Claudia Prange hält einer Joggerin einen grünen Flyer entgegen. Als die weiterläuft, joggt Prange ein Stück mit und spricht sie an. Ein paar Meter weiter tänzelt Pranges Kollegin von einem Bein auf das andere und geht dann fröhlich rufend auf Passanten zu, die aus der anderen Richtung kommen.
Die lächeln breit, eine Frau reckt den Daumen nach oben, dann steuern sie die gelbe Brücke an. Am Volksparksteg in Schöneberg fließen die Spazierwege des Wilmersdorfer Parks zusammen – trotz des feuchten Wetters sind hier viele Fußgänger unterwegs.
Das ist ein Vorteil für das Kiezteam von Klimaneustart, das die Menschen an diesem Nachmittag an den bevorstehenden Volksentscheid erinnert. Mit roten Westen machen sie auf sich aufmerksam. Viele der Passanten versichern, dass sie ihre Stimme schon abgegeben haben, manche schütteln nur stumm den Kopf, andere bedanken sich bei den ehrenamtlichen Helfern für ihre Arbeit. Die – da sind sich die sieben einig – macht richtig Spaß.
„Ich tue das für meine Kinder“
Claudia Prange hat für den Klimaaktivismus sogar ihren Job aufgegeben. „Mein Mann verdient genug Geld“, sagt sie. „So kann ich etwas für meine Kinder tun.“ Die 50-Jährige engagiert sich normalerweise bei Berlin for Future, doch für diesen Volksentscheid vereinen sich die Menschen aus den verschiedenen klimaaktivistischen Gruppen. Fast jeden Tag sei sie zurzeit für den Klimaschutz unterwegs, sagt Prange, verteile Flyer vor Kinos und in Kneipen. „Nach dem Volksentscheid brauche ich dann mal zwei Wochen eine Auszeit“, sagt sie und lacht.
Beim Volksentscheid am 26. März stimmen die Berliner über eine Gesetzesänderung zur Klimaschutzpolitik auf Landesebene ab. Die Initiative Klimaneustart will mit dem Volksentscheid „der Politik Ziele setzen“, wie sie auf einem der Wahlplakate verkündet. Berlin soll laut dem Gesetzesentwurf bis 2030, statt bis 2045, wie es der Senat vorhat, klimaneutral werden, und die „Klimaschutzziele“ sollen durch „Klimaschutzverpflichtungen“ ersetzt werden.
Laut Studienlage sei es nur so möglich, die Vereinbarungen des Pariser Abkommens und das Ziel von höchstens 1,5 Grad Temperaturanstieg zu erreichen. So argumentieren die Initiatoren. Hundert Berliner Unternehmer haben das Vorhaben mit einem offenen Brief unterstützt. In der amtlichen Mitteilung zum Volksentscheid entgegnet der Berliner Senat, die notwendigen Baumaßnahmen seien zu teuer und in der Kürze der Zeit nicht plan- und umsetzbar.

„Das kann sein“, sagt Sprecher Stefan Zimmer, der heute beim Verteilen hilft. „Aber man weiß es nicht, wenn man es nicht versucht.“ Bei der Finanzierung müsse der Bund Berlin unterstützen. Zimmer vergleicht die Erreichung der Klimaziele mit der Mondlandung. Hundert Städte, unter anderem Madrid, Paris und Rom hätten sich das Ziel gesetzt, bis 2030 klimaneutral zu werden, und dafür EU Fördergelder beantragt. Berlin sei damit kein Vorreiter einer „verrückten Idee“.
Wo ein politischer Wille, da ein technischer Weg? Wenn in Berlin eine große Koalition zustande kommt, könnte es daran mangeln. „Deshalb ja die rechtliche Bindung“, sagt Zimmer. Auf Nachfrage räumt er ein, dass keinerlei Sanktionen vorgesehen sind, die Verpflichtungen kämen schließlich vom Senat selbst. Theoretisch sei deren Erfüllung aber einklagbar.
Was Wertschätzung und Selbstwert mit Klima zu tun haben
Mehr als 420.000 Menschen haben die Briefwahl beantragt, mindestens 608.000 Jastimmen und die Mehrheit der abgegebenen Stimmen braucht der Volksentscheid für einen Erfolg. Die Initiative rechnet aber damit, dass unter den Briefwahlstimmen auch viele Neinstimmen sein werden. Die Emotionen kochen vor allem bei der Frage nach dem Individualverkehr hoch. Den würde es aber weiterhin geben, die Möglichkeit, die Oma zum Arzt zu fahren, bleibe, meint Zimmer.
„Gerade habe ich eine Person überzeugt“, sagt Elena Macari, sie freut sich sichtlich. Der Mann argumentierte, dass ältere Leute nicht mit dem Fahrrad fahren könnten. Macari sagte ihm, man müsse bei sich anfangen, wenn man eine Veränderung wolle. „Die Energie hat sich dadurch verändert. Er gab mir recht.“ Macari meint, dass viele Menschen glauben, sie wären so unbedeutend, dass sie nichts bewirken könnten. „Du bist es wert, dich für deine Zukunft einzusetzen“, sagt sie dann. Manchmal sei es für sie aber auch herausfordernd zu antworten, sagt Macari. Es gehe in erster Linie ohnehin darum, diejenigen, die sowieso dafür sind, zu motivieren, auch wirklich ihre Stimme abzugeben. Die 26-Jährige balanciert auf einem Balken und ruft den Menschen fröhlich hinterher „Sie sind doch dabei, oder?“





