Mobilität

Diesel? Nein danke! Das sind die neuen Züge für Berlin und Brandenburg

Auf elf Linien treiben Wasserstoff und Strom künftig den Verkehr an. Doch die neuen Regionalbahnen haben weniger Sitzplätze, und eine Strecke für sie wird später fertig.

Unterwegs in Berlin und Brandenburg: So sollen die neuen Siemens-Triebwagen für die Niederbarnimer Eisenbahn aussehen. 38 zweiteilige Fahrzeuge wurden bestellt.
Unterwegs in Berlin und Brandenburg: So sollen die neuen Siemens-Triebwagen für die Niederbarnimer Eisenbahn aussehen. 38 zweiteilige Fahrzeuge wurden bestellt.Visualisierung: Siemens

Der Abschied vom Diesel steht bevor. Künftig sollen Regionalzüge in Berlin und Brandenburg ausschließlich mit Strom aus Batterien oder mit Wasserstoff angetrieben werden. Am Mittwoch stellten die Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) und Siemens die ersten neuen Fahrzeuge dieser Art vor. Sie sollen wie geplant Ende des kommenden Jahres ins Rollen kommen. „Mit ihnen beginnt eine neue Zeitrechnung“, sagte Thomas Dill vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg. Doch nicht alles ist perfekt.

Denn die neuen Wasserstoffzüge auf der Heidekrautbahn werden weniger Sitzplätze bieten als ihre Vorgänger, die derzeit auf der Strecke nordöstlich von Berlin unterwegs sind. Auch zeichnet sich ab, dass die Neubaustrecke, die eine neue Verbindung in die Hauptstadt schaffen soll, später fertig wird. Der Termin 2024 steht auf der Kippe.

Nächste Station: unbekanntes Gebiet. „Wir betreten Neuland“, sagte Dill. Doch der Kurs steht fest: Von 2037 sollen keine Regionalzüge mehr durch Berlin und Brandenburg dieseln. „Beide Bundesländer setzen auf eine Dekarbonisierungsstrategie“, so der Verbundplaner. Die neuen zweiteiligen Triebwagen, die Siemens zum Fahrplanwechsel im Dezember nächsten Jahres liefern will, machen den Anfang. Die Alu-Leichtbauten  produzieren nicht nur weniger Lärm und Feinstaub als Dieselfahrzeuge. Ihr Betrieb erspart der Atmosphäre jährlich 14,5 Millionen Kilogramm klimaschädliches Kohlendioxid, die sonst aus der Verbrennung von 5,5 Millionen Liter Diesel entstünden.

Elektrisch nach Rheinsberg, Templin, Bad Saarow und Müncheberg

Da sind zum einen 31 batterieelektrische Züge vom Typ Siemens Mireo Plus B. Sie werden auf zehn Regionalbahnlinien in Ostbrandenburg eingesetzt. Dazu zählen die Strecken von Berlin nach Templin und Werneuchen. Auch Bad Saarow-Pieskow, Rheinsberg, Beeskow und Joachimsthal werden elektrisch erreichbar sein. Auf der Oderlandbahn, wo die umstrittenen Pesa Links nach Kostrzyn (Küstrin) wegen ihrer Polen-Zulassung unverzichtbar bleiben, ergänzen die Zweiteiler mit 127 Sitz- und 155 Stehplätzen montags bis freitags bis Müncheberg das Angebot. „Geladen werden die Batterien auf Abschnitten mit Fahrleitung oder an unseren vier Ladestationen“, erläuterte NEB-Chef Detlef Bröcker. Die Reichweite pro Ladung wird mit 120 Kilometern beziffert.

Eines der beiden Mehrzweckabteile ist für Fahrräder vorgesehen. Pro Triebwagen gibt es zwölf Stellplätze. Fahrgäste mit Rad sollen vorn einsteigen und das Abteil durch die hintere Tür verlassen.
Eines der beiden Mehrzweckabteile ist für Fahrräder vorgesehen. Pro Triebwagen gibt es zwölf Stellplätze. Fahrgäste mit Rad sollen vorn einsteigen und das Abteil durch die hintere Tür verlassen.Visualisierung: Siemens

Zum anderen baut Siemens sieben Wasserstoffzüge für die NEB, ebenfalls in Krefeld. Die Mireo Plus H können mit einer Tankladung 600 bis 1000 Kilometer zurücklegen, sagte Elmar Zeiler von Siemens Mobility. „Der Wasserstoff wird lokal produziert“, so Bröcker. Er entsteht im Landkreis Oberhavel vor allem aus Sonnen-, aber auch aus Windenergie.

Die Kreiswerke Barnim und Enertrag sind Partner der Niederbarnimer Eisenbahn, und in diesem Fall gibt nicht nur der Bund, sondern auch das Land Geld für das Projekt an der Heidekrautbahn, die von Berlin nach Basdorf, Wensickendorf, Wanditz, Klosterfelde und Groß Schönebeck führt. „So werden die Energie- und die Verkehrswende gefördert“, so Bröcker. Doch es gibt einige Fragezeichen.

Zum Liepnitz- und Wandlitzsee: Auf der Heidekrautbahn kann es voll werden

Fast überall in Deutschland bemühen sich Planer, die Kapazität des Schienenverkehrs zu erhöhen. Auf dem Weg zur Mobilitätswende bekommt die Bahn einen immer größeren Stellenwert, das Deutschlandticket könnte ihr zusätzliche Kundschaft verschaffen. Doch auf der Heidekrautbahn werden die einzelnen Fahrzeuge nun bald kleiner. Damit ist für einen Teil der Fahrten ein geringeres Platzangebot absehbar.

