Mobilität

Verlängerung der A100: Wie die Berliner CDU sich die „Klimaautobahn“ vorstellt

Solardächer, Radschnellweg, Bars und viel Grün: Die Christdemokraten wollen die Verlängerung des Stadtrings umweltfreundlich gestalten. Aber wer zahlt?

Sechs Fahrstreifen neben der Ringbahn, darauf ein Deckel mit viel Grün, einer Bar und einem Club: So stellen sich Berlins Christdemokraten die „Klimaautobahn“ nördlich der Frankfurter Allee vor.
Sechs Fahrstreifen neben der Ringbahn, darauf ein Deckel mit viel Grün, einer Bar und einem Club: So stellen sich Berlins Christdemokraten die „Klimaautobahn“ nördlich der Frankfurter Allee vor.Simulation: CDU Berlin

Es ist ein Bild wie aus einem Berliner Freizeit-Traum. Am Rand von Friedrichshain liegen Menschen auf einer gepflegten Rasenfläche in der Sonne. Eine Freiluftbar lädt zu Drinks ein. In einem bunten Holzbau wird Musik gespielt, davor kann man in Strandkörben chillen. Unter dem neuen Park aber fließt der Verkehr auf sechs Spuren. So könnte sie aussehen, die „Klimaautobahn“, die sich die Christdemokraten für den Osten der Stadt wünschen.

„Für die Grünen ist der geplante 17. Bauabschnitt der A100 ein Asphaltmonster“, sagt Kai Wegner, Landes- und Fraktionschef sowie Spitzenkandidat der CDU für die Wiederholungswahl am 12. Februar. „Wir wollen zeigen, dass die Autobahn zu einem lebenswerten Berlin passen kann.“ Am Donnerstag präsentierte er die Fortschreibung eines Konzepts, mit dem die CDU 2022 an die Öffentlichkeit getreten war.

Auf Berlins Straßen wird es immer voller. Jede Verkehrsart beansprucht mehr Platz für sich und weniger für die anderen. Die meisten Autofahrer sind nicht geneigt, auch nur einen Quadratzentimeter abzugeben. Währenddessen fragen Radfahrer und Fußgänger immer lauter, wann die versprochene Mobilitätswende endlich nach Berlin kommt.

In dieser zunehmend aufgeheizten Situation ist das Projekt, die Stadtautobahn über Treptow hinaus nach Friedrichshain und Lichtenberg zu verlängern, hervorragend geeignet, noch mehr Streit zu säen und zu polarisieren, gerade jetzt, mitten im Wahlkampf. Der 17. Bauabschnitt der A100 umfasst 4,1 Kilometer Autobahn von der Straße Am Treptower Park bis zur Frankfurter Allee sowie 1,6 Kilometer Stadtstraße von dort bis zur Storkower Straße. Für die Kritiker ist es ein „Wahnsinnsprojekt“, das mehr als eine Milliarde Euro kosten würde und mit einem Doppelstocktunnel im dicht besiedelten Friedrichshain auch knifflige, risikoreiche Bauaufgaben umfasst. Doch bei den Berlinern gibt es viele Befürworter – was den Wahlausgang mitbestimmen könnte.

„Das Auto wird Teil des mobilen Berlin bleiben“

Für Kai Wegner ist das Vorhaben auf jeden Fall „eine Chance für Berlin“. Eine Chance, „mit einem Modellprojekt international zu punkten“, sagte er am Donnerstag. „Das Auto wird Teil des mobilen Berlins bleiben“ – auch wenn vom kommenden Jahrzehnt an nicht mehr Benzin und Diesel, sondern Strom und Wasserstoff die Fahrzeuge antreiben werden.

Auf dem Betondeckel: eine Grünanlage. Daneben verläuft ein Radschnellweg mit Glasüberdachung.
Auf dem Betondeckel: eine Grünanlage. Daneben verläuft ein Radschnellweg mit Glasüberdachung.Simulation: CDU Berlin

„Wer die CDU wählt, bekommt eine Verkehrspolitik, die alle in den Blick nimmt – ja, sogar das Auto“, versprach der Spitzenkandidat. Wenn der 17. Bauabschnitt des Stadtrings von Anfang an als Klimaautobahn konzipiert würde, ließe sich das an diesem Beispiel wunderbar zeigen. So zeigt die Simulation der CDU nicht nur Autos auf sechs Fahrstreifen, sondern auch Fahrräder, die auf einem sechs Meter breiten Radschnellweg dahinrollen. „Eine Fahrradautobahn“, wie der Spitzenkandidat zeigt.

Abgeordneter kritisiert „schlaue West-Berliner“

Der neue Autobahnabschnitt im Osten der Stadt, der nach den Ideen der Christdemokraten abgesehen von der Spreeüberquerung unter der Erde verlaufen soll, ließe sich mit weiteren Verbesserungen garnieren. Der Deckel über der A100 könnte auch aus Solardächern bestehen, die mithilfe von Photovoltaikanlagen grünen Strom erzeugen. Am Rand der Autobahn könnten Ladesäulen für Elektrofahrzeuge installiert werden. Auch von „innovativen Schallschutzmauern“ ist die Rede sowie von „verkehrsberuhigenden Maßnahmen in umliegenden Stadtteilen“ und von „neuen zentralen Standorten für die Kreativwirtschaft und Clubszene“. So steht es in dem Antrag, den die CDU ins Abgeordnetenhaus einbringen möchte.

