Diskriminierung

Hass und Hetze gegen Moschee in Moabit wegen Regenbogenfahne

Die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee wird angefeindet, weil sie eine Regenbogenfahne gehisst hat. Die Gründerin Seyran Ates macht Ferda Ataman mitverantwortlich.

Seyran Ates (zweite v. l.) zusammen mit dem Imam (r.) der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee und Vertretern der evangelischen Kirsche vor der Regenbogenfahne.
Seyran Ates (zweite v. l.) zusammen mit dem Imam (r.) der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee und Vertretern der evangelischen Kirsche vor der Regenbogenfahne.AFP/Adam Berry

Sie habe mit den Anfeindungen gerechnet, sagt Seyran Ates, sie sei ja nicht naiv. Seit die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Moabit anlässlich des Pride Month eine Regenbogenfahne gehisst hat, gebe es massive Kritik. Ates betont, ihre islamische Gemeinde sei die erste und einzige der Welt, die diese Fahne hisse. „Natürlich gibt es da Gegenwind.“ In diesen Tagen ist der besonders heftig.

So hat der türkische Staatssender TRT über sie negativ berichtet. Aber auch die Medien anderer muslimischer Länder, wie Ägypten und Indonesien, hetzen gegen die Moschee in Moabit. „Wie kann Deutschland eine Moschee unterstützen, die den Islam angreift“, heißt es in einem Video von TRT auf YouTube.

Auch in den sozialen Netzwerken entlädt sich der Hass. Jemand schreibt, die Moschee sei in Wahrheit gar keine echte Moschee und spalte die islamische Gemeinde. Andere äußern Gewaltfantasien bis hin zu Morddrohungen. Auf Twitter schreibt ein User, der das Emoji eines grauen Wolfs im Namen trägt: „Wird Zeit Berliner Gay Moschee zu stürmen.“

Seyran Ates, 59, Rechtsanwältin, Autorin und Frauenrechtlerin, die die Moschee vor fünf Jahren mitbegründet hat, sagt: „Wir lassen uns von der Gewalt und Angstmacherei nicht aufhalten.“ Sie verweist vielmehr auf die sehr vielen positiven Reaktionen, die es auf die Aktion gegeben habe. Immer wieder meldeten sich bei ihr schwule, junge, muslimische Männer, sagt Ates, die ihr für ihre Arbeit danken würden. „Einige standen kurz vor dem Selbstmord und haben erst durch uns wieder einen Sinn im Leben entdeckt“, sagt sie.

Ein Islam für Lesben und Schwule

Die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee vertritt eine äußert liberale und progressive Form des muslimischen Glaubens. Auf ihrer Webseite heißt es: „Wir leben einen Islam, in dem Frauen und Männer gleichberechtigt und gleichwertig sind.“ Seit 2020 betreibt die Moschee eine Anlaufstelle, die sich mit Seelsorge und Aufklärungsarbeit an queere Musliminnen und Muslime wendet.

Laut eines Reports der International Gay and Lesbian Association steht in 18 muslimischen Ländern gleichgeschlechtlicher Sex unter Strafe. Konservative Muslime und Musliminnen berufen sich auf eine Stelle im Koran, die beweisen soll, dass Allah Homosexuelle hasst. Sie berufen sich auf die Geschichte des Propheten Lot und seines Volkes: „Ihr gebt euch in eurer Sinnenlust wahrlich mit Männern ab statt mit Frauen“, heißt es da. Allah tötet die, Zitat, „Sünder“. Auch in Deutschland, so Seyran Ates, sei es noch immer schwer für queere Muslime, Glauben und Sexualität in Einklang zu bringen.

Eheschließungen über jede Konfession hinweg

Der jetzige Hass gegen die Moschee käme ausschließlich von Personen, die sich dabei auf den Islam beriefen, sagt sie. „Aber wir tun niemandem weh, wenn wir eine Regenbogenflagge hissen und wir zwingen niemanden, den Islam so zu leben, wie wir es tun.“ Die Gemeinde mache nur ein Angebot. In ihrer Moschee seien zum Beispiel konfessionsübergreifende Eheschließungen möglich. Erst kürzlich flogen Mitarbeiter der Moschee nach London, um eine muslimische Journalistin mit ihrem atheistischen Mann zu verheiraten, undenkbar in jeder anderen Moschee. Und demnächst reisen zwei Frauen aus Süddeutschland extra nach Berlin, um hier nach islamischem Glauben zu heiraten.

Darauf angesprochen, wen Ates für die heftige Kritik in diesen Tagen verantwortlich macht, nennt sie zunächst die islamischen Regierungen der Türkei und Ägyptens. Auch das Islamische Zentrum Hamburg beteilige sich schon seit langem an der Hetze gegen die Moschee. Dann aber nennt sie noch einen Namen, einen, der gerade oft in den Zeitungen steht. Weil die Frau, die ihn trägt, am Donnerstag vom Bundestag zur Antidiskriminierungsbeauftragten gewählt wurde: Ferda Ataman.

„Ferda Ataman“, sagt Ates, „schürt und verbreitet Hass gegen mich.“ Ataman habe an vielen Stellen bewiesen, dass sie selbst diskriminiere. Speziell bezieht sich Ates auf einen inzwischen gelöschten Tweet, in dem Ataman sie beleidigt habe. Ates lasse sich als mutig feiern, weil sie sich bei Nichtmuslimen über Muslime aufrege, habe es darin geheißen. Ataman ignoriere dabei, dass die Gefahr für Ates real sei. „Ich darf allein das Haus nicht mehr verlassen.“

Ates lebt seit 16 Jahren unter Polizeischutz. Bereits in den 1980er-Jahren wurde sie bei einem Attentat auf eine türkischstämmige Klientin angeschossen. Im Jahr 2006 wurde sie nach einer Scheidungsverhandlung vom Ehemann ihrer Mandantin in Kreuzberg bedroht. In jener Zeit bekommt sie häufiger Morddrohungen und erhält Personenschutz. Seit der Gründung der Moschee vor fünf Jahren wurde der ausgeweitet. Inzwischen wird sie von einem vierköpfigen Team rund um die Uhr bewacht.

Ates fühlt sich von Atamans Tweet verhöhnt. Die neue Antidiskriminierungsbeauftragte verharmlose Diskriminierungen innerhalb der muslimischen Community. Bei ihr gehe es nur um den Rassismus der weißen Mehrheitsgesellschaft in Deutschland.

Dabei sei Diskriminierung von Muslimen gegenüber Muslimen allgegenwärtig, wie der jetzige Fall rund um die Regenbogenflagge eindrücklich zeige. „Junge Frauen werden zwangsverheiratet, schwule Männer unterdrückt“, sagt sie. Denen wolle man helfen. Und das könne man nur, wenn diejenigen, die Hilfe bräuchten, auch von dieser Möglichkeit erführen. Die Regenbogenflagge wird deswegen auch weiterhin an der Moschee hängen. Ates wörtlich: „Wir lassen uns nicht einschüchtern.“