Die Zahl unerlaubter Einreisen über die deutsch-polnische Grenze ist erneut stark gestiegen. Mittlerweile greifen dort Bundespolizisten jeden Tag Migranten auf. In der ersten Hälfte dieses Jahres erfasste die Bundespolizei an der Grenze zwischen Ahlbeck und Zittau insgesamt 12.331 Personen, die ohne gültige Dokumente nach Deutschland gelangt sind. „Das ist eine deutliche Steigerung von 168,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum“, sagte ein Behördensprecher der Berliner Zeitung.
Der Weg über Polen ist mittlerweile zur Hauptroute für illegale Migration geworden. Nach Angaben der Bundespolizei nehmen viele Flüchtlinge aus dem Nahen Osten oder Ländern wie Afghanistan den Weg über Russland und Belarus und überqueren von dort aus die Grenze nach Polen in einem Abschnitt, der sich nur schwer kontrollieren lässt, weil er durch Urwälder und Sumpfgebiete führt.
Auch die sogenannte Balkanroute, die am Mittelmeer beginnt, führt inzwischen nicht mehr über die stark gesicherte österreichische Grenze nach Bayern, sondern mittlerweile über die Slowakei und Polen nach Deutschland.
Gleichwohl lehnt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stationäre Grenzkontrollen an der Grenze zu Polen ab. Ende Mai hatte sie sich im Zentrum der Deutsch-Polnischen Polizei- und Zollzusammenarbeit im polnischen Świecko mit ihrem polnischen Amtskollegen getroffen. Damals einigte man sich lediglich auf eine Intensivierung der Kontrollen.
Für 10.000 Dollar nach Deutschland
„Die Binnengrenzfahndung wurde seitdem stark intensiviert“, sagt Jens Schobranski, Sprecher der Bundespolizeidirektion Berlin. Dafür würden zusätzliche Bundespolizistinnen und Bundespolizisten, unter anderem Hundertschaften der Bereitschaftspolizei aus Blumberg, eingesetzt. „Schwerpunkte der Kontrollen sind unter anderem die Stadtbrücke in Frankfurt (Oder), die ehemaligen Grenzübergänge an der A12 bei Frankfurt und der A15 bei Forst.“ Es gebe zudem viel mehr gemeinsame Streifen auf polnischem Hoheitsgebiet. Auch die polnische Seite fahre verstärkt Schwerpunkteinsätze gegen kriminelle Schleuser. Der starke Anstieg von Feststellungen der unerlaubten Migration beruhe nicht nur auf den verstärkten und engmaschigeren Fahndungsmaßnahmen, sondern auch darauf, dass es viel Bewegung auf den verschiedenen Migrationsrouten gebe, so Schobranski.
Das Hauptaugenmerk der Polizisten richtet sich nicht nur auf die illegal Eingereisten, sondern vor allem auf die kriminellen Schleuser, die mit dem Menschenhandel Geschäfte machen. Wer illegal von Afghanistan nach Deutschland will, muss 8000 bis 10.000 Dollar an die Schleuserbanden zahlen. Die Gewinnmargen im Menschenhandel sind nach Schätzung der Behörden ähnlich hoch wie beim Drogenhandel. In den vergangenen Monaten gelang es deutschen und polnischen Grenzpolizisten, mehr mutmaßliche Schleuser festzunehmen. Unter anderem die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) erwirkte mehrere Haftbefehle.
In der Regel bringen die Schleuser die Migranten von der Grenze zu Belarus oder der Slowakei mit Autos in die Nähe der deutschen Grenze, wo sie sie unbemerkt aus den Autos lassen. Zu Fuß wandern diese dann über die Brücken und werden von Bundespolizisten nur noch in Empfang genommen – etwa in Forst, Guben, Coschen oder Frankfurt (Oder).
Mehr Schleusungen in Transportern und Pkw
In letzter Zeit stellen die Beamten allerdings auch wieder vermehrt sogenannte Behältnisschleusungen fest. Darunter ist der Menschenschmuggel auf Lkw-Ladeflächen, in Pkw-Kofferräumen oder Transportern zu verstehen. Einen solchen Fall gab es zum Beispiel am 31. Juli bei Forst. In der Nähe des ehemaligen Grenzüberganges Sacro bei Forst wollten Bundespolizisten einen aus Polen kommenden Ford Transit mit ungarischem Kennzeichen kontrollieren. Der Fahrer stoppte abrupt und flüchtete gemeinsam mit dem Beifahrer. Als die Beamten die Türen des Kleintransporters öffneten, sahen sie darin 15 Männer. Die Syrer im Alter zwischen 17 und 37 Jahren hatten keine Dokumente für eine legale Einreise nach Deutschland.
Den 28-jährigen syrischen Beifahrer stellten Polizisten nach kurzer Flucht. Der Fahrer entkam unerkannt.

Eine Woche später deckten Bundespolizisten die unerlaubte Einreise von 22 Personen auf. Auf der A15, Anschlussstelle Bademeusel, kontrollierten sie einen Renault Traffic mit ungarischem Kennzeichen. In den Laderaum waren 18 syrische Staatsangehörige im Alter zwischen 16 und 31 Jahren eingepfercht. Sie saßen ungesichert auf dem Boden. Eine 29-jährige Syrerin saß mit ihren drei Kindern im Alter zwischen ein und neun Jahren ungesichert auf dem Beifahrersitz. Der Fahrer, ein wegen Schleuseraktivitäten polizeibekannter 34-jähriger Syrer, kam selbst einmal als Asylbewerber nach Deutschland. Er hat einen deutschen Aufenthaltstitel.
In der vergangenen Woche beobachteten Anwohner in Forst, wie mehrere Menschen aus dem Laderaum eines Transporters stiegen, und riefen die Polizei. Bei den 14 Männern, einer Frau und drei Kindern handelte es sich um syrische Staatsangehörige im Alter zwischen vier und 39 Jahren. Die Polizisten stellten einen in der Nähe geparkten Renault Master mit ungarischem Kennzeichen sicher. Mit diesem waren die Migranten über die Grenze gebracht worden. Der 34-jährige Fahrer wies sich mit einer gültigen österreichischen Aufenthaltsberechtigungskarte aus. Der mutmaßliche Schleuser sitzt inzwischen in Untersuchungshaft.



