Wir waren zu Besuch bei Freunden im Prenzlauer Berg. Es gab Heringssalat, Schwarzbrot und Käse. Die Frauen tranken Wein, die Männer alkoholfreies Bier.
Wir redeten übers Malen und Schreiben, der Gastgeber hatte gerade eine Ausstellung eröffnet, seine Frau stattete eine Oper aus. Es regnete in Strömen. Das war – bis dahin – das einzig Ungewöhnliche an diesem Abend. Der Aprilregen, der gar nicht mehr aufzuhören schien.
Irgendwann ging ich auf Toilette und wusch mir die Hände. Unterm Waschbecken stand ein Eimer, das Wasser, das ich zum Händewaschen benutzt hatte, lief direkt in den Eimer hinein. Ein Rohrschaden, nahm ich an, entschuldigte mich beim Gastgeber, es nicht gleich bemerkt zu haben. Er lächelte, nein, es sei nichts kaputt. Er habe das Rohr abgeschraubt, damit das Wasser nicht in die Kanalisation abläuft, sondern aufgefangen und später für die Klospülung verwendet werden kann.
Oh, sagte ich.
Auch baden gehe er nicht mehr, erklärte mein Freund, und wenn doch, lasse er das Wasser tagelang in der Badewanne, fülle es in Eimer, verwende es weiter. Das gleiche Prinzip.
Eine neue Krise, ein neues Thema
Ich bekam sofort ein schlechtes Gewissen, weil ich mich an meine halbherzigen Versuche vom letzten Sommer erinnerte, Wasser aufzufangen und zum Blumengießen zu benutzen. Es hatte mit dem Krieg und der Energiekrise zu tun, wenn ich mich recht erinnerte, Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte zum Wassersparen und Duschkopf-Austausch aufgerufen. Der Waschlappen feierte sein Comeback.
Aber irgendwann war Habeck dann vom Duschkopf zur Wärmepumpe gesprungen. Und alle sprangen mit. So ist es ja oft. Irgendetwas bricht immer gerade zusammen, das Gesundheitssystem, die Bundeswehr, die Bahn, die Energieversorgung, Europa. Aber dann geht es doch irgendwie weiter, und nach ein paar Wochen gibt es eine neue Krise, ein neues Thema.
Mir geht das zu schnell, ich stecke oft noch in der alten Krise fest, wenn die nächste bereits da ist. Gerade habe ich mich noch über Döpfners Ost-Hass-Bemerkungen geärgert, jetzt tut er mir schon fast wieder leid, weil sein Freund Stuckrad-Barre ihn in seinem Buch ans Messer liefert. Und in gewisser Weise bewundere ich meine Freunde, die Bilder malten und mit Eimern herumhantierten wie im Mittelalter und von der Döpfner-Affäre vermutlich noch nichts gehört hatten. Sie sind Künstler, sie blenden Nachrichten aus. Oder entwickeln daraus einen Lebensstil.
DDR-Bungalows im Wald abgestellt
Als der Regen aufgehört hatte, fuhr ich mit meinem Mann aufs Grundstück nach Brandenburg. Er stellte das Wasser an – und gleich wieder ab. Ein Rohr, das mein Schwiegervater in den Siebzigern verlegt hatte, war geplatzt. Mein Mann buddelte im Garten herum, ich suchte alte Verlegepläne. Dabei fiel mir der Grundriss des Originalbungalows in die Hände, auf dem zu sehen war, dass es damals kein Bad und keine Toilette gegeben hatte. Im ganzen Bungalow!