Stefan Evers, der stadtentwicklungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, stellte sich am Donnerstag als Betroffener dar. Wenn Ende 2024 der 16. Bauabschnitt der A100 zwischen Neukölln und Treptower Park für den Verkehr freigegeben werden soll, werde ein Strom von Autos in die umliegenden Wohnviertel drängen. „Als Entlastungsprojekt ist der 17. Bauabschnitt zwingend erforderlich“, folgerte der Abgeordnete. „Schlaue West-Berliner“ würden den Bewohnern des Berliner Ostens vorrechnen, dass die Autobahn viel zu teuer würde. „Dabei wartet der Osten schon viel zu lange darauf.“ Allerdings stößt das Projekt bei manchen Abgeordneten aus dem Osten auf Kritik.

CDU rechnet mit „geringfügiger Erhöhung“ der Baukosten

Bisherige, fast ein Jahrzehnt alte Kostenschätzungen gehen von rund 885 Millionen Euro aus. Absehbar ist aber, dass die größtenteils vom Bund zu tragenden Aufwendungen am Ende deutlich höher liegen werden. Die CDU streitet nicht ab, dass die Autobahn noch mehr Geld erfordert, wenn sie zusätzlich zum ohnehin geplanten Doppelstocktunnel auch auf weiteren Abschnitten unter die Erde verlegt würde. Die millionenteuren Planungen, die von der bundeseigenen Autobahn GmbH gerade erst in Auftrag gegeben worden sind, müssten neu aufgerollt werden.

Doch das Beispiel Hamburg, wo sich der Bund und die Stadt Kosten für Autobahndeckelungen geteilt hätten, zeige die grundsätzliche Finanzierbarkeit, erklärte der CDU-Verkehrspolitiker Oliver Friederici. Auch in München sei ein solches Projekt gelungen. Die „geringfügige Erhöhung“ der Baukosten ließe sich mit dem Verkauf von Strom aus den Photovoltaikanlagen teilweise ausgleichen, meinte der Abgeordnete. Die neue Stadtautobahn könne von einem Tunnelbohrer im Schildvortrieb errichtet werden.

„Hoffnungslos anachronistisch“

Als Lärmschutzmaßnahme ließe sich der Berliner Deckel über den Bund abrechnen, glaubt Kai Wegner. Für ihn und seine Mitstreiter ist klar: „Der Weiterbau der Stadtautobahn ist Bestandteil eines durchdachten, zukunftsfähigen und klimaschonenden Verkehrskonzepts für die Metropole Berlin.“

Doch die Grundsatzkritik verstummt nicht. Tilmann Heuser vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bekräftigte seine Ablehnung des geplanten „stadt- und umweltzerstörerischen Ausbaus des Hochleistungs-Straßennetzes“. Angesichts der Klimakrise werde sich die Mobilität in Berlin ändern müssen, der Autoverkehr einen geringeren Stellenwert als heute haben. „Damit würde die Autobahn bei einer Fertigstellung in den 2040er- oder 2050er-Jahren hoffnungslos anachronistisch sein, sollte sie je gebaut werden“, so der Berliner BUND-Landeschef.

„Die Planungen für die weitere Verlängerung der A100 müssen sofort auf Eis gelegt werden“, forderte er. Sie bedeuten eine „massive Verschwendung von Steuergeldern und von ohnehin knappen Kapazitäten in Verwaltung und Ingenieurbüros, die eigentlich für die dringend benötigte Modernisierung der bestehenden Verkehrsinfrastruktur eingesetzt werden müssen“.

Auch große Teile der Berliner Stadtautobahn sind in die Jahre gekommen. Wie berichtet bereitet die Planungsgesellschaft Deges deshalb die Sanierung und den Umbau des Autobahnkreuzes Funkturm vor. „Nach aktueller Planung werden die Hauptbauarbeiten frühestens 2024 beginnen können – wenn der Planfeststellungsbeschluss vorliegt und nicht beklagt wird“, sagt Deges-Sprecher Michael Zarth. Weiterhin gehen die Planer davon aus, dass die Arbeiten am Knotenpunkt der A100 mit der Avus rund acht Jahre in Anspruch nehmen werden.

Kosten für Sanierung des Autobahnkreuzes Funkturm steigen um ein Drittel

Apropos Geld: „Wir haben bereits im Oktober 2021 befürchtet und kommuniziert, dass die ursprünglich veranschlagten 300 Millionen Euro aufgrund der Baupreissteigerungen nicht ausreichen werden“, so Zarth. „Wir haben inzwischen die erwarteten Kosten fortgeschrieben. Aktuell liegen die genehmigten Kosten bei 409 Millionen Euro.“