Mobilität

In diesem Berliner S-Bahnhof werden sich die Fahrgäste wie unter Wasser fühlen

Die DB legt erste Ideen für die Gestaltung der Station unter dem Hauptbahnhof vor. Doch bei der neuen Nord-Süd-S-Bahn gibt es weitere Verzögerungen.

So soll die geplante Tunnelstation für die S21 aussehen, die unter dem Europaplatz am Berliner Hauptbahnhof entsteht. Die Simulation zeigt, dass die Halle maritim gestaltet werden soll.
So soll die geplante Tunnelstation für die S21 aussehen, die unter dem Europaplatz am Berliner Hauptbahnhof entsteht. Die Simulation zeigt, dass die Halle maritim gestaltet werden soll.Copyright@Deutsche Bahn AG

Das wird ein ganz besonderer S-Bahnhof. Die Bahnsteighalle wird aussehen, als wäre eine Welle über sie hereingebrochen. Hunderte hellblaue Punkte auf dunkelblauem Grund erwecken optisch den Eindruck, als ob die Fahrgäste inmitten einer viele Meter hohen Gischt stehen. „Das maritime Gestaltungskonzept stellt eine optische Verbindung zum angrenzenden Humboldthafen her“, erklärt die Deutsche Bahn (DB).

Doch bis die geplante Tunnelstation unter dem Berliner Hauptbahnhof ihren Endzustand erreicht hat, wird nun noch mehr Zeit vergehen als zuletzt angekündigt. Bei der S21, einem der unbekanntesten und kompliziertesten Verkehrsprojekte Berlins, zeichnen sich weitere Verzögerungen ab. Das betrifft auch einen Bahnhof, der für Moabit wichtig ist.

S21, City-S-Bahn: So heißt ein Vorhaben, das kaum ein Berliner kennt – obwohl bereits seit elf Jahren gebaut wird. Es geht um die zweite Nord-Süd-S-Bahn. Die neue Hauptverkehrsader soll die 1939 komplettierte erste Nord-Süd-S-Bahn, die den Bahnhof Friedrichstraße unterquert, entlasten. Zudem wird die 7,2 Kilometer lange Neubautrasse dafür sorgen, dass der Hauptbahnhof, das Regierungsviertel und der Potsdamer Platz noch besser erreichbar sind. Auch soll sie viele direkte und Umsteigeverbindungen herstellen. Dazu entsteht unter anderem ein Knotenpunkt mit der U-Bahn in Kreuzberg.

Bahnsprecher: Eröffnungstermin 2026 ist „unrealistisch“

Wie berichtet, musste die DB bereits beim ersten Bauabschnitt, der vom Nordring zum Hauptbahnhof führt, mehrmals Terminverschiebungen bekannt geben. Schuld seien „Auswirkungen der Pandemie“. „Lieferengpässe beim Material und Mangel bei Fachpersonal machten die Terminanpassung nötig“, so erklärte ein Bahnsprecher, warum es im Dezember 2022 nicht mehr klappt. Nach jetzigem Stand soll die neue Linie S15 nun ein Jahr später in Betrieb gehen – im Dezember 2023. S-Bahnen des neuesten Typs werden zwischen Gesundbrunnen, Wedding und einem 75 Meter langen provisorischen Tunnelbahnsteig unter und nördlich der Invalidenstraße pendeln.

Schöner warten in der geplanten S-Bahn-Station unterm Hauptbahnhof. Farbige Sitzwürfel gehören zu den Gestaltungsideen, an denen die Bahn derzeit arbeitet. Die Passerelle führt zum Hauptbahnhof und zur U5.
Schöner warten in der geplanten S-Bahn-Station unterm Hauptbahnhof. Farbige Sitzwürfel gehören zu den Gestaltungsideen, an denen die Bahn derzeit arbeitet. Die Passerelle führt zum Hauptbahnhof und zur U5.Copyright@Deutsche Bahn AG

Jetzt zeichnet sich ab, dass auch bei der S-Bahn-Station unterm Hauptbahnhof die Herstellung des Endzustands länger auf sich warten lässt. Bis vor Kurzem hieß es, dass 2026 alles fertig sein soll. Allerdings hat sich die Baustelle, die seit vielen Jahren den  nördlichen Vorplatz okkupiert, als noch komplizierter erwiesen als gedacht.

Ein anderer Bahnsprecher umriss die Herausforderungen, die für den gesamten derzeit laufenden ersten Bauabschnitt der S21 gelten. „Die Corona-Pandemie, Lieferengpässe für Spezialbauteile und der Mangel an Fachpersonal in Bau und Planung sorgen weiterhin für Verzögerungen, auch bei den zugehörigen Überprüfungen vorhandener Bauwerke und damit verbundenen Vorsorgearbeiten. Aus diesen zwischenzeitlichen Material- und Personalmängeln ergeben sich immer wieder Umplanungen“, sagte er der Berliner Zeitung.

