Mobilität

Berlin: Protest für einen Radweg, der zum Symbol der CDU-Verkehrspolitik wurde

Montagabend fordern etwa 100 Menschen die schnelle Freigabe des Radweges in der Ollenhauerstraße in Reinickendorf. Doch der neue Radweg stößt auch auf Kritik.

Teinehmer der Fahrrad-Demo für die Freigabe des Radweges in der Ollenhauer Straße in Reinickendorf.
Teinehmer der Fahrrad-Demo für die Freigabe des Radweges in der Ollenhauer Straße in Reinickendorf.Markus Waechter/Berliner Zeitung

Die Forderung des Veranstalters ist ganz simpel: „Radweg frei!“ Rund 100 Menschen stehen am Montagnachmittag in Reinickendorf und demonstrieren für einen Radweg, der wahrscheinlich schon bald wirklich freigegeben sein wird. Im Streit um den fertigen, aber noch nicht freigegebenen Fahrradweg in der Ollenhauerstraße erklärte die Verkehrsverwaltung Montagmittag, der Radweg werde zeitnah für den Radverkehr zur Verfügung stehen.

Dennoch demonstrierten am Montagabend etwa 100 Teilnehmer für eine schnellstmögliche Freigabe des Radweges und eine gerechtere Verkehrspolitik. So kritisiert beispielsweise der Landesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), Heiner von Marschall, die undurchsichtige Kommunikation der Politiker. „Die Situation ist sehr chaotisch“, sagt er. „Es ist derzeit nicht immer klar, nach welchen Kriterien bereits genehmigte Fahrradprojekte nochmals geprüft würden.“

So herrscht auch in der Ollenhauerstraße weiterhin Unsicherheit: Obwohl die gelben Fahrbahnmarkierungen, die den Radweg zunächst ungültig machten, inzwischen teilweise entfernt wurden, parkten zum Zeitpunkt der Demonstration weiterhin zahlreiche Fahrzeuge auf dem neuen Fahrradweg. Auch die Beschilderung sorgt für Verwirrung. Auf einer Straßenseite ist zwar ein Fahrradweg ausgeschildert, auf der anderen Straßenseite ist das Schild jedoch mit der Rückseite nach vorn montiert. Vielleicht wirkt die Erklärung der Verkehrsverwaltung deshalb noch nicht glaubwürdig, der Radweg werde bald freigegeben werden.

Etwa 100 Radfahrer nehmen an der Fahrrad-Demo in der Ollenhauerstraße teil. 
Etwa 100 Radfahrer nehmen an der Fahrrad-Demo in der Ollenhauerstraße teil. Markus Waechter/Berliner Zeitung

Doch genau das war in den vergangenen Wochen das Problem in der Kommunikation des Senats im Zusammenhang mit Fahrradwegen in Berlin. Projekte, an denen zum Teil ein Jahrzehnt geplant worden war, waren plötzlich wieder zur Disposition gestellt. Verkehrssenatorin  Manja Schreiner wurde von mehreren Seiten ein Schlingerkurs vorgeworfen und diese Kritiker mussten sich hier in Reinickendorf bestätigt sehen. Fahrradweg überklebt und jetzt doch freigegeben? 

Warum der Radweg ein Symbol wurde

Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) gehört zu den größten Kritikern von Schreiners Kommunikation. Maria-Anne Lamberti ist Vorstandmitglied des ADFC und gleichzeitig Anwohnerin. Sie nennt diesen Radweg eine „Herzensangelegenheit“. Sie wünscht sich eine Priorisierung des Radverkehrs, unter anderem aus Gründen der Nachhaltigkeit, aber auch, weil immer mehr Menschen in die Randbezirke ziehen und auf dem Fahrrad in die Stadt pendeln würden.

Ein BMW-Sportwagen in Reinickendorf, direkt an einem Fahrradweg, der inzwischen zu einem Symbol wurde. 
Ein BMW-Sportwagen in Reinickendorf, direkt an einem Fahrradweg, der inzwischen zu einem Symbol wurde. Markus Waechter/Berliner Zeitung

Mit dieser Meinung ist sie nicht allein. Der Radweg in der Ollenhauerstraße wurde in den vergangenen drei Wochen immer mehr zu einem Symbol, wie schwierig sich die Verkehrswende durchsetzen lässt. Die Deutsche Umwelthilfe drohte sogar mit einer Klage wegen dieses Radwegs. Andererseits war die CDU bei der Wahl im Februar mit dem Versprechen angetreten, die Autofahrer aus dem Umland besser einzubeziehen. Auch in Reinickendorf wurden die Christdemokraten auch sicherlich deshalb gewählt. 

Zwischen vielen Radfahrern auf der Demonstration sind auch einige, die zum ersten Mal an einem Protest teilnehmen. Petra fährt regelmäßig Auto und kann sowohl Auto- als auch Fahrradfahrer verstehen. Dennoch plädiert auch sie für mehr Gleichberechtigung auf der Straße. Wenn das Auto ein Recht auf eine Spur hat, warum dann nicht auch das Fahrrad? Von dem aktuellen Verkehrskonzept ist sie „einfach nur genervt“.

Schnell wird deutlich: Der neue Radweg hat nicht nur Befürworter. Von einer Kiezkneipe aus beäugten zwei Anwohnerinnen die Demonstration eher kritisch. Für sie sei die Forderung nach einer besseren Lösung für Fahrräder auf einer der wichtigsten Nord-Süd Achsen der Stadt verständlich, die Straße sei allerdings für Autos genauso wichtig. Ihre größte Sorge: Durch den neuen Radweg würden dringend benötigte Parkplätze wegfallen. „Autos jetzt alle weg – das kann nicht funktionieren.“

Die Forderung dieser Demonstrantin in Reinickendorf sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.
Die Forderung dieser Demonstrantin in Reinickendorf sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.Markus Waechter/Berliner Zeitung

Forderung nach einem „lückenlosen Radnetz“

Eines vereinte jedoch sowohl Befürworter als auch Kritiker des Radweges: Forderungen nach einem besseren ÖPNV-Netz, das den Individualverkehr entlasten würde. Besonders in den Randbezirken sei man aktuell oft auf den Individualverkehr angewiesen; dies befeuere die Konkurrenz zwischen Rad- und Autofahrern zusätzlich.

Trotz Freigabe des Radweges bleibt die Verkehrspolitik des neuen Senats also polarisierend. Auch an anderen Orten in Berlin, beispielsweise der Hauptstraße in Berlin-Schöneberg oder um die Hermann-Hesse Straße in Pankow, bleibt die Zukunft der dort geplanten Fahrradwege offen.

Am Ende der Demonstration am Montagabend ist deshalb klar, dass das Thema mit der neuesten Pressemitteilung der Verkehrsverwaltung nicht abgeschlossen ist. So forderte Maria-Anne Lamberti während der Abschlusskundgebung unter enthusiastischer Zustimmung der Teilnehmer ein „lückenloses Radnetz in ganz Berlin“.