An diesem Dienstag kam eine Kollegin zu spät zur Arbeit. Sie sagte lächelnd, es habe etwas gedauert, aber nun sei auch sie Opfer der Klimakleber geworden. Sie klang ein wenig so, als sei sie nun endlich Mitglied in einem speziellen Klub von Leidensgenossen, von denen es seit Anfang 2022 immer mehr gibt in Berlin. Aber so gut gelaunt die Kollegin auch war: Sie ist nicht zu einer Kämpferin für das Klima geworden. Noch mal: Sie hat „Opfer“ gesagt.
Opfer hat die Letzte Generation inzwischen recht viele zwischen Köpenick und Spandau, und derzeit werden es täglich mehr: Am Montag und Dienstag haben sie wieder auf den Kreuzungen dieser Stadt gesessen, sich angeklebt und sich sicher wie Helden gefühlt. Aber ganz nebenbei hat diese kleine radikale Gruppe das Reden über den Klimawandel auf eine Art vergiftet, dass es schwer ist, ruhig über diese ganz real drohende Katastrophe zu sprechen, die doch schon lange niemand mehr ausblendet.
Ich kann nicht genau sagen, wann die Letzte Generation meine Sympathien und die von vielen in meinem Umfeld verspielt hat. War es eine dieser selbstgerechten Gaga-Antworten in Interviews, die immer vor dem Kanzleramt stattfinden? („Wir wollen mit Sonnenhüten demonstrieren!“) Oder war es diese komplett dämliche Aktion am Sonntag, als sie das Brandenburger Tor mit Blut bespritzten? (Welches Blut bitte ist Orange?) Oder war es diese Pressemitteilung mitten im Sommer, in der zum x-ten Mal ihre leere Drohung drinstand, dass sie „die Stadt lahmlegen“ wollen. (Gähn.)
Lahmgelegt war dann mal wieder gar nichts, stattdessen musste die Polizei ein paar an Autobahneinfahrten festgeklebte Menschen von der Straße lösen und parallel Autofahrer daran hindern, gewalttätig zu werden. Alles wie immer: Wir als Zeitung müssen das abbilden und haben unsere Reporterin morgens nach Friedenau geschickt, wo sich eine 73 Jahre alte Frau auf die Straße klebte. Der Text, der dann entstanden ist, zeigt, dass es nicht nur 22 Jahre alte privilegierte Jugendliche aus Augsburg sind, die sich in Berlin auf die Straße kleben. Aber es bleibt eben doch nur ein weiterer Text über die immer gleichen Aktionen. Ich beneide da auch nicht unsere Reporter.
Haben den Respekt verspielt
Ein Wort, das mir nach all den Monaten noch immer schwerfällt zu schreiben ist „Klimakleber“. Es klingt für mich nach schlecht gelauntem Kettenraucher-Journalist, der einen alten Witz zum zehnten Mal erzählt und nach dem dritten Bier darüber selbst kehlig lacht. „Klimakleber! Höhö!“ Wir haben hier in der Redaktion lange diskutiert und uns dann dafür entschieden, dass es grundsätzlich als Synonym für Aktivisten inzwischen anerkannt ist. Schön ist es nach wie vor nicht.
Inzwischen hat sich der Begriff jedoch schlicht deshalb durchgesetzt, weil der Respekt vor den Aktionen der Letzten Generation längst dahin ist. Da hatten sie den ganzen Sommer lang Zeit, sich mit der berechtigten Kritik an ihren Aktionen auseinanderzusetzen (Privilegiert! Es trifft die Falschen!) und alles, was ihnen einfällt, ist genau das, was sie den Politikern gern vorwerfen: ein ignorantes „Weiter so“. Sie beschmutzen Wahrzeichen und schaffen sich Tag für Tag auf der Straße mehr Feinde oder „Klimakleber-Opfer“.
Ein Grund, warum noch über sie geschrieben wird, ist, dass sie nach wie vor oft gelesen werden. Aber das Interesse lässt nach mit jeder selbstgerechten Pressemitteilung, die in unseren Postfächern landet, mit jedem sektenhaften Wiederholen der Behauptung, sie stünden auf der richtigen Seite der Geschichte. Nun sollten die Aktivisten endlich auch einmal zuhören und merken, dass sie auch morgen und übermorgen nicht Berlin lahmlegen werden, sondern nur eines sind: lame.






