Die steigenden Energiekosten infolge des Ukraine-Kriegs werden schon in diesem Jahr für Haushalte in Deutschland zu Mehrkosten in vierstelliger Höhe führen. Das geht aus Berechnungen des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) hervor, die am Donnerstag präsentiert wurden. Für Einpersonenhaushalte erwartet der GdW im unteren Szenario Mehrkosten von knapp 1000 Euro und von rund 2700 Euro im oberen Szenario. Für Vierpersonenhaushalte rechnet der Verband mit Mehrkosten von 1800 Euro bis zu rund 5000 Euro. Das obere Szenario sei dabei „eher realistisch“, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko.
„Wir sehen hier massiven sozialen Sprengstoff“, warnt der GdW-Präsident. Über alle Energiearten gemittelt, sei bereits bis Mai 2022 eine Preissteigerung von 37 Prozent erreicht. Schon das habe für einen Einpersonenhaushalt eine Mehrbelastung von 508 Euro im Jahr im Vergleich zum vergangenen Jahr zur Folge. Nach Angaben verschiedener Energieanbieter dürften sich aber die Preissteigerungen über alle Energieträger in einer Spanne zwischen 71 und knapp 200 Prozent abspielen, so der GdW. Diese Preisentwicklung spiegelt sich in den genannten Szenarien wider.
Sollte die dritte Stufe des Notfallplans Gas ausgerufen werden, drohen nach Angaben des GdW sogar Gaspreissteigerungen von bis zu 400 Prozent. Denn in diesem Fall könnten Vertragsvereinbarungen, die einzelne Unternehmen bislang noch vor der Abwälzung der gesamten Kostensteigerung schützen, außer Kraft gesetzt werden. „Das können sich weder die Mieter noch die sozial orientierten Wohnungsunternehmen leisten“, sagte Gedaschko. Das Problem für die Wohnungsunternehmen sei, dass sie bei den warmen Betriebskosten in Vorleistung gehen müssten. Hierbei würden sie derzeit „mit enormen Summen konfrontiert“, die „vielfach ihre finanzielle Leistungsfähigkeit überschreiten“, so Gedaschko.
Mehr Unterstützung durch den Staat gefordert
Zwar müssten Vermieter und Mieter gemeinsam möglichst viel Energie einsparen, doch sei es damit bei Weitem nicht getan. „Die Situation ist mehr als dramatisch und der soziale Frieden in Deutschland ist massiv in Gefahr“, warnt der GdW-Präsident. Der Staat müsse „in dieser Notsituation seiner sozialen Verantwortung gerecht werden.“
Der GdW, dessen Mitgliedsunternehmen bundesweit rund sechs Millionen Wohnungen vermieten, schlägt zwei Lösungsvarianten vor. Nach der einen könnten „zur Entlastung insbesondere von Mietern mit geringen Einkommen“ die warmen Betriebskosten auf 40 Prozent der Nettokaltmiete gedeckelt werden. Über einen Hilfsfonds der KFW-Förderbank sollten zugleich sozial orientierte Wohnungsunternehmen für die hohen Vorleistungen unterstützt werden. In der anderen Variante schlägt der GdW die Einrichtung eines staatlich finanzierten Treuhandfonds vor, um zweckgebunden zugunsten der Mieter einen Anteil der steigenden Energiekosten von den Betriebskostenabrechnungen abzuziehen. Der Empfängerkreis sollte laut GdW über die wohngeldberechtigten Haushalte hinausgehen.
Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums sagte, Minister Robert Habeck (Grüne) habe „mehrfach gesagt“, dass „wir ehrlicherweise weiter mit hohen Energiepreisen rechnen müssen“. Sie verwies zugleich auf beschlossene Entlastungen wie den Wegfall der EEG-Umlage zum 1. Juli 2022 und die einmalige Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro für Arbeitnehmer und Selbstständige. Mit mehr erneuerbaren Energien könne der Preis drastisch gesenkt werden.
Mieterbund: Mieter können Nachzahlungsbeträge nicht alleine aufbringen
Der Deutsche Mieterbund (DMB) reagierte zurückhaltend auf die Berechnungen des GdW. „Wir wissen nicht, wie der GdW diese Zahlen ermittelt hat“, sagte DMB-Präsident Lukas Siebenkotten. „Sicher ist, dass angesichts der rasant steigenden Energiekosten erheblich höhere Nebenkosten auf die Mieterinnen und Mieter zukommen, als sie es in den letzten Jahren gewohnt waren.“ Diese heute einigermaßen genau prognostizieren zu wollen, grenze allerdings „an Kaffeesatzleserei“. In jedem Fall stünden die Mieter vor erheblichen Nachzahlungsbeträgen, die bei Weitem nicht alle aufbringen könnten. „Es bedarf staatlicher Hilfe für diejenigen, die ihre Energiekosten nicht mehr allein stemmen können“, so der DMB-Präsident. „Am besten sollten wiederkehrende, nicht einmalige Heizkostenzuschüsse gewährt werden, auf die bei Unterschreitung bestimmter Einkommensgrenzen ein Rechtsanspruch besteht.“
Einen Hilfsfonds, der Mietern und Kleinvermietern helfe, habe der Mieterbund schon zu Beginn der Corona-Pandemie im Jahre 2020 gemeinsam mit dem GdW gefordert, so Siebenkotten. Damals sei er nicht notwendig geworden, jetzt sei es „mit Sicherheit anders, wenn die Energiekosten durch die Decke schießen“. Über die Verwendung der Mittel sollten Vermieter und Mieter gemeinsam befinden, nicht die Vermieter allein. Die Überprüfung der Einkommensverhältnisse sollte dabei staatlichen Institutionen vorbehalten sein – zumindest dann, wenn Mieter ihrem Vermieter ihre Einkommensverhältnisse nicht offenlegen wollen.
Das größte deutsche Wohnungsunternehmen Vonovia geht unterdessen eigene Wege bei der Energieeinsparung. Das Unternehmen teilte den Mietern mit zentral gesteuerter Gasheizung mit, „dass die Heizleistung nachts zwischen 23 und 6 Uhr auf 17 Grad Celsius begrenzt wird“. So ließen sich bis zu rund sechs bis acht Prozent „des Heizaufwands“ sparen, wodurch sich „eine direkte Einsparung“ bei den Heizkosten ergebe. Ein Sprecher der Vonovia sagte, etwa die Hälfte der bundesweit rund 350.000 Wohnungen sei von der Maßnahme betroffen. Gut 40.000 Wohnungen der Vonovia liegen in Berlin.