Derzeit setzt die NEB auf der Regionalbahnlinie RB27, die von vielen Pendlern und Ausflüglern genutzt wird, dreiteilige Dieseltriebwagen vom Typ Bombardier Talent ein. Die 156 Sitzplätze pro Zug reichen meist aus. Doch bei schönem Wetter kann es auf der traditionsreichen Strecke, die außer dem Wandlitz- und Liepnitzsee auch die Schorfheide erschließt, vorkommen, dass auch ein Teil der 150 Stehplätze benötigt wird. Schon heute empfiehlt der Zugbetreiber Radtouristen, die Heidekrautbahn zu meiden.

Ein Blick in den Fahrgastraum. Der Siemens Mireo Plus B soll 127, der Plus H 134 Sitzplätze bieten. Es soll auch einen Familienbereich mit Beschäftigungsmöglichkeiten für Kinder und Informationselemente für Eltern geben.
Ein Blick in den Fahrgastraum. Der Siemens Mireo Plus B soll 127, der Plus H 134 Sitzplätze bieten. Es soll auch einen Familienbereich mit Beschäftigungsmöglichkeiten für Kinder und Informationselemente für Eltern geben.Visualisierung: Siemens

Ende 2024 sollen zweiteilige Wasserstofftriebwagen vom Typ Siemens Mireo Plus H den Betrieb übernehmen. Normalerweise haben sie 120 Sitzplätze, heißt es im Infoblatt des Herstellers. Bei der NEB werden die Fahrzeuge jeweils 134 Sitzplätze, 145 Stehplätze sowie Stellflächen für zwölf Fahrräder und zwei Rollstühle bieten, sagte Bröcker.

Der iLint ist zu lang für die Halle – Alstom nahm nicht an Ausschreibung teil

In Zeiten mit großer Nachfrage sollen die neuen Fahrzeuge, die nur die zweite Wagenklasse bieten, jedoch im Zweierpack verkehren. Zumindest bei den Fahrten, die das betrifft, werde sich durch die Doppeltraktion die Kapazität also erhöhen, sagte der Geschäftsführer. „Möglich wird das, weil wir für die Heidekrautbahn künftig zwei Fahrzeuge mehr als heute haben werden“, so Bröcker. Es wird sich zeigen, ob auch an Wochenenden mit Ausflugswetter Triebwagen zu Doppeltraktionen gekuppelt werden.

Dem Vernehmen nach wollte sich außer Siemens auch die Firma Alstom an dem Vergabeverfahren beteiligen. Ihr Coradia iLint, der in Niedersachsen eingesetzt wird, bietet 160 Sitzplätze und Stellplätze für zwölf Fahrräder. Dieser Wasserstofftriebwagen ist aber mit rund 54,3 Metern mehr als sieben Meter länger als der zweiteilige Siemens Mireo Plus H. Das wurde ihm im Fall der Heidekrautbahn Berichten zufolge zum Verhängnis. Denn der Alstom-Wasserstoffzug ist für die Werkstatthalle, in der sie gewartet werden sollen, mehr als einen Meter zu lang. Weil es technisch nicht möglich war, die Züge kürzer zu bauen, konnte Alstom bei der Ausschreibung nicht mitbieten.

Farbflächen in Lichtgrau und Blau statt Streifenoptik: Mit Gestaltungsideen des Grafikers Sebastian Büsching will die Niederbarnimer Eisenbahn neue Akzente setzen.
Farbflächen in Lichtgrau und Blau statt Streifenoptik: Mit Gestaltungsideen des Grafikers Sebastian Büsching will die Niederbarnimer Eisenbahn neue Akzente setzen.Visualisierung: Siemens

Ein zweites Thema ist der neue Linienast, der das Netz der RB27 um 14 Kilometer verlängern soll. Die NEB möchte die Stammstrecke der Heidekrautbahn, die nach dem Mauerbau 1961 schrittweise gekappt worden war und heute dem Güterverkehr zum Werk von Stadler Pankow dient, ausbauen. Künftig sollen die Züge nicht nur in Berlin-Karow beginnen und enden, sondern auch in Berlin-Wilhelmsruh. Unterwegs sollen sie auf der neuen alten Route unter anderem in Rosenthal, Blankenfelde, Schildow und Mühlenbeck halten. So entsteht eine neue Verbindung nach Berlin, zunächst mit einem Stundentakt.

Das Planfeststellungsverfahren für den Ausbau der Stammstrecke ist in vollem Gang, berichtete NEB-Chef Bröcker. Doch es kamen mehr Einwendungen als erwartet, sagte er. Auch Träger öffentlicher Belange, dem Vernehmen nach auch die Senatsverwaltung für Mobilität, hätten sich geäußert. Bröcker deutete an, dass der Plan, den Betrieb Ende 2024 aufzunehmen, unrealistisch ist. „Es ist schwer zu sagen, ob der Zeitplan eingehalten werden kann“, so der Geschäftsführer. Auf jeden Fall sei der Plan auf einem „sehr kritischen Pfad“. Bald werde die NEB die Länder Berlin und Brandenburg informieren.

Tag der offenen Tore am 13. Mai in Basdorf mit Sonderfahrten

Am 13. Mai wird aber erst einmal gefeiert. Die Niederbarnimer Eisenbahn lädt ein zum Tag der offenen Tore auf dem Betriebsgelände in Basdorf (10 bis 17 Uhr). Dort geht es auch um die neuen Fahrzeuge. Highlight für viele Fans werden die moderierten Sonderfahrten auf der Stammstrecke der Heidekrautbahn sein. Start ist in Basdorf um 12.52 und 16.52 Uhr, um 9.55 Uhr und 13.57 Uhr geht es am Wilhelmsruher Damm los.