Der Regen peitscht hart gegen die Protestplakate der Demonstranten von Fridays for Future, als sie im Invalidenpark auf den Start ihrer Kundgebung am Freitagnachmittag warten; von vielen der handgemalten Schilder läuft bereits die Farbe. Es ist eine Szene, die die Stimmung unter vielen der Klimaaktivisten präzis zusammenfasst, wenn sie auf die letzte Woche zurückblicken. Erst scheiterte der lang erkämpfte Volksentscheid, der Berlin zu Klimaneutralität bis zum Jahr 2030 verpflichten sollte – dann wurden am Dienstag die Beschlüsse des Koalitionsausschusses der Bundesregierung bekannt.
Für die Klimaaktivisten hier auf dem Platz entschärfen diese Beschlüsse wohl das Klimaschutzgesetz. „Ich bin schon ein bisschen deprimiert“, sagt die Studentin Anna, 23. Vor allem die Streichung der Sektorziele, die nach Angaben der Bundesregierung für mehr „Flexibilität“ bei der Erreichung von Klimazielen sorgen soll, findet sie ein „fatales Signal“. So „furchtbar“ sie die Beschlüsse an sich auch findet: Die Wut über die Zugeständnisse der Grünen hat sie nur noch mehr motiviert, heute zu demonstrieren. „Mental hilft es einem schon, auf die Straße zu gehen.“
In dem Sinne ziehen sie zusammen mit etwa 2000 Demonstranten der Fridays-for-Future-Bewegung durch die Straßen des Berliner Stadtzentrums. Vertreter anderer Klimainitiativen sind auch dabei, wie etwa das Aktionsbündnis gegen den Ausbau der A100; viele der Ordner tragen rote Warnwesten mit dem Logo vom Volksentscheid des vergangenen Wochenendes. Nach dem Start im Invalidenpark geht es weiter zum Verkehrsministerium, zur Parteizentrale der FDP und anschließend zum Bundeskanzleramt. In vielen anderen Großstädten hatte die Bewegung zu weiteren Kundgebungen aufgerufen; auch andere Klimaschutzorganisationen wie etwa die Deutsche Umwelthilfe und Greenpeace haben die Beschlüsse des Koalitionsausschusses stark kritisiert.
Luisa Neubauer: „Diese Minister wissen nicht mal, wie man Klima buchstabiert“
Die erste Rede der Kundgebung hält die Aktivistin Luisa Neubauer im Invalidenpark. „Diese Beschlüsse haben uns aufgeweckt“, sagt sie. „Das ist bodenlos, was wir hier erleben.“ Hinter ihr halten weitere jungen Aktivisten ein Banner, das die Worte von Greta Thunberg zeigt: „Klimaziele abschaffen – how dare you?“ Nach vielen Jahren Kampf um das Klimaschutzgesetz werde dies jetzt umgesetzt von Ministern, so Neubauer, die „nicht mal wissen, wie man Klima buchstabiert“. Die entscheidendsten Elemente des Gesetzes seien mit den Beschlüssen „zerschreddert“ worden, sagte sie zu lauten Buhrufen vor ihrem Publikum.

Im Anschluss auf die Rede von Neubauer marschieren die Aktivisten die kurze Entfernung weiter zum Verkehrsministerium, wo sie eine Petition mit mehr als 200.000 Unterschriften für den Rücktritt Volker Wissings (FDP) als Verkehrsminister übergeben wollen. Wegen des Beschlusses zur teilweisen Beschleunigung des Autobahnausbaus wird Wissing insbesondere zum Objekt des Zorns der Demonstranten; auf einem Protestschild ist sein Kopf auf den Körper eines T-Rex geklebt, er wird als „der Dinosaurier der Verkehrspolitik“ bezeichnet. Wissing solle seinen Posten räumen, forderten Aktivisten immer wieder am Mikrofon, und Platz machen für jemanden, der in ihren Augen die viel versprochene „Verkehrswende“ wirklich voranbringen würde.
Auf dem weiteren Weg zur Parteizentrale der FDP skandieren die Demonstranten: „Ganz Berlin hasst die FPD“. Diese betreibe jetzt nur „Klientelpolitik für Autofahrer“, so die Aktivistin Lara Eckstein von der Kampagnengruppe Campact, die die Petition für die Entlassung Wissings mit organisiert hat. Doch die zwei anderen Koalitionsparteien der Ampel kamen auch nicht von der Aktion ungeschoren davon. „An die Grüne – wo seid ihr, wenn wir euch brauchen?,“ fragt Eckstein. „Und wo ist jetzt der sogenannte Klimakanzler?“ Olaf Scholz (SPD) habe die Klimaziele verraten – „als Geschenk an die FDP“.






