Wie kann es sein, dass ein verurteilter, hochgefährlicher Schwerkrimineller schon nach drei Jahren Haft unbegleiteten Ausgang aus dem Gefängnis erhält?
2019 war der heute 28-jährige Koray T. in Berlin wegen heimtückischen Mordes zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte einen Mann erschossen. Am 27. August bekam er unbegleiteten Freigang aus der JVA Tegel, um an der Einschulung seines Kindes teilnehmen zu können, und verschwand. Er soll sich inzwischen in die Türkei abgesetzt haben.
Die Staatsanwaltschaft hatte Koray T. als zur Organisierten Kriminalität (OK) zugehörig eingestuft. Den OK-Vermerk löschte sie inzwischen wieder. „Bereits im frühen Jugendalter hat er kriminelle Taten begangen“, sagte Susanne Gerlach, Referatsleiterin in der Justizverwaltung, am Mittwoch im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses. CDU und FDP hatten eine Besprechung angemeldet, weil sie es unverständlich finden, dass der Gefangene schon nach so kurzer Zeit Vollzugslockerungen bekam, die anderen Häftlingen nicht gewährt werden.
Die kriminelle Karriere von Koray T. begann nach Gerlachs Ausführungen schon 2008, T. war da noch ein Jugendlicher. Im Bundeszentralregister ist er mit zehn Einträgen vermerkt. Mehrere Verfahren seien eingestellt worden. 2010 kam es erstmalig zu einer Verurteilung, T. erhielt eine Jugendstrafe auf Bewährung.
Der Mörder schoss drei Mal von hinten und bekam dafür nur acht Jahre
2011 bekam er eine weitere Jugendstrafe von diesmal drei Jahren und acht Monaten, weil mehrere Vorstrafen zusammengezählt wurden. Dabei ging es vor allem um Eigentumsdelikte. „Der Verlauf dieser Haft war nicht ganz unproblematisch“, so Gerlach. Während eines Ausganges beging T. einen Einbruch.
Am 4. September 2016 tötete er am Kottbusser Tor in Kreuzberg mit drei Schüssen von hinten einen Mann. Dieser hatte sich eine körperliche Auseinandersetzung mit seinem Schwager geliefert, der dem Rockerclub Hells Angels zugerechnet wurde. Koray T. selbst gehört laut Gerlach nicht zu den Hells Angels, wie verschiedentlich gemeldet worden war.
Nach der Tat floh er zusammen mit seinem Schwager in die Türkei. Am 19. Dezember 2016 wurde er in Bulgarien festgenommen. Am 7. März 2019 verurteilte ihn das Berliner Landgericht wegen des Mordes. Statt lebenslänglich bekam er nur acht Jahre, ihm wurde eine verminderte Schuldfähigkeit attestiert, weil er zur Tatzeit unter Drogeneinfluss stand.
Häftlinge bekamen in Berlin 200.000 Mal Ausgang
Haftlockerungen dienen der Wiedereingliederung von Gefangenen in die Gesellschaft und sollen ein späteres Leben ohne Straftaten wahrscheinlicher machen.
Susanne Gerlach sagt, alle entsprechenden Verfahren und inhaltlichen Standards seien bei der Bewertung des Gefangenen eingehalten worden. Über Lockerungen und den Vollzugsplan berate ein Gremium, dann entscheide die Anstaltsleitung. Es gebe ein bedingtes Recht der Strafgefangenen auf „vollzugsöffnende“ Maßnahmen. „Und wir haben die Verpflichtung, bei Vollzugslockerungen ein vertretbares Risiko einzugehen, das durch professionelle Arbeit möglichst gering zu halten ist.“
Allerdings habe sich die „angenommene hinreichende persönliche Stabilität und Vereinbarungsfähigkeit“ des Gefangenen nicht bestätigt. Weniger bürokratisch ausgedrückt: T. hielt sich nicht an die Absprache, zurück ins Gefängnis zu kommen.
Justizsenatorin Lena Kreck (Die Linke) sieht jedenfalls „kein systemisches Problem“. Zu Änderungen der Verwaltungsvorschriften sehe sie „überhaupt keine Veranlassung“. Sie verweist auf die geringe Missbrauchsquote von Vollzugslockerungen. Demnach bekamen im Jahr 2018 Häftlinge insgesamt mehr als 200.000 Mal Ausgang.