Inzwischen sei absehbar, dass es „unrealistisch“ wäre, weiterhin davon auszugehen, dass der erste Bauabschnitt 2026 vollständig fertiggestellt werden könnte. „Neue Termine werden wir selbstverständlich rechtzeitig bekannt geben“, so die Bahn.

Diese Visualisierung zeigt die Eventfläche, die in der Verbindungsebene zwischen dem Hauptbahnhof, der U5 und der S21 entstehen könnte. Auch dies ist noch kein endgültiges Konzept, sondern eine Idee.
Diese Visualisierung zeigt die Eventfläche, die in der Verbindungsebene zwischen dem Hauptbahnhof, der U5 und der S21 entstehen könnte. Auch dies ist noch kein endgültiges Konzept, sondern eine Idee.Copyright@Deutsche Bahn AG

Immerhin: An der Gestaltung des Tunnel-S-Bahnhofs unterm Europaplatz wird schon seit einiger Zeit gearbeitet, und es gibt erste Resultate. Während einer Veranstaltung im Rahmen der Schienenverkehrswochen des Deutschen Bahnkunden-Verbands zeigte ein DB-Planer Simulationen. Demnach wird die Halle mit dem Bahnsteig und den beiden S-Bahn-Gleisen ziemlich hoch sein. In der Bahnsteigmitte führen eine breite Steintreppe und eine Fahrtreppe in die Verteilerebene, die in den Hauptbahnhof und zur U5 führt.

Station Perleberger Brücke wird erst 2029 fertig – drei Jahre später

Auf einer weiteren Darstellung sind farbige Sitzwürfel zu sehen, auf denen sich Fahrgäste ausruhen. Ein anderes Bild zeigt eine kreisrunde Eventfläche, auf der getanzt wird. Der Bahnsprecher betonte, dass dies noch keine endgültigen Pläne seien: „Bei den Sitzwürfeln handelt es sich um eine Gestaltungsidee im Rahmen der Visualisierung. Das bildet nicht die geplante Möblierung ab.“ Auch die dargestellte Veranstaltungsszene mit Tanz sei zunächst nur eine „Visualisierung einer möglichen Nutzung der Eventfläche, die auf der Übergangsebene zwischen Hauptbahnhof, U-Bahn und S21 geplant ist“.

Während es für den Endzustand des Tunnelbahnhofs unterm Europaplatz noch keinen neuen Termin gibt, wird für die andere Station am ersten Bauabschnitt der S21 schon ein veränderter Zeitplan gehandelt. Der Haltepunkt Perleberger Brücke soll nun 2029 fertiggestellt werden, geht aus der Präsentation hervor. Bislang war von 2026 die Rede.

Auch dieses Teilprojekt ist komplex. Denn südlich der vorgesehenen Station wird sich die S-Bahn-Trasse teilen. Jeder Streckenast bekommt einen eigenen Bahnsteig. Die Station Richtung Wedding wird in einer Kurve unter einem Glasdach auf einer Brücke liegen, der S-Bahnhof Richtung Westhafen in einer anderen Kurve in einer Unterführung unter der Perleberger Straße. Auch dort wird ein Glasdach Tageslicht hereinlassen, wie die aktuelle Konzeptstudie zeigt. Der V-förmige Raum dazwischen wird zu einem begrünten Stadtplatz gestaltet, der den S-Bahn-Graben deckelt – damit er nicht als Müllplatz missbraucht wird. Im kommenden Jahr stellt die DB ihre Pläne im Bezirk vor.

Die Simulation zeigt, wie der S-Bahn-Haltepunkt Perleberger Brücke aussehen könnte. In der Konzeptstudie  ist der Bahnsteig Richtung Wedding oben zu sehen, der Bahnsteig Richtung Westhafen unten.
Die Simulation zeigt, wie der S-Bahn-Haltepunkt Perleberger Brücke aussehen könnte. In der Konzeptstudie ist der Bahnsteig Richtung Wedding oben zu sehen, der Bahnsteig Richtung Westhafen unten.Copyright@Deutsche Bahn AG

Nachdem sich Planer lange Zeit skeptisch geäußert hatten, ob sich die aufwendige Station im Nordwesten des Bezirks Mitte lohnen wird, steht inzwischen außer Frage, dass sie sinnvoll ist. Mittlerweile rechnet der Senat mit 27.000 Fahrgästen pro Tag. Aus dem Umfeld werden die meisten Nutzer aus Moabit kommen, aber auch die Bewohner der vielen Neubauten in der Europacity werden den Haltepunkt frequentieren. Hinzu kommen Umsteiger vom und zum Bus M27. Der Haltepunkt Perleberger Brücke sei „mehr als ein Zwischenstopp“, fasst die Bahn zusammen.

