„Trauriger Höhepunkt“ ist so eine salbungsvolle Phrase, die immer dann zum Einsatz kommt, wenn man resigniert, sich mit einem Zustand abgefunden hat. Insofern würde die Wendung gut zu den jüngsten Geschehnissen in Berlins Drogenhotspot Görlitzer Park passen. Seit vielen Jahren ist die wenig ansehnliche Grünanlage mit den Ruinen des Pamukkale-Brunnens ein Garant für Schlagzeilen und allgemeines Ärgernis. Die Gründe dafür sind immer dieselben: Drogenkriminalität, Gewalt unter Dealern, die Unsicherheit der Anwohner und Anwohnerinnen bis weit über die Parkgrenzen hinaus.
Ignorant oder zynisch
Doch der aktuelle Fall, mit dem der Görlitzer Park wieder von sich reden macht, ist kein trauriger Höhepunkt, sondern ein skandalöser: Eine Frau wird von mehreren Männern im Park beraubt und vergewaltigt, ihr Begleiter niedergeschlagen. Wer jetzt darüber nur ein Tränchen vergießt und nicht endlich eine Lösung für dieses innerstädtische Dauerproblem fordert, ist entweder ein Ignorant oder ein Zyniker, der sich mit bestehenden Zuständen abgefunden hat. Einen Vorwurf kann man dafür aber eigentlich niemandem machen, denn abgefunden mit der Situation hat sich offenbar auch die Berliner Politik, allen voran die grüne Bezirksregierung, die den Brennpunkt Görlitzer Park seit jeher maximal halbherzig angeht. Man feiert lieber weiter die überkommene Folklore vom kiffenden und freien Kreuzberg und strickt damit eifrig am Klischee einer ach so liberalen deutschen Hauptstadt.
Dabei ist der Görlitzer Park längst kein Safe Space mehr für Drogenkonsumenten und Dealer, hinter dessen Mauern ein bisschen Kleinkriminalität geduldet wird. Vom Park aus hat sich der Kriminalitätsradius längst erweitert, wie meine Kollegin Wiebke Hollersen vor ein paar Tagen in dieser Zeitung beschrieb. Anwohner fühlen sich rund um den Park schon lange nicht mehr sicher, berichten von aggressiven Dealern längs der Skalitzer Straße und im Reichenberger Kiez. Ich selbst wurde an der Ecke zur Wiener Straße mehrfach von Dealern angesprochen und vor ein paar Monaten sogar direkt auf dem Bahnsteig des Görlitzer Bahnhofs. Vor allen Leuten komplett unbehelligt gefragt, ob ich Koks oder Heroin kaufen möchte. Als ich verneinte, klapperte der Dealer mit seinem Bauchladen die anderen Umherstehenden ab, es war fünf Uhr Nachmittags an einem Wochenende.
Ein bisschen Polizeipräsenz fürs Foto
Das Problem bleibt also nicht im Görlitzer Park, wohl aber in Kreuzberg. Denn wer nur ein paar Kilometer Luftlinie entfernt durch die Hasenheide spaziert, wird auch am Hauptweg auf höchstens eine Handvoll Dealer stoßen, die aber in der Regel friedlich sind. In Mitte am Weinbergspark, so mein letzter Stand, hat man das Problem in den Griff bekommen, indem man die Büsche beschnitt und für eine bessere Beleuchtung sorgte.
Auch andere Metropolen haben Probleme mit Drogenhandel und sind dagegen teils unkonventionell, teils allerdings auch mit mäßigem Erfolg vorgegangen. Lissabon beispielsweise hat den Drogenkonsum einfach entkriminalisiert, der Besitz von Betäubungsmitteln gilt bis zu einer bestimmten Menge nur als Ordnungswidrigkeit. Zürich hat seinen berüchtigten „Needle Park“, den Platzspitz, in den 90ern kurzerhand geschlossen, renaturieren lassen und seit ein paar Jahren wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ob diese Versuche nun erfolgreich gegen die Drogenkriminalität waren oder nicht, sie zeigen doch am Ende alle eins: In anderen Städten versucht man immerhin, dem Problem Herr zu werden. In Berlin indes ist die Innensenatorin Spranger am Kottbusser Tor mit ihrem Lieblingsprojekt, einer Puppenstuben-Polizeiwache, beschäftigt, während nur ein paar Hundert Meter weiter Menschen am helllichten Tag um Leib und Leben fürchten müssen.




