Der Sommer war zu heiß, der Herbst zu warm, das Jahr 2022 wieder viel zu trocken. Nur noch vier von hundert Bäumen in Berlin sind gesund. Das Klima verändert sich. Auch politisch bewegt das Thema die Stadt, 180.000 Menschen haben unterschrieben, dass Berlin schon 2030 klimaneutral werden soll, es wird einen Volksentscheid geben. Fast täglich blockiert die Protestgruppe Letzte Generation die Straßen.
Was sollen wir tun, um dem Klimawandel zu begegnen, wie soll sich Berlin verändern? Wir wollen in der Berliner Zeitung so viele Stimmen wie möglich zu Wort kommen lassen. Darunter auch die Spitzenkandidaten aller im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien. Diesmal hat Sebastian Czaja von der FDP unsere Fragen beantwortet.
Der Klimawandel wird unser aller Leben verändern. Wovor haben Sie am meisten Angst?
Ich nehme die Situation ernst und begreife die Dringlichkeit notwendiger Klimaschutzmaßnahmen, aber Angst habe ich nicht. Ich kann auch niemandem empfehlen, sich von Angst leiten zu lassen.
Was tun Sie persönlich, um Ihre CO₂-Bilanz zu senken?
Ich nutze Smart-Home-Systeme, die einem nicht nur das Leben leichter machen, sondern ganz nebenbei auch Energie sparen. Außerdem ist mein Arbeitsauto mittlerweile ein Elektrowagen und ich schaue schon, dass wir als Familie in der Freizeit oft den ÖPNV nutzen.
Worauf wollen Sie trotz Klimawandel nicht verzichten?
Autofahren. Ganz generell halte ich massiven Verzicht nicht für den geeigneten Weg für eine moderne Gesellschaft, um dem Problem des Klimawandels zu begegnen. Ich persönlich und auch die FDP setzen dabei vor allem auf Innovationen und technischen Fortschritt. Da ist noch ein weiter Weg vor uns, wir sind aber auch schon weit gekommen.
Was muss sich in Ihrer Branche am dringendsten ändern?
In der Politik müssen wir weg vom Mantra der Verbote hin zur massiven Förderung technischer Innovationen. Ich komme ursprünglich aus dem Handwerk und der Baubranche. Hier können wir zum Beispiel mit einem stärkeren Fokus auf eine konsequente Kreislaufwirtschaft noch mehr erreichen.
Klimaaktivisten blockieren regelmäßig Straßen in Berlin. Hilft das der Sache oder schadet es mehr?
Es schadet massiv, weil es vom Thema ablenkt. Niemand redet mehr über Klimaschutz. Es wird nur noch über die idiotischen Aktionen gesprochen. Außerdem schafft es Frust bei vielen Menschen und mindert so die Akzeptanz für das Thema. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, dass solch kriminelle Aktionen eine gute Idee sein könnten. Niemand steht über dem Gesetz, egal wie gut man es meint.

Können Sie sich Berlin ganz ohne Autos vorstellen?
Nein. Ich kann mir unser Berlin nicht ohne Individualverkehr vorstellen. Ob das in 100 Jahren noch Autos sein werden, das weiß ich nicht. Ich klammere mich nicht an der Technik Auto fest. An der grundlegenden Idee, individuell, selbstbestimmt, schnell und sicher von A nach B zu kommen, aber schon. Derzeit gewährleisten das Autos und Fahrräder, und solange das der Fall ist, werde ich auch dafür einstehen, dass das möglich bleibt.
Haben Sie vor, Ihr Auto abzuschaffen?
Nein.
Was erwarten Sie von der Politik – was sollte sie als dringendste Klimaschutzmaßnahme durchsetzen?
Eine massive Förderung technischer Innovationen in dieser Frage. Beim Thema Energiespeicherung gibt es fantastische Fortschritte – aber viel zu langsam. Hier kann und soll der Staat fördernd tätig werden. Wenn wir Energiespeicherung in gleicher Weise fördern würden, wie wir seit den 50er-Jahren die Forschung von Atomenergie gefördert haben, als es mit Franz Josef Strauß noch einen eigenen Atomminister gab, dann wären viele unserer Probleme wahrscheinlich schon gelöst.
Klimaschutzminister Habeck duscht nur noch zwei Minuten. Wie lange stehen Sie noch unter der Dusche?
Bis ich sauber bin.
Was ist Ihr bester, klimaschonender Alltagstipp?
Es ist nicht die Aufgabe von Politikern, von oben herab Alltagstipps zu verteilen, das halte ich für zynisch und auch nicht für zielführend. Die meisten Menschen sind doch bestens im Bilde, und wer Tipps braucht, wird bei Google welche finden.
Berlin im Jahr 2030: Was muss geschehen, damit wir es in der Stadt auch dann noch aushalten?
Um Berlin zukunftssicher zu machen, müssen die dringendsten Probleme endlich angegangen werden. Dazu gehört in erster Linie der Bau neuen Wohnraums. Hier hängen wir massiv hinterher, und wer nicht will, dass wie in großen US-Metropolen einem Teil der Mittelschicht die Obdachlosigkeit oder Verdrängung aufs Land droht, der muss bauen, bauen, bauen. Und zweitens: die Sicherung von Jobs. Der linke Teil der Berliner Politik erlaubt sich unverständlicherweise eine herablassende Abneigung gegenüber Wirtschaftstreibenden, die nicht in ihr Weltbild passen. Wir müssen aber alle, die bei uns wirtschaftlich tätig werden wollen, die Jobs schaffen und den Menschen ein auskömmliches Gehalt zahlen, willkommen heißen.
Alle Fragebögen finden sie unter: https://www.berliner-zeitung.de/topics/klimakrise