S-Bahn-Tunnel wird lange gesperrt, Baugrube entsteht am Brandenburger Tor

Die beiden anderen Teilstücke der S21 sind nicht minder kompliziert. So wird der zweite Bauabschnitt, der den Hauptbahnhof und den Potsdamer Platz verbinden wird, die Spree unterqueren und durch das politische Zentrum Deutschlands verlaufen. Wie berichtet, soll eine Tunnelröhre links, die andere rechts vom Reichstagsgebäude vorbeiführen.

Die exakte Streckenführung steht jedoch weiterhin nicht fest. Die offizielle Präsentation beschreibt nur einen „möglichen Korridor“ für die Trasse im Parlamentsviertel. Die Varianten, die derzeit vorbereitet werden, stellen sicher, dass das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas im Tiergarten auch während des Baus erhalten bleibt, sagte der Bahnsprecher. „Einen konkreten Zeitplan für den Bau gibt es zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Erst mit einer festgelegten Vorzugsvariante kann die weitere Planung und das ausstehende Planfeststellungsverfahren erfolgen.“ Bislang hieß es, dass die Unterlagen 2023 bei der Genehmigungsbehörde eingereicht werden und die Inbetriebnahme für 2037 ins Auge gefasst wird.

Mehrere Tausend Stahlanker sind der Tunnelbohrmaschine im Weg

Für die Planer gibt es weitere enorme Herausforderungen. So sind am Paul-Löbe-Haus, einem Gebäude des Bundestags, „Kompensationsmaßnahmen an Stützen notwendig“, hieß es. Betoninjektionen sollen Setzungen und Verformungen verhindern, wenn der Tunnelbohrer unter der Stützenreihe hindurchfährt. Im Untergrund neben dem U-Bahnhof Bundestag an der U5 stören zudem mehrere Tausend Metallanker, die das Bauwerk stabilisieren. Sie können mit dem Schildvortrieb nicht durchfahren werden. Darum sind „Räumungsbohrungen“ nötig, bei denen Stahlteile entfernt werden.

Damit nicht genug: „Eine technische Herausforderung stellt die Anbindung an den sogenannten Heuboden im Bereich Potsdamer Platz dar“, berichtet die Bahn. Das bislang ungenutzte Vorratsbauwerk bildet die obere Etage dieses unterirdischen S-Bahnhofs.

Die S21 an die bestehenden Nord-Süd-S-Bahn-Tunnels anzuschließen, wird aufwendig und langwierig. Entsprechend lang muss der Tunnel, der heute von den Linien S1, S2, S25 und S26 genutzt wird, gesperrt werden. Bisher war von mindestens 22 Monaten Unterbrechung des S-Bahn-Verkehrs die Rede. Eine offene Baugrube wird dort erforderlich sein – wie übrigens auch westlich vor dem Brandenburger Tor.

Land Berlin streicht Cheruskerkurve erst einmal vom Arbeitsplan

Der geplante dritte Bauabschnitt der S21 führt weiter in Richtung Süden – zum südlichen Ring. Vorher schließt er an die bestehenden Strecken zu den beiden S-Bahnhöfen an der Yorckstraße an. Zuvor passiert die S21 ein neues Drehkreuz, das im Westen Kreuzbergs gebaut wird. Am Gleisdreieck, wo heute U1, U2 und U3 halten, soll ein Umsteigebahnhof zwischen U-Bahn und S-Bahn entstehen.

Ein Projekt mit vielen Herausforderungen: Die geplante zweite Nord-Süd-S-Bahn in Berlin, rot eingezeichnet, wird viele neue Verbindungen schaffen. Die 7,2 Kilometer haben es in sich.
Ein Projekt mit vielen Herausforderungen: Die geplante zweite Nord-Süd-S-Bahn in Berlin, rot eingezeichnet, wird viele neue Verbindungen schaffen. Die 7,2 Kilometer haben es in sich.Deutsche Bahn

Auch dieses Teilstück wird diffizil. Die Bahn spricht von einer „herausfordernden Trassierung“. In dem eng bebauten Umfeld bilden Gebäude, einige denkmalgeschützt, Zwangspunkte, die zu berücksichtigen sind. Um die Komplexität wenigstens etwas verringern, hat das Land die Planungen für den Neubau der Nordostkurve (auch als Cheruskerkurve bekannt) zurückgestellt. Sie sollte beim S-Bahnhof Julius-Leber-Brücke von der S1 abzweigen und östlich auf die Ringbahn führen.

2024 soll die Vorzugsvariante festgelegt werden, teilte die Bahn mit. 2037 könnten die ersten S-Bahnen fahren, womit die neue Hauptverkehrsader S21 für die Berliner Innenstadt komplett wäre. Doch bis dahin wird noch viel Wasser die Spree herunterfließen. Gut möglich, dass es weitere Änderungen im Arbeits- und Zeitplan gibt.