Fragebogen

11 Klima-Fragen an Bettina Jarasch: „Ich will ein Berlin mit viel weniger Autos“

Was denken Berliner über Klimawandel und Klima-Kleber? Heute: Umweltsenatorin Jarasch über Carsharing am Stadtrand und Kartoffelbrei auf Kunstwerken.

Berliner Zeitung/Uroš Pajović Foto: Markus Wächter

Der Sommer war zu heiß, der Herbst zu warm, das Jahr 2022 wieder viel zu trocken. Nur noch vier von hundert Bäumen in Berlin sind gesund. Das Klima verändert sich. Auch politisch bewegt das Thema die Stadt, 180.000 Menschen haben unterschrieben, dass Berlin schon 2030 klimaneutral werden soll, es wird einen Volksentscheid geben. Fast täglich blockiert die Protestgruppe „Letzte Generation“ die Straßen.

Was sollen wir tun, um dem Klimawandel zu begegnen, wie soll sich Berlin verändern? Wir wollen in der Berliner Zeitung so viele Stimmen wie möglich zu Wort kommen lassen. Darunter auch die Spitzenkandidaten aller im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien. Diesmal hat Bettina Jarasch unsere Fragen beantwortet.

Der Klimawandel wird unser aller Leben verändern. Wovor haben Sie am meisten Angst?

Ich habe keine Angst, aber mich treibt eine große Sorge um: dass wir durch die Folgen der Erderhitzung extremen Lebensbedingungen ausgesetzt sind – durch Dürre, Hitze und Unwetter, die ganze Landstriche unbewohnbar machen. Der Klimawandel belastet unser aller Gesundheit – vor allem aber die der Ärmsten und die vieler alter Menschen. Und deshalb ist der Kampf gegen den Klimawandel für mich auch eine soziale Frage!

Was tun Sie persönlich, um Ihre CO2-Bilanz zu senken?

Wann immer es geht, fahre ich Rad. Wir heizen so wenig wie möglich und versuchen wenig Plastikmüll zu produzieren. Manchmal schaffen wir das, manchmal auch nicht. Aber wir bemühen uns!

Worauf wollen Sie trotz Klimawandel nicht verzichten?

Ich bin keine Heilige. Manchmal esse ich Fleisch, manchmal fahre ich Auto. Ich versuche ein Leben zu führen, das nicht unnötig das Klima belastet, und gleichzeitig das Leben zu genießen.

Was muss sich in Ihrer Branche am dringendsten ändern?

Es muss endlich für alle im Senat und auch im Abgeordnetenhaus klar sein, dass Klimaschutz wirklich oberste Priorität hat. Ich will dafür nicht mehr auf den nächsten Hitzesommer oder das nächste schlimme Unwetter warten. Der Kabarettist Eckhard von Hirschhausen hat ein sehr einprägsames Bild für das verwendet, was uns allen blüht, wenn wir nicht konsequenter handeln: „Fragen Sie sich mal, weshalb alle Fieberthermometer die Temperatur nur bis 42 Grad Celsius anzeigen. Antwort: Wenn es noch heißer wird, ist der Mensch tot.“ So weit will ich es nicht kommen lassen.

Klima-Aktivisten blockieren regelmäßig Straßen in Berlin. Hilft das der Sache oder schadet es mehr?

Es schadet der Sache, denn wir diskutieren nur noch über die Aktionen und überhaupt nicht mehr über den Klimaschutz. Die Aktivisten treibt die Sorge um ihre Zukunft um, weil der Kampf gegen den Klimawandel nicht entschlossen genug geführt wird. Das kann ich verstehen. Aber mit Autobahnblockaden und Kartoffelbrei auf Kunstwerken gewinnt man niemanden für konsequenten Klimaschutz.

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Benjamin Pritzkuleit
Zur Person
Bettina Jarasch ist seit Dezember 2021 Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz. Vorher war sie vier Jahre lang Abgeordnete im Berliner Abgeordnetenhaus. Bei der Wahl im September – die im Februar wiederholt wird – trat sie als Kandidatin von Bündnis 90/Die Grünen für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin an. 

Können Sie sich Berlin ganz ohne Autos vorstellen?

Nein. Ganz ohne Autos wird es nicht gehen, denn wir alle brauchen Liefer- und Entsorgungsverkehr, Notärzte, Polizei, Feuerwehr, Handwerker, und es wird auch in Zukunft Menschen geben, die auf ein Auto angewiesen sind. Aber ich will ein Berlin ganz ohne Verbrennerautos und insgesamt mit viel weniger Autos.

Haben Sie vor, Ihr Auto abzuschaffen?

Ich habe mein privates Auto bereits abgeschafft, übrigens, bevor ich Senatorin mit Dienstwagen wurde. Bei Bedarf nutze ich Carsharing-Autos in der Nähe. Deshalb werde ich dafür sorgen, dass auch am Stadtrand mehr Carsharing angeboten wird.

Was erwarten Sie von der Politik – was sollte sie als dringendste Klimaschutzmaßnahme durchsetzen?

Das Wichtigste ist jetzt der schnelle Ersatz der fossilen durch erneuerbare Energieträger. Wir müssen alles nutzen, was hier verfügbar ist: Windenergie, Sonne, Erdwärme und auch Wasserstoff – damit die Wohnungen klimaneutral geheizt werden und die Heizkosten wieder sinken. Und damit die Industrie unabhängig wird vom Import fossiler Energien. Das kann eine Riesenchance, gerade für die Region Berlin-Brandenburg, sein!

Umweltminister Habeck duscht nur noch zwei Minuten. Wie lange stehen Sie noch unter der Dusche?

Ich dusche oft nur sehr kurz. Ehrlich gesagt nicht nur, um dabei Warmwasser zu sparen – sondern weil wir zu viert in einer Wohnung mit nur einem Bad leben.

Was ist Ihr bester klimaschonender Alltags-Tipp?

Ich hab von der Schornsteinfeger-Innung einen Adventskalender voller ganz praktischer Energiespartipps geschenkt bekommen, da lerne sogar ich als zuständige Senatorin viel Neues. Mein Tipp: Wir haben die Energiesparberatungen in Berlin ausgebaut, bei der Verbraucherzentrale oder auch beim Stromspar-Check der Caritas. Wer da hingeht, kann nicht nur viel Energie sparen, sondern bares Geld.

Berlin im Jahr 2030: Was muss geschehen, damit wir es in der Stadt auch dann noch aushalten?

Wir brauchen bis dahin eine Stadt mit viel mehr entsiegelten Flächen, wo statt Asphalt wieder Erde zu sehen ist, Pflanzen wachsen und der Regen versickern kann. Das sorgt für frische und saubere Luft, schattige kühle Plätze mit mehr Bäumen und Brunnen, an denen man sich in heißen Sommern ausruhen kann. Solche grünen Oasen will ich in allen Kiezen und Quartieren schaffen. Außerdem brauchen wir viel mehr grüne Dächer und Fassaden, die die Häuser im Sommer kühlen und im Winter isolieren. Dadurch sinkt der Energiebedarf durch Heizung und Klimaanlagen.


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