinen in den Wahllokalen soll auf drei bis vier erweitert werden, um so lange Warteschlangen wie im vergangenen September zu vermeiden. Die Anmietung privater Flächen soll geprüft werden.

Stimmzettel sollen schon am Vortag geliefert werden

Die bezirklichen Wahlämter sollen ebenfalls zu dauerhaften Einrichtungen mit festem Personal werden. Die Verantwortlichkeiten von Beteiligten sollen klar zugeordnet werden. „Wahlen sind eine gesamtstädtische Aufgabe, die gemeinsam mit den Bezirken durchgeführt werden muss“, sagte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Dienstag nach der Senatssitzung. „Auch die Aufsicht meines Hauses über die Wahlen wird verstärkt und ausgebaut, um frühzeitig auf Fehlentwicklungen zu reagieren.“

Spranger weiter: „Schließlich geht nichts ohne Geld. Demokratische Wahlen müssen auch Geld kosten, hier darf nicht am falschen Ende gespart werden.“ Deshalb sollen die Wahlämter besser finanziell ausgestattet werden. Es habe erhebliche Störungen gegeben, weil den Bezirken nicht das zur Verfügung stand, was sie gebraucht hätten.

Angestrebt wird auch die Änderung des Paragrafen 42 der Landeswahlordnung, damit Stimmzettel schon am Tag zuvor geliefert werden können und nicht erst am Wahltag. In zahlreichen Wahllokalen waren beim letzten Mal die Stimmzettel ausgegangen und es fehlte an Nachschub.

Ungeklärtes Verhältnis zwischen Senat und Bezirken

„Wahlen sind ein Fest der Demokratie“, sagte Stephan Bröchler. „Sie müssen für die Bürgerinnen und Bürger so organisiert sein, dass sie problemlos daran teilnehmen können.“ Ein wichtiges Ziel sei, das Vertrauen der Bürger in Wahlen zurückzugewinnen.

Bereits im Sommer hatte die Expertenkommission Wahlen unter anderem das Fehlen verbindlicher Standards festgestellt. Das eigentliche Problem liege in der Zusammenarbeit zwischen der Landeswahlleitung und den Bezirken.

Die vielen Pannen haben aus Sicht der Kommission noch tiefere Ursachen. „Manche Missstände haben nicht nur mit den Wahlen zu tun, sondern sind Missstände in der gesamten Berliner Verwaltungsorganisation“, sagte damals Christian Waldhoff, Professor für Öffentliches Recht an der Humboldt-Universität, der das ungeklärte Verhältnis zwischen Senat und Bezirken kritisierte. Bei den Wahlen sei das deutlich geworden. Waldhoff und Bröchler sprachen sich für eine Verwaltungs- und Verfassungsreform aus.

Auch die Opposition hat klare Vorderrungen, um zukünftige Pannen zu verhindern: „Der neue Landeswahlleiter muss von der Senatorin einen Arbeitsplatz vorfinden, mit der er seine Aufgabe erfüllen kann.“ So Roman-Francesco Rogat, Sprecher für Verwaltungsmodernisierung der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.  Und fordert weiter: „Es  ist dringend notwendig, dass er sowohl personell als auch technisch so ausgestattet ist, wie es seinem Amt gerecht wird.“