Zwei Tage vor Russlands Angriff auf die Ukraine stellt Frank Peter Wilde sich in seinen zwei Quadratmeter großen Aufzug. Übers Gesicht hat er eine Putin-Maske gezogen, in der einen Hand hält er ein großes Küchenmesser und in der anderen sein Smartphone.
Es entsteht ein Foto, was der Anfang einer bewegenden Geschichte ist.
Frank Peter Wilde ist der Modestylist und Kostümbildner der deutschen Stars. Zu seinen Kunden gehören unter anderem Sängerin Sarah Connor, die Schauspielerinnen Heike Makatsch und Iris Berben sowie die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey. Der Kreuzberger Wilde hat in seiner langen Karriere zahlreiche nationale und internationale Film- und TV-Produktionen ausgestattet. In der Berliner Szene ist der 59 Jahre alte Stylist als schillernder Queer-Aktivist bekannt und wurde in diesem Jahr auf dem Berliner CSD mit dem „Soul of Stonewall Award 2022“ für sein aktivistisches Lebenswerk ausgezeichnet.
Mit Elevator-Pics zum deutschen Star in der Ukraine
Schon länger gestaltet Frank Peter Wilde für sein Instagram-Profil sogenannte Elevator-Pics. Fotos, die er vor einem verkratzten Spiegel in dem Fahrstuhl seines Kreuzberger Wohnhauses schießt. Mit seiner Mode, seinen Bewegungen und dem professionellen Blick für Ästhetik versucht der Stylist, Gesellschaftsthemen zu reflektieren. Mit dem Ausbruch des russischen Angriffskrieges ist seine ganze künstlerische Konzentration nun auf die Ukraine gelenkt. Mit ihren Menschen, der Kultur und dem Leid des Krieges.
Diese besondere Art der Sichtbarkeit, Solidarität und der Sensibilisierung für die Ukraine findet in der Ukraine sehr viel Applaus. Wildes Instagram-Profil ist seit Februar von 3900 auf über 100.000 Follower angewachsen. Die ukrainischen Medien sind von dieser Art der Unterstützung begeistert. Im Gegensatz zum russischen Staatsfernsehen. Mit einem betont homofeindlichen und hetzerischen Beitrag hat Putins Propagandasender am Dienstag über den Berliner berichtet.
Frank Wilde, Ihr erstes Foto entstand zwei Tage vor dem russischen Angriffskrieg. Zu einem Zeitpunkt, an dem Politiker nicht mit einem Angriff auf die Ukraine rechneten. Hatten Sie eine Vorahnung?
Ja, ich habe ganz sicher damit gerechnet. Wenn man die Politik beobachtet, dann wird man feststellen, dass Russland immer lügt. Wir haben das in Georgien, bei der Krim und in Syrien gesehen. In der deutschen Politik haben sich bestimmte Leute gerne dazu geäußert. Politiker der AfD und natürlich auch eine Sahra Wagenknecht, die zu allem ihren Senf dazugeben muss und von all dem keine Ahnung hat. Vor allem nicht von der Ukraine. So hat sie an dem Tag, als ich das erste Ukraine-Bild gemacht habe, noch davon geredet, dass Putin die Ukraine nie überfallen wird. Dies war zwei Tage vor dem russischen Angriffskrieg.

Wie sind die Reaktionen auf Ihre Bilder?
Nach den ersten Fotos hat mich eine ukrainische Journalistin des Village Magazins angeschrieben, dass sie gerne einen Artikel über mich schreiben möchte und ob ich mich kurz vorstellen könne. Ein paar Tage später ruft mich eine Freundin an und erzählt mir, dass der Artikel erschienen ist. Ich hatte die Mail der Journalistin schon vergessen. Auf meinem Profil bei Instagram war da die Followerzahl bereits von 4000 auf 8000 gestiegen. Der Artikel war sehr wohlwollend, sie haben tolle Bilder von meiner Elevator-Reihe veröffentlicht und mich zitiert: „He, ich bin Frank Wilde, 59 Jahre alt, homosexuell, arbeite als Stylist und lebe in Berlin.“
Seitdem steigt meine Followerzahl. Viele Ukrainer machen es mir nach und posten tolle Elevator-Pics. Ich bekomme unglaublichen Zuspruch aus der Ukraine. Auch andere Medien haben über mich berichtet, wie der größte ukrainische TV-Sender 1plus1, der einen Bericht über mich gezeigt hat.
Ich habe mich mit vielen Ukrainern und Organisationen vernetzt. Auch hier in Berlin mit den Verbänden „Voices of Ukraine“ und „Vitsche Berlin“. Zudem hat mich die Spenden-Initiative United 24 von Präsident Selenskyj angeschrieben, und ich freue mich, dass ich mit dieser großartigen Initiative mit internationalen Persönlichkeiten zusammenarbeiten darf. Für mich ist es eine Auszeichnung, da mein Lieblingsdesigner Demna Gvasalia vom berühmten Modehaus Balenciaga mit dazugehört.
Einige der Fahrstuhl-Bilder wurden in einer Benefiz-Ausstellung in Kiew gezeigt. Wie kam es dazu?
Einer der Organisatoren hat mich angeschrieben und erklärt, dass sie eine Benefiz-Ausstellung veranstalten wollen, in der Mode, Fotografien, Kunst, Porzellan und Skulpturen versteigert werden. Der Erlös soll dazu verwandt werden, die zerstörten Städte in der Ukraine wiederaufzubauen. Ich habe sofort zugesagt. Ich finde den Gedanken toll, dass das, was ich in meinem kleinen Fahrstuhl in Kreuzberg mache, dann international so durchbricht. Dass ich damit eine gute Sache, die mir am Herzen liegt, unterstützen kann.

Macht die queere Community genug, um sich mit den Ukrainern zu solidarisieren?
Ich muss fair sein. Ich glaube, dass die Community bemüht ist. Das Problem, das ich in Berlin sehe, ist, dass so viele kleine Organisationen und Einzelpersonen so wahnsinnig zerstritten sind und einer den anderen nichts gönnt. Was ich positiv erwähnen will, ist der CSD-Berlin e. V. Sie haben zur Pride-Week mit dem Verein Querteera einen ukrainischen Musikabend veranstaltet, wo zugunsten der Ukraine interessante Sachen versteigert wurden. Ich habe einen tollen kleinen Teppich versteigert. „Vitsche Berlin“ hatte einen eigenen CSD-Wagen und auf vielen Wagen war die Ukraine-Flagge zu sehen. Mit meinem Stonewall-Award konnte ich auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor vor Zehntausenden Menschen Solidarität mit der Ukraine zeigen. Für mich persönlich ein unglaublicher Moment.
Am Dienstag hat das russische Staatsfernsehen mit einem homofeindlichen Beitrag über Sie berichtet. Wie haben Sie das aufgenommen?
Ich habe in derselben Nacht diesen Ausschnitt zugeschickt bekommen und konnte es nicht einordnen, da ich auch kein Russisch spreche. Ein Freund hat es übersetzt. Der Propaganda-Sender macht sich über mich lustig und sagt: Schaut mal, so sehen die Unterstützer der Ukraine aus. Wenn die Ukraine solche Freunde hat, dann braucht sie auch keine Feinde mehr. Schaut, das ist der europäische Dreck, der unsere reine russische Seele vergiften will. Natürlich in einem sehr homofeindlichen Kontext. Ich finde, allein so was müsste für jeden queeren Menschen ein Grund sein, die Ukraine zu unterstützen.







