Debatte um Sicherheit

Nach Gruppenvergewaltigung: So plant Schwarz-Rot die Videoüberwachung am Görlitzer Park

Die Berliner Koalition will mehr Kameras an Orten mit viel Kriminalität. Dennoch bleibt die Frage: Verhindert Überwachung auch nur eine einzige Straftat?

Polizisten im Görlitzer Park
Polizisten im Görlitzer Parkdpa

Manchmal braucht es in der Politik einen Anlass, um ein Anliegen zu forcieren – und sei dieser Anlass noch so erschreckend. Also spricht sich der Berliner CDU-Innenpolitiker Burkard Dregger im Lichte der jüngst bekannt gewordenen Gruppenvergewaltigung im Görlitzer Park in Kreuzberg für mehr Videoüberwachung auf dem Problemareal aus. Das könne viel zur Eindämmung der Kriminalität beitragen, so Dregger.

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Abgeordnetenhausfraktion zeigt sich überdies sehr optimistisch, dass diese Technik schon bald in Berlin vermehrt angewendet würde. Schließlich sei sich Schwarz-Rot einig darin, an Berlins kriminalitätsbelasteten Orten Videoüberwachung einzuführen.

Aktuell listet die Polizei sieben dieser Orte auf: Neben dem Görlitzer Park samt Wrangelkiez sind dies das Kottbusser Tor ebenfalls in Kreuzberg, das Viertel um Hermannplatz und Donaukiez in Neukölln, das Gebiet Hermannstraße und Bahnhof Neukölln, die Rigaer Straße und die Warschauer Brücke in Friedrichshain sowie der Alexanderplatz.

Dort, so sieht es die aktuelle Fassung des Gesetzes zur allgemeinen Sicherheit und Ordnung – das Asog oder einfach Polizeigesetz – vor, hat die Polizei erweiterte Eingriffsbefugnisse: Sie darf die Identität von Personen feststellen beziehungsweise sie oder ihre Sachen durchsuchen, wenn deren Verhalten dazu Anlass gibt.

Mehr Taser, mehr Bodycams, mehr Kameras: Das will Berlins Koalition

Unter Schwarz-Rot soll das Asog in zwei Schritten erweitert werden. In einem ersten Schritt soll die dauerhafte und flächendeckende Einführung von Bodycams für Polizei, Feuerwehr und Ordnungsämter festgelegt werden. Mithilfe dieser Kameras sollen Konflikte zwischen Ordnungshütern und Zivilisten festgehalten werden, das Bildmaterial soll bei der späteren Bewertung helfen.

Außerdem soll die Polizei mehr Taser, also aus Distanz einsetzbare Elektroschockgeräte, erhalten und damit seltener zur Schusswaffe greifen müssen. Darüber hinaus soll der Präventivgewahrsam – das vorsorgliche Wegsperren von Menschen, von denen zu einem bestimmten Anlass schwere Gewalttaten zu befürchten wären – auf fünf Tage erweitert werden.

Berlin will jetzt auch den finalen Rettungsschuss absichern

Gleichzeitig sollen die Innenpolitiker von CDU und SPD in Abstimmung mit der Innenbehörde von Senatorin Iris Spranger (SPD) nach dem Sommer Eckpunkte für weitere Veränderungen vorlegen. Das wäre Schritt Nummer zwei. Dabei soll es um rechtssichere Festlegungen zum finalen Rettungsschuss durch Polizisten gehen. Und eben um Videoüberwachung an den kriminalitätsbelasteten Orten. Dieser Gesetzesteil werde erst „weit im Jahr 2024“ beschlossen werden können, heißt es.

Nun sind all dies teils jahrealte Forderungen der Polizei. Und doch wäre solch ein Verschärfungskatalog in den vergangenen sechseinhalb Jahren Berliner Politik unter Rot-Grün-Rot nicht möglich gewesen. Jetzt, mit dem Wechsel der SPD von Grünen und Linken hin zur CDU, geht plötzlich viel.

„Es wird sicher weniger anstrengend, diese Dinge bis zum Ende zu formulieren“, sagt der SPD-Innenpolitiker Martin Matz im Gespräch mit der Berliner Zeitung. Der Unterscheid sei vor allem der, dass der Polizei „jetzt nicht als Erstes mit Misstrauen“ begegnet werde. „Diese Koalition hat vor allem Vertrauen in die Polizei.“

Allerdings warnt Matz in Sachen Videoüberwachung vor „falschen Erwartungen“ und einer Überhöhung des Effektes. Die Überwachung könne zwei Dinge liefern, so der SPD-Politiker: Sie erhöhe das subjektive Sicherheitsempfinden und helfe bei der Aufklärung von Straftaten. Sie verhindere jedoch keine Straftaten. Alle Erfahrungen etwa bei der BVG, die auf Bahnhöfen und in Fahrzeugen überall Kameras einsetze, zeigten: Sonderlich abschreckend wirkten sie offenbar nicht. Für echte Prävention sorge nur mehr Personal.

Doch selbst deutlich mehr Polizisten würden Kriminalitäts- und Drogen-Hotspots wie den Görlitzer Park nicht komplett entschärfen, sagt Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Sie spricht von einer gesamtgesellschaftlichen Herausforderung. „Alle zuständigen Behörden, aber auch die Zivilgesellschaft sind gleichermaßen gefordert.“

Parallel zur Debatte um Videoüberwachung taucht auch eine weitere Idee zur Befriedung des Görlitzer Parks wieder auf: So sprach sich der Kreuzberger CDU-Abgeordnete Timur Husein für eine Einzäunung der Grünanlage aus. 

„Sicher würde es zumindest uns als Polizei helfen, den Park vergleichbar dem Flugfeld Tempelhof einzuzäunen und die Zugänglichkeit des Parks zeitlich zu beschränken, indem man ihn nachts verschließt“, sagt die Polizeipräsidentin. Allerdings sehe sie dafür keine Mehrheit unter den Anwohnern. 

Berliner CDU-Politiker will Zaun um den Görli, die SPD bleibt skeptisch

Und auch die SPD sieht wenig Chancen für einen Zaun. Nach den Worten von Martin Matz „will die Mehrzahl der Menschen im Kiez keinen Zaun“. Und schon jetzt müsse niemand nachts durch den Park laufen.

Aber wer weiß, vielleicht geht an anderer Stelle doch noch etwas mehr schwarz-rote Sicherheitsarchitektur. So fordert CDU-Mann Husein auch eine Polizeiwache am Görlitzer Park. Womöglich findet er in Martin Matz einen Bruder im Geiste. Schließlich ist der SPD-Mann ein erklärter Freund der Wache am nahen Kottbusser Tor, einem viel kritisierten Prestigeprojekt von Innensenatorin Spranger.