Der letzte Sommer war zu heiß und viel zu trocken, das Jahr 2023 begann fast mit T-Shirt-Wetter. Nur noch vier von hundert Bäumen in Berlin sind gesund. Das Klima verändert sich. Auch politisch bewegt das Thema die Stadt, am Sonntag wird es einen Volksentscheid geben. Fast täglich blockiert die Protestgruppe Letzte Generation die Straßen.
Was sollen wir tun, um dem Klimawandel zu begegnen, wie soll sich Berlin verändern? Wir wollen in der Berliner Zeitung so viele Stimmen wie möglich zu Wort kommen lassen. Alle Fragebögen finden Sie hier.
Der Klimawandel wird unser aller Leben verändern. Wovor haben Sie am meisten Angst?
Ich versuche, mich nicht auf meine Angst zu konzentrieren, sondern auf die Möglichkeiten, die wir noch haben. Das ist vielleicht auch meinem Beruf geschuldet. Wenn ich mich zu sehr von den Missständen emotionalisieren lasse, fällt es mir schwerer, aktivistisch zu handeln.
Was tun Sie persönlich, um Ihre CO2-Bilanz zu senken?
Obwohl die Bahn eine Katastrophe für Rollstuhlnutzende ist, fliege ich nicht mehr innerhalb Deutschlands und nur in Ausnahmefällen innerhalb Europas.
Worauf wollen Sie trotz Klimawandel nicht verzichten?
Meinen Rollstuhl. Er ist elektrisch betrieben. Egal, was wir einsparen müssen, auf meine Mobilität kann ich nicht verzichten. Ebenso wenig auf mein Atemgerät, welches ich nachts brauche.
Was muss sich in Ihrer Branche am dringendsten ändern?
Noch radikaler werden. Wir haben keine Zeit mehr für Samthandschuh-Protest.
Klimaaktivisten blockieren regelmäßig Straßen in Berlin. Hilft das der Sache oder schadet es mehr?
Ich finde diese Frage irreführend. Wir leben in einem brandgefährlichen Moment für unseren Planeten. Wir wissen davon, wir haben Expert:innen, die uns schonungslos ausrechnen können, auf was wir zusteuern. Die Auswirkungen sind ja bereits überall um uns herum zu beobachten: Eine Region in Deutschland ist uns einfach weggespült worden, es gibt mittlerweile sogar Waldbrände in deutschen Gebieten. Die Katastrophe ist bereits hier.
Und unsere Regierung macht nichts Nennenswertes. Sie hält sich nicht mal an ein Abkommen, das sie selbst zur Rettung unseres Planeten (bzw. unseres Lebens auf diesem Planeten) abgeschlossen hat. Wieso streiten wir uns über die Leute, die darauf aufmerksam machen? Blockierte Straßen sind noch das Mindestmaß an Aktivismus, das angebracht ist. Blockierte Straßen sind ein lächerliches Problem, verglichen zu dem, was wir in Zukunft ausbaden werden.
Wieso ist die Frage nicht: Die Regierung hält sich nicht an das Pariser Klima-Abkommen. Was können wir alle tun, um sie zur Einhaltung ihrer eigenen Vereinbarung zu bewegen?
Können Sie sich Berlin ganz ohne Autos vorstellen?
Ich habe ein gutes Vorstellungsvermögen, also ja. Das stelle ich mir sogar sehr gern vor.

Der von ihm gegründete Verein Sozialhelden setzt sich seit fast 20 Jahren für soziale Gerechtigkeit ein. Sein Engagement und seine mediale Präsenz machen ihn zu einem gefragten Ansprechpartner, wenn es um die Belange von Menschen mit Behinderungen sowie die Themen Barrierefreiheit oder Inklusion geht. Krauthausen wurde 2013 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Er ist auf YouTube und Twitter aktiv, außerdem betreut er mehrere Podcasts wie das neue Interview-Format „Im Aufzug“, nachzuhören auf seiner Website www.raul.de/projekte. Im März 2023 ist sein Buch „Wer Inklusion will, findet einen Weg. Wer sie nicht will, findet Ausreden“ erschienen.
Haben Sie vor, Ihr Auto abzuschaffen?
Dazu müsste ich mir erst eins anschaffen.
Was erwarten Sie von der Politik – was sollte sie als dringendste Klimaschutzmaßnahme durchsetzen?
Ausstieg aus Nutzung fossiler Energiequellen, Investition in erneuerbare Energien, effektive Lösungen für Betriebe und Großunternehmen. Wir brauchen zwar starke, global wettbewerbsfähige Firmen in Deutschland, doch ihr Beitrag zur Klima-Katastrophe ist enorm. Bei dieser Gleichung muss eine Annäherung passieren, sodass der Preis für Wohlstand in Deutschland nicht die Verseuchung unseres Planeten ist.
Klimaschutzminister Habeck duscht nur noch zwei Minuten. Wie lange stehen Sie noch unter der Dusche?
Ich verstehe, dass wir alle mit anpacken müssen und meine persönliche Duschzeit ist wahrscheinlich ähnlich lang. Aber schon immer.
Wir brauchen aber mehr als nur ein paar Menschen, die weniger Wasser nutzen. Der Wasserverbrauch privater Haushalte macht nur elf Prozent des Wasserverbrauchs Deutschlands aus. Allein der Tagebau von RWE (also, von nur einem Konzern!) benötigt 500 Millionen Kubikmetern Wasser pro Jahr, das ist so viel, wie elf Millionen Bürger:innen jährlich verbrauchen.
Es ist schwer, für Bürger:innen, sich selbst zu disziplinieren, in Anbetracht dieser Zahlen. Es ist schwierig, zu rechtfertigen, dass man sich einschränken soll, wenn der übergroße Verbrauch uneingeschränkt woanders passiert.
Daher müssen mutige Schritte von unserer Regierung gewagt werden, die wirklich am Problem ansetzen: Das Problem ist der Klimawandel, knapper werdende Rohstoffe. Nichts führt daran vorbei, diese Bedrohung abzuwenden. Der Kohle-Ausstieg ist in jeglicher Hinsicht sinnvoll.
Bis dahin muss auch die Wirtschaft in die Verantwortung genommen werden, Rohstoff-sparender zu produzieren. Wir dürfen nicht immer nur bei Bürger:innen ansetzen, die letztendlich gar keine so großen Veränderungen bewirken können.
Was ist Ihr bester, klimaschonender Alltags-Tipp?
Ich kaufe grundsätzlich keine Dinge, die oft ersetzt werden müssen. Ich verzichte auf Staubsauger, die Beutel benötigen. Ich mahle meinen Kaffee selbst, trinke aus wiederverwendbaren Flaschen usw. Außerdem spare ich Strom und Energie mit smarten Steckdosen und Thermostaten.




