Am nächsten Sonntag dürfen 2.431.772 Personen über den Volksentscheid abstimmen. Alle volljährigen Menschen, die seit mindestens drei Monaten in Berlin gemeldet sind und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, dürfen ihre Stimme abgeben.
Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt.
Was fordern die Initiatoren?
Geht es nach den Initiatoren des Volksentscheids, dem Bündnis Klimaneustart, soll Berlin bis zum Jahr 2030 komplett klimaneutral werden. Dafür soll das bestehende Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz verändert und das bisherige Ziel der Klimaneutralität von 2045 auf 2030 vorgezogen und als Verpflichtung formuliert werden.
Hierfür erarbeitete das Bündnis Klimaneustart, die Initiatoren hinter dem Volksentscheid, einen eigenen Gesetzesvorschlag. Ein entscheidender Unterschied zwischen dem bestehenden Gesetz und dem Entwurf der Initiative ist, dass der neue Gesetzentwurf Maßnahmen zum Erreichen der Klimaneutralität als Verpflichtung formuliert, während im bisherigen Gesetz nur von zu erreichenden Zielen die Rede ist.
Die zentralen Forderungen der Initiative sind dabei klimafreundliche, bezahlbare und unabhängige Energieversorgung, weg von Gas und Öl und hin zu erneuerbarer Energie. Auch die Sanierung des gesamten Gebäudebestands wäre nötig. Die Zusatzkosten sind nach dem Gesetzentwurf „dem Zahlungspflichtigen als monatlicher Zuschuss aus dem Landeshaushalt zu erstatten“. Der Verkehrssektor spielt ebenso eine große Rolle in der Erreichung der Klimaneutralität. Eine beschleunigte Mobilitätswende solle zu mehr Wahlfreiheit und neuen Optionen führen, wie die Menschen von A nach B kommen können.
Wie teuer wird das alles?
Die Initiative selbst rechnet mit 112 Milliarden Euro, die das Land Berlin für die Umsetzung der Vorhaben benötige. Das ist aus dem Landeshaushalt allein nicht zu stemmen. Auf Nachfrage bei der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen heißt es: „Die verfassungsrechtliche Vorgabe der Schuldenbremse erlaubt keine Aufnahme von Schulden zur Finanzierung struktureller Ausgaben.“ Die Initiatoren setzen zusätzlich auf Förderung durch den Bund und die EU. Es brauche diese Hilfen, da die Kommunen die Finanzierung nicht allein stemmen könnten. Auch sollen Anreize für private Investitionen geschaffen werden.
Sind die Ziele umsetzbar?
Ob diese Ziele überhaupt umsetzbar sind, gilt allerdings mindestens als umstritten. Dieter Scherer, Leiter des Fachgebiets Klimatologie an der Technischen Universität Berlin, hält das Vorhaben für „grundsätzlich sinnvoll, aber unrealistisch“. Das Hauptproblem ist laut dem Forscher der Gebäudebestand der Hauptstadt. Hier sei der Beitrag zu den Treibhausgasemissionen Berlins deutlich größer als zum Beispiel beim Verkehr. „Eine schnelle Sanierung aller Gebäude wäre erforderlich, ist aber aus vielen nicht zuletzt sozialen Gründen nicht in dieser kurzen Zeit umsetzbar.“ Für ein klimaneutrales Berlin brauche es realistischere Zeitrahmen mit überprüfbaren Zwischenzielen, sagt Scherer.
Auch die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) äußert sich zu dem Volksentscheid. Die Berliner Wirtschaft halte ein „klimaneutrales Berlin 2030 zwar für erstrebenswert, aber angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen für nicht realistisch umsetzbar“. Es sei sinnvoll, aus den bisher formulierten Zielen Verpflichtungen zu machen, jedoch hält die IHK die Verschärfung des Zeitraums auf 2030 für nicht umsetzbar. So sei es schon schwer, die Reduzierung um 70 Prozent bis zum Jahr 2030 zu erreichen. „Dieses Ziel für 2030 muss fokussiert, aber nicht verschärft werden.“
Wie reagiert das Bündnis Klimaneustart auf diese Kritik?
Die Kritik an ihrem Vorhaben sieht die Initiative gespalten, sagt Stefan Zimmer, Sprecher von Klimaneustart, des Bündnisses hinter dem Volksentscheid. Sie wüssten, dass die in dem Gesetz geäußerten Vorhaben sehr ambitioniert seien, sagt Zimmer. Ihm seien zwar bisher keine Studien bekannt, die belegen, dass das Ziel erreichbar sei, ebenso aber auch keine, die belegen, dass es nicht erreichbar sei. Für einzelne Fachbereiche, zum Beispiel die Fernwärmeversorgung, gebe es aber Machbarkeitsstudien. „Wir haben mit Expert:innen viele Maßnahmen vorgeschlagen“, sagt Zimmer, „natürlich sind damit nicht alle Fragen geklärt, aber Lösungen entstehen, indem man sich des Problems annimmt.“
Wie viele Jastimmen benötigt der Volksentscheid?
Damit die Abstimmung überhaupt gültig ist, muss ein sogenanntes Quorum erreicht werden. Das heißt, dass mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten für das Vorhaben stimmen müssen. Ebenso muss es natürlich weniger Nein- als Jastimmen geben. Ein Viertel der Wahlberechtigten für den Volksentscheid sind 607.943 Personen. So viele Jastimmen brauchen die Initiatoren des Volksentscheids also mindestens, um erfolgreich sein zu können.
Wie geht es weiter, sollte der Volksentscheid erfolgreich sein?
Im Gegensatz zum Volksentscheid „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ liegt zu diesem Volksentscheid ein konkreter Gesetzentwurf vor. Sollte der Entscheid also nächsten Sonntag erfolgreich sein, wird der Gesetzentwurf rechtlich bindend für die Landesregierung – ohne dass das Abgeordnetenhaus noch mal über das Gesetzesvorhaben abstimmen müsste.
Die Landesregierung müsste im Falle der Zustimmung also die im Gesetzentwurf festgelegten Maßnahmen einleiten. Aus dem Ziel der Klimaneutralität bis 2045 würde die Verpflichtung zur Klimaneutralität 2030. Sollten die Verpflichtungen nicht eingehalten werden, könnte die Umsetzung eingeklagt werden.
Wer unterstützt das Bündnis?
Erst kürzlich hatten über 100 Unternehmen ihre Zustimmung für das Vorhaben geäußert. Laut Informationen des Tagesspiegels waren unter anderem die Online-Bank N26, das Preisvergleichsportal Idealo und der E-Scooter-Anbieter Tier unter den Befürwortern. Auch Prominente aus der Kulturszene unterstützen den Volksentscheid. Unter anderem die Schauspielerin Nora Tschirner und der Pianist Igor Levit wollen bei einer geplanten Demonstration am 25. März für den Volksentscheid werben. Auch Kurt Krömer warb in einem Video gemeinsam mit Klimaaktivistin Luisa Neubauer für Jastimmen.
Kurt Krömer und ich haben eine Nachricht für euch, und für Berlin. Save the date. #Berlin2030 pic.twitter.com/ejFEDFNmip
— Luisa Neubauer (@Luisamneubauer) March 7, 2023




