Die New York Times hat in ihrer Samstagsausgabe zwei detaillierte Analysen publiziert vor dem Treffen des chinesischen Präsidenten Xi Jinping mit Russlands Präsident Wladimir Putin am Montag in Moskau. Dort heißt es: „Der dreitägige Besuch von Xi in Moskau soll am Montag beginnen, derweil Peking versucht, seine Macht in globalen Angelegenheiten auszubauen und den amerikanischen Einfluss in den Hauptstädten der Welt zu verdrängen. Die diplomatische Reise findet nur eine Woche nach der Ankündigung der Annäherung der beiden Erzrivalen Saudi-Arabien und Iran statt, die durch die Vermittlung Chinas ermöglicht wurde – was viele Diplomaten in den USA und Europa verblüffte.“
Es sei zurzeit unklar, ob Xi auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sprechen werde. Moskau und Peking hätten angekündigt, so die New York Times, die Beziehungen verbessern zu wollen. „Der Kreml erklärte, die Gespräche würden sich auf eine ‚umfassende Partnerschaft und strategische Zusammenarbeit‘ konzentrieren. Das chinesische Außenministerium erklärte, Xi werde den Besuch nutzen, um das ‚gegenseitige Vertrauen und Verständnis‘ zwischen Russland und China zu stärken, das ‚ein neues Paradigma für die internationalen Beziehungen‘ geschaffen habe.“
China: Anführer einer alternativen Weltordnung?
In einer umfassenden Analyse wird Xis Strategie dargelegt. Die Autoren des New-York-Times-Textes schreiben: „Für Peking geht es darum, sich als Anführer einer alternativen Weltordnung zu der von den USA dominierten zu legitimieren, eine Rolle, die es mit wachsender Dringlichkeit anstrebt, um sich dem zu widersetzen, was Herr Xi als Washingtons ‚Eindämmung, Einkreisung und Unterdrückung Chinas‘ bezeichnete.“
Interessant ist, dass Chinas Rolle als ambivalent dargestellt wird, aber nicht ausschließlich als destruktiv. „Sowohl Russland als auch die Ukraine sehen in China eine potenziell transformative Macht, die über genügend Einfluss verfügt, um die festgefahrene Situation zu überwinden. Doch sowohl Moskau als auch Kiew sind sich bewusst, dass China die Dynamik auf dem Schlachtfeld grundlegend verändern könnte, wenn es eine direktere Rolle bei der Aufstockung des stark dezimierten Moskauer Waffenarsenals spielt.“
Deutschland und Frankreich schauen am Montag nach Moskau
„Chinas internationaler Einfluss als Großmacht ist heute mehr denn je für den Frieden erforderlich“, sagt Shi Yinhong, Professor für internationale Beziehungen an der Renmin-Universität in Peking, in der New York Times. Er spiegele damit Pekings eigenes Bewusstsein für seine wachsende globale Bedeutung nach dem Abkommen zwischen Teheran und Riad wider, schreibt die Zeitung.
In den Krieg einzugreifen, könnte Xi laut New York Times helfen, eines seiner wichtigsten Ziele zu erreichen: Pekings Beziehungen zu Europa zu verbessern. Angesichts der Schwierigkeiten der chinesischen Wirtschaft möchte er verhindern, so die New York Times, dass sich die Region in Bezug auf Handels- und Investitionsbeschränkungen gegen China zu sehr an die Vereinigten Staaten annähert. „Um dies zu erreichen, muss Xi nach Ansicht von Analysten wahrscheinlich genügend Anstrengungen unternehmen, um den Krieg gegen Russland zu beenden und so die Spaltung innerhalb der Europäischen Union (...) auszunutzen. Wenn ihm das gelingt, könnte er jene Mächte zufriedenstellen, die ihr wirtschaftliches Engagement mit Peking verstärken wollen, darunter Deutschland und Frankreich.“
Hoffnung gegenüber China
Danny Russel, Vizepräsident des Asia Society Policy Institute und ehemaliger stellvertretender US-Außenminister, hat mit der New York Times gesprochen und die Reise ebenfalls mit Blick auf Europa eingeschätzt. Er wird mit den Worten zitiert: „Xi Jinpings Ziel ist nicht Russland oder die Ukraine, sondern Westeuropa. (...) Letztendlich versucht er, es so einzurichten, dass er in den Augen der Deutschen und Franzosen einen Friedensversuch unternommen hat.“
Die New York Times schätzt ein, dass auch die Ukrainer eine gewisse Hoffnung gegenüber China hegen. „Für die Ukraine stellt China seit Langem eine potenzielle Rettungsleine dar, da es über genügend Einfluss auf Russland verfügt, um den Krieg zu beeinflussen. Mit Unterstützung Washingtons bemüht sich Herr Selenskyj seit Monaten um Gespräche mit Herrn Xi. Er schickte sogar seine Frau Olena Selenska, um der chinesischen Delegation einen Brief mit der Bitte um ein Treffen auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos (Schweiz) zu überbringen. Die Rolle Chinas ist kompliziert. Peking hat versucht, sich als neutraler Beobachter des Krieges darzustellen, hat aber Russland weiterhin diplomatisch und wirtschaftlich unterstützt und Besuche von Putins Verbündeten begrüßt.“
Peking steht dem Konflikt neutral gegenüber
In den westlichen Medien hieß es, China würde Russland bereits mit Waffen unterstützen. Dies würde eine Vermittlerrolle im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine erschweren. China hat diese Vorwürfe zurückgewiesen. Die New York Times schreibt: „Analysten zufolge ist es unwahrscheinlich, dass China das Risiko eingeht, Moskau mit Waffen und Munition zu beliefern, es sei denn, die russischen Streitkräfte stehen vor dem Zusammenbruch. Peking ist bereit, Putin zu unterstützen, aber nur so weit, dass er an der Macht bleibt und eine einheitliche Front gegen den Westen aufrechterhalten kann.“
Dann heißt es weiter: „‚Peking steht dem Konflikt neutral gegenüber‘, so Aleksandr Gabuev, Experte für Russlands Beziehungen zu Asien bei der Forschungsgruppe Carnegie Endowment for International Peace. ‚Es will eine katastrophale russische Niederlage verhindern, die Putin bedrohen könnte.‘“
Am Ende wird Wu Xinbo zitiert, Dekan für internationale Studien an der Fudan-Universität in Shanghai. Er sagt: „Verglichen mit Chinas früheren diplomatischen Aktionen ist dies ein sehr proaktiver Schritt nach vorn. (...) China wird eine zunehmend aktive Rolle auf der internationalen Bühne spielen, insbesondere bei der Lösung regionaler Konflikte.“









