Islam- und Muslimfeindlichkeit

Gewalt gegen Muslime: Schwangerer Frau in den Bauch getreten

Jeden Tag gibt es in Deutschland mehr als zwei antimuslimische Übergriffe. Eine Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit berichtet von einem Anstieg der Fallzahlen – und nennt Fälle.

Vor allem Frauen mit Kopftüchern werden Opfer von rassistischen Übergriffen. 
Vor allem Frauen mit Kopftüchern werden Opfer von rassistischen Übergriffen. picture alliance/dpa

Täglich finden bundesweit im Schnitt mehr als zwei antimuslimische Übergriffe in Deutschland statt. 893 antimuslimische Vorfälle hat Claim, eine Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit, 2022 im Rahmen eines Monotorings erfasst. Unter anderen Übergriffen wurden verbale Angriffe, körperliche Verletzung und Sachbeschädigung aufgezeichnet. „Dieser antimuslimische Rassismus ist für Betroffene eine alltagsprägende Erfahrung, die sich durch alle Lebensbereiche zieht“, sagt Rima Hanano, die Sprecherin von Claim. 26 Prozent der Fälle passierten im öffentlichen Raum, 21 Prozent in Bildungseinrichtungen und 14 Prozent in der Arbeitswelt. Der weitverbreitete Rassismus im Online-Bereich sei in dem derzeitigen Lagebild nicht mit eingebunden.

Um dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen und ein besseres Bild der aktuellen Lage zu präsentieren, stellte Claim die Ergebnisse am Montag in einer Pressekonferenz vor. Rima Hanano erklärte die Ergebnisse des Lagebilds und die Handlungsempfehlungen, die sie an die Bundesregierung richten. Es werden Fälle genannt. So sei einer schwangeren muslimischen Frau in den Bauch getreten worden, einem Angestellten, der sich gegen Rassismus geäußert hatte, wurde fristlos gekündigt und einer Hijab tragenden Frau, die mit ihren drei Kindern unterwegs war, wurde mit dem Tod gedroht. 

Zu den Fragen, ob und warum antimuslimischer Rassismus in Deutschland weitverbreitet sei, gab es mehrere Antworten: Rima Hanano sagt, dass obwohl die Datenlage wegen fehlender Beratungs- und Meldestrukturen sowie fehlender Expertise von Beamten dünn sei, Muslimfeindlichkeit als Ganzes zunehme. Sie konstatiert: „Der gesellschaftliche Diskurs ist weit nach rechts gerückt, das ist sehr befeuernd für Rassismus in Deutschland.“ Dr. Cihan Sinanoğlu, ein Leiter der Organisation Nationaler Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (Nadira), sagt dazu, dass Rassismus sich mit gegenwärtigen Krisen verbinde, wie zum Beispiel der Inflation oder der Migrationskrise.

Auch auf die Gesundheit der Betroffenen wirkt sich der Rassismus aus. Dr. Cihan Sinanoğlu erklärt, dass Rassismuserfahrungen sowohl Grund als auch Auslöser von Krankheitszuständen seien können. Andererseits könnten rassistische Gesellschaftsverhältnisse dazu beitragen, dass die Gesundheitsversorgung bestimmter Bevölkerungsgruppen nicht immer adäquat, erreichbar und bezahlbar ist. Unter anderem nennt Sinanoğlu den „Morbus Mediterraneus“ als Beispiel des unterschwelligen Rassismus in der Gesundheitsversorgung. Bei dem sogenannten Morbus Mediterraneus handelt es sich um eine Scheindiagnose, die Volksgruppen, die rund um das Mittelmeer leben, als „zu schmerzempfindlich“ und hypersensibel beschreibt. Hier meldet sich auch Rima Hanano wieder zu Wort: Rassismus sei sowohl institutionell als auch direkt.

Hanano betont, die Diskriminierung von Muslimen und muslimisch wahrgenommenen Menschen werde unterschätzt. Um das Dunkelfeld zu erhellen, müsse es ein einheitliches Verständnis über das Phänomen geben. Betroffene müssten besser unterstützt und entsprechende Beratungsstellen langfristig finanziert werden. „Wir müssen alle hinschauen, nur dann können wir antimuslimischem Rassismus gemeinsam entgegentreten.“