Rammstein

Können 75.000 Unterschriften erreichen, dass Rammstein-Konzerte abgesagt werden?

Eine Petition versucht, die drei Mitte Juli geplanten Rammstein-Konzerte in Berlin zu verhindern. Ist das überhaupt möglich? Und wenn ja, wer zahlt den Ausgleich?

Der Rammstein-Frontmann Till Lindemann während eines Konzerts
Der Rammstein-Frontmann Till Lindemann während eines KonzertsAxel Heimken/dpa

Für Britta Häfemeier ist Till Lindemann kein Einzelfall. Das sagt die Initiatorin der Petition „Keine Bühne für Rammstein“ gegenüber der Berliner Zeitung. „Wir leben in einer sexistischen Gesellschaft“, sagt sie weiter, „und wir sehen ja immer wieder: Mächtige Männer nutzen ihre Macht aus und üben sexualisierte Gewalt aus.“ Da müsse man sich nur die Hunderten von MeToo-Fällen angucken.

Am Dienstag hat die Petition rund 60.000 Unterschriften. Die Unterstützer wollen so verhindern, dass Rammstein Mitte Juli für drei Konzerte im Berliner Olympiastadion auftreten darf. Die Idee ist, die Landesregierung durch die Petition dazu zu zwingen, die Rammstein Konzerte abzusagen, da das Olympiastadion im Besitz des Landes Berlin ist. Kultursenator Joe Chialo (CDU) und Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sollen sich der Forderung nach sofort dafür einzusetzen, dass das Olympiastadion den Vertrag mit Rammstein kündigt. Am Ende der Petition heißt es kämpferisch: „Jetzt gilt es zu zeigen, dass Berlinerinnen und Berliner mutmaßlichen Tätern #KeineBühne bieten.“

Diese Petition ist inzwischen nicht mehr die einzige ihrer Art. „Berlin: Stoppt die Rammstein-Konzerte! #MissbrauchAbsagen“ heißt die des The Sirens Collective. Das Kollektiv sammelt Geschichten sexuellen Missbrauchs an Frauen und macht sie im Internet zugänglich. Derzeit sind es 4500 Geschichten. Sie haben bereits 32.000 Unterschriften. Weniger Unterstützung haben die Petitionen, die sich für die Konzerte von Rammstein einsetzen. Die von Moritz T. angefangene Petition für ein Stattfinden des Konzerts in Wien am 26. und 27. Juli hat bis jetzt 6900 Unterschriften. 

Britta Häfemeier und „Keine Bühne für Rammstein“

Britta Häfemeier ist Social-Media-Redakteurin und beschäftigt sich vor allem mit Sexismus in der Medienbranche. Sie ist außerdem im Vorstand des Vereins Gender Equality Media und kennt sich deswegen mit journalistischer Berichterstattung aus, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht. Die 34-Jährige findet, dass Innensenatorin Iris Spranger die Verantwortung habe, Rammstein-Konzerte abzusagen, um somit weitere „Opfer zu verhindern“.

Derzeit sind nur die After-Show-Partys abgesagt. Die Senatorin entschloss sich dazu, weil ihrer Meinung nach die Vorwürfe gegen Till Lindemann schwerwiegend genug seien und sie „dem Schutz und der Sicherheit der Frauen absoluten Vorrang geben“ wolle. Für Britta Häfemeier geht das nicht weit genug. „Mit diesem Argument“, sagt sie, „kann sie auch Einfluss auf die Betreiber des Olympiastadions nehmen und Druck ausüben, damit die Konzerte abgesagt werden.“

Viele Frauen und Betroffene haben sich bereits bei Häfemeier gemeldet, um ihr dafür zu danken, dass die Öffentlichkeit sich jetzt mit dem Thema beschäftigen muss. Gleichzeitig bekomme sie auch Hassnachrichten von Rammstein-Fans. „Aber davon lasse ich mich nicht entmutigen, ich glaube den Frauen.“ Das sei sowieso „das Perfide“, sagt sie, dass Frauen, die über ihren Missbrauch reden, nicht geglaubt werde. Da werde lieber gefragt, warum sie sich aufreizend anziehen oder warum sie denn zu After-Show-Partys gehen. „Und die Täter machen einfach so weiter.“

Wenn die Petition bis Dienstag nächster Woche genug Stimmen zusammen hat, 75.000 ist das Ziel, dann wollen die Organisatoren vor der Senatsverwaltung für Inneres die Unterschriften an Iris Spranger übergeben.

Die Petition wirft Fragen auf

Aber wie wahrscheinlich ist es, dass das Olympiastadion den Vertrag mit Rammstein bricht? Außerdem: Müsste nicht, weil das Olympiastadion dem Land Berlin gehört, dann auch der Steuerzahler den Ausgleich für die abgesagten Konzerte bezahlen? Obwohl ein Sprecher des Olympiastadions ein Gespräch mit der Berliner Zeitung aus Respekt den Veranstaltern gegenüber ablehnte, ist zu vermuten, dass ein Vertragsbruch nicht einfach umzusetzen ist. Ohne ein Gerichtsurteil gegen Till Lindemann, so die Meinung eines Anwalts, sei es schwer, den Vertrag zu kündigen. Ein Vertragsbruch könnte die Band teuer zu stehen kommen. 

Der Rechtsanwalt Julius Frenger sagt dem RBB, dass die Absage der Konzerte ohne ein vollendetes Verfahren unwahrscheinlich wäre. Vor allem weil die Absage auch andere Veranstaltungsorte dazu bewegen soll, Rammstein-Konzerte abzusagen. Das wiederum hätte enorme Konsequenzen nicht nur für Till Lindemanns berufliche Existenz, sondern auch die seiner Band-Mitglieder.

Wenn es tatsächlich dazu kommt, dass die Rammstein-Konzerte abgesagt werden, steht eine Rechnung von mindestens acht Millionen Euro pro Konzert offen. Normale Tickets sind für alle drei Konzerte bereits ausverkauft. Es ist unsicher, wer für den Ausfall des Konzertes zahlen würde. So war es beispielsweise im Jahr 2018, als im Olympiastadion ein Umbau angekündigt wurde. Damals sollten Steuerzahler die 190 Millionen hohen Kosten übernehmen. Auf die Frage, ob das bei verpassten Konzerten genauso sein wird oder ob die Olympiastadion Berlin GmbH für die Summe verantwortlich ist, antwortet der Pressesprecher des Olympiastadions Thomas Margraf. Wegen vereinbarter Verschwiegenheitsklauseln kann er keine Aussagen zu Konzertabsagen machen, außer: „In keinem Fall entstehen durch eine Konzertabsage Kosten für den Steuerzahler.“


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