Er versteckte sich bei offiziellen Fotos in der letzten Reihe, kommunizierte unter gefälschten Namen – Mathias Brüggmann engagierte sich jahrelang in der SPD Pankow, und nur ein ausgewählter Kreis wusste anscheinend von seinem Doppelleben. Seit dies bekannt geworden ist, rumort es in der Partei. Die Führung allerdings scheint die Causa Brüggmann aussitzen zu wollen.
Dr. Susann Bräcklein ist Rechtsanwältin in Berlin. Sie zählt zu denen, die erst über die Medien erfahren haben, dass es Brückmann nicht gibt. Seit 25 Jahren ist sie in der SPD, seit zwölf Jahren in der Abteilung Kollwitzplatz. Derzeit reibt sie sich die Augen über die Genossen in Pankow.
Mit falschem Bart bei Fotos in der letzten Reihe
Es geht um den Fall Mathias Brüggmann, der jahrelang unter dem verfälschten Namen Matthias Brückmann dort agierte, sich manchmal sogar einen falschen Bart anklebte, um seine Identität zu verschleiern. Bräcklein ärgert aber auch der Umgang der Parteispitze in Pankow damit, die das augenscheinlich seit Jahren geduldet hat.
Sie sei von alledem überrascht worden, sagt sie der Berliner Zeitung und fügt hinzu: „Ich wusste nicht um die Mehrfach-Identitäten. Ich fühle mich da als Mitglied veralbert und frage mich: Was soll das Theater?“ Die Rechtsanwältin aus Berlin weiter: „Brückmann hat sich reichlich exponiert, sich unter falschem Namen wählen und in der Presse erwähnen lassen.“ Er habe Schreiben an die Mitglieder unter einer falschen Mail-Adresse ge- und unterschrieben und stehe mit diesem Namen auf der Website der Abteilung.
Sie fügt hinzu: „Ich möchte in der Partei nicht mit Avataren oder Fake-IDs kommunizieren oder mich von solchen vertreten lassen. Woher soll ich wissen, wen ich vor mir habe oder wer unter falschen Namen für die SPD sprechen und Funktionen ausüben darf? Es gibt hier kein Verzeichnis falscher Namen oder einen Beschluss des Parteivorstandes, dass man mit so was rechnen müsste. Das ist doch eine elementare Frage.“
Die Rechtsanwältin fordert seit Tagen eine Aussprache über die Beweggründe, scheint in der Parteispitze allerdings auf taube Ohren zu stoßen. Seit der Fall bekannt geworden ist, versuchte sie, eine außerordentliche Mitgliederversammlung zu beantragen. Es bestünde kein Klärungsbedarf, bekam sie vom Vorsitzenden der Abteilung, dem ehemaligen Bundestagabgeordneten Klaus Mindrup, als Antwort.
Absage der Kreisvorstände: Parteirechtlich alles kein Problem
Auch bei den Kreisvorständen, Denis Buchner und Rona Titje, erbat sie eine mitgliederoffene Vorstandssitzung, um die Beweggründe für die Verschleierung zu erfahren und zu diskutieren. Von Buchner erhielt sie lediglich die Auskunft, dass die Verwendung eines ähnlichen Namens rechtlich und parteirechtlich kein Problem sei.
Bräcklein geht es, so sagt sie, dagegen nicht um eine juristische Frage, sondern um die Frage des Umgangs und des Vertrauens und natürlich die der Legitimation politischer Entscheidungen. Schließlich ist das Mitglied Brüggmann Kreis- und Parteitagsdelegierter und mischt als Bürgerdeputierter in der Bezirksverordnetenversammlung mit.
Die Rechtsanwältin aus Prenzlauer Berg sagt zur Berliner Zeitung: „Das sind so Fragen, die mich bewegen und die ich gern mit den Mitgliedern und dem Vorstand diskutieren würde. Brauchen wir so was? Ist das richtig?“ Es gehe dabei auch um Glaubwürdigkeit und darum, für wen Brüggmann eigentlich spreche.
Ein Handelsblatt-Korrespondent auf Abwegen
Vergangene Woche war bekannt geworden, dass der Journalist Mathias Brüggmann (er berichtet als Korrespondent des Handelsblatts über osteuropäische Themen und den Nahen Osten) jahrelang in der SPD Pankow seinen Namen verfälscht hatte. Statt Brüggmann nannte er sich Brückmann, seinen Vornamen schrieb er mal mit einem oder mit zwei T.
In der SPD schaffte er es zum Funktionsträger, war von 2018 bis 2022 Co-Vorsitzender des Ortsverbands Kollwitzplatz, Winzkiez, Kastanienallee. Auch aktuell ist er noch als Vorstandsmitglied gelistet, außerdem ist er Bürgerdeputierter in der BVV Pankow.
Er flog auf, als er Giffey „Wählerschreck“ nannte
Alles flog auf, als die SPD Pankow vor zwei Wochen über eine mögliche Koalition mit der CDU debattierte und der Journalist und SPD-Funktionär kurzerhand ans Mikrofon schritt und eine flammende Rede gegen Franziska Giffey hielt. „Du bist an Wahlkampfständen eher als Wählerschreck denn als Magnet wahrgenommen worden“, rief er in ihre Richtung. Fernsehkameras filmten alles und Brüggmann war enttarnt.
In der Partei überschlugen sich ebenso die Kommentare. „Wählerschreck“, allein diese Wortwahl erhitzte die Gemüter. In einem parteiinternen WhatAapp-Chat attackierte ein Kreisvorstandsbeisitzer den SPD-Funktionär besonders hart: „Was ich ganz großartig finde – das Maul groß aufreißen und dann (wie früher) mit falschem Bart und heute mit falschen Namen einen auf Wutbürger machen und nicht mit offenem Visier arbeiten.“ Diese Aussage landete dann in der Öffentlichkeit.
Die Redaktion des Handelsblatts reagierte inzwischen auch, beurlaubte den Korrespondenten. Vonseiten der Chefredaktion hieß es, Brüggmanns politisches Amt sei nicht bekannt gewesen. Nun sollen seine Texte daraufhin untersucht werden, ob sie dem Anspruch der redaktionellen Unabhängigkeit gerecht geworden sind.
SPD Pankow wiegelt seit Tagen ab
Und auch bei der Pankower SPD kehrt keine Ruhe ein. Es solle Konsequenzen geben, hieß es vergangene Woche. Welche, ließ man offen. Der Pankower SPD-Kreisvorsitzende Dennis Buchner teilte dazu lediglich mit, er wolle sich nicht weiter zu dieser innerparteilichen Angelegenheit äußern. „Wir werden das intern zu klären haben, auch wie aus einer rein privaten Chatgruppe nach außen kommuniziert wird.“







