Schulstart

Jetzt ist das Kopftuch an Berliner Schulen erlaubt: Eine Gewerkschaft sieht offene Fragen

Lehrerinnen können nun auch in Berlin im Unterricht einen Schleier tragen, sofern der Schulfrieden gewahrt bleibt. Doch ab wann wird es kritisch?

Lehrerin mit Kopftuch in einer Schule
Lehrerin mit Kopftuch in einer Schuleepd/imago

Länger als andere Bundesländer hielt Berlin am Kopftuchverbot für Lehrerinnen fest. Ab diesem Schuljahr dürfen muslimische Lehrerinnen auch in der Hauptstadt mit bedecktem Haar unterrichten. Die Justiz setzte sich letztendlich durch. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nahm Anfang des Jahres eine Beschwerde aus Berlin gegen eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2020 nicht zur Entscheidung an. Das höchste Arbeitsgericht in Erfurt urteilte damals, dass Berlin Kopftuchträgerinnen nicht pauschal das Unterrichten untersagen dürfte.

Das Bundesverfassungsgericht ebnete mit einem Grundsatzurteil gegen ein allgemeines Kopftuchverbot für Lehrerinnen bereits 2015 den Weg für eine Reform in den Ländern. Neben Berlin sahen noch sieben weitere Bundesländer ein Verschleierungsverbot für Lehrerinnen vor. Sie passten nach und nach ihre Schulgesetze der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an. Berlin hielt mit einem Neutralitätsgesetz am Verbot religiöser Verbote für Lehrkräfte noch lange fest. Seit Montag ist der Widerstand gegen das Kopftuch auf dem Haupt von Lehrerinnen in Berlin nun Geschichte.

Laut Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gibt es zum Neutralitätsgesetz und Kopftuchverbot innerhalb des Berliner Verbandes unterschiedliche Ansichten. Wichtig sei nun, dass die Rechtslage für die Schulen eindeutig geklärt werde, sagte der Sprecher Markus Hanisch. Sorgen bereitet der GEW der Ermessensspielraum bei der Entscheidung, wann das Tragen religiöser Symbole im Unterricht den Schulfrieden gefährde.

Im Zweifelsfall entscheidet dann die Schulaufsicht über arbeits- oder disziplinarrechtliche Folgen gegen eine Lehrerin. „Aber ab wann ist der Schulfrieden gefährdet?“, fragt GEW-Sprecher Hanisch. Die Berliner GEW pocht darauf, genaue Kriterien festzulegen, die dann für alle Berliner Schulen gelten. „Die sich widersprechenden Rechtsprechungen werfen an den Schulen Fragen auf, bei deren Klärung sich die Schulen alleingelassen fühlen“, kritisiert Hanisch.

Kopftuch tragende Lehrerinnen blieben in Deutschland Einzelfälle

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages untersuchte 2017 die Situation kopftuch tragender Lehrerinnen in den Bundesländern. Auch nach der Liberalisierung unterrichteten nur in wenigen Einzelfällen Lehrerinnen, die ein Kopftuch trugen, stellte die Studie fest. Die Bundesländer erfassen bis heute in keiner Statistik, wie viele Lehrerinnen im Unterricht Kopftuch tragen. Schwer zu erfassen ist auch, wie viele Lehrerinnen oder Referendarinnen in Berlin muslimischen Glaubens sind. Daten über die Religionszugehörigkeit werden in Berlin nicht zentral erfasst.

Lavdije Zidi vom Bundesnetzwerk Lehrkräfte mit Migrationshintergrund (Lemi) rät Schulen, auf Ängste und Sorgen aus Kollegien oder der Elternschaft mit Aufklärung zu reagieren. „Das große Anliegen sollte sein, Ängste abzubauen und einen Raum zu schaffen, in dem alle Stimmen gehört werden“, sagt Zidi. „Nur wer gehört wird, ist in der Lage, auch die eigenen inneren Barrieren zu überwinden.“

Lehrerinnen, die ein Kopftuch tragen wollten, könnten auch den ersten Elternabend für ein offenes Gespräch nutzen. „Viel wichtiger als das Tragen eines Tuchs ist die Haltung gegenüber Fragen und Themen, die uns als Gesellschaft betreffen.“