Mobilität

29-Euro-Ticket vor dem Aus: Debatte über Weiterführung auf Juni vertagt

SPD und CDU wollen, dass das Berliner Sonderangebot im Sommer neu aufgelegt wird. Das dürfte schwierig werden. In Brandenburg gibt es weiter Widerstand.

Berliner Nahverkehr in Aktion: In Wuhletal treffen sich eine U-Bahn der BVG und eine S-Bahn.
Berliner Nahverkehr in Aktion: In Wuhletal treffen sich eine U-Bahn der BVG und eine S-Bahn.Sabine Gudath

So viel steht fest: Das 29-Euro-Aboticket für Berlin wird nach sieben Monaten aus dem Programm genommen. Das Angebot gilt bis 30. April 2023, dann ist wie angekündigt Schluss. Die große Koalition, die in Berlin neu entsteht, möchte es wieder aufnehmen. Doch nach der jüngsten Sitzung des Aufsichtsrats des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) ist das keineswegs gesichert. Im Gegenteil: Wie die Berliner Zeitung erfuhr, gibt es im Land Brandenburg weiterhin Widerstand. Das Thema wurde vertagt.

Am Donnerstag stand das heikle Thema im VBB-Aufsichtsrat auf der Tagesordnung. Allerdings lag den Teilnehmern aus den Ländern Berlin und Brandenburg, Landkreisen und kreisfreien Städten keine Vorlage zur Entscheidung vor. Das ließ schon erwarten, dass es bei dieser Sitzung keinen Beschluss geben wird.

Stattdessen ging es um die Besprechungsunterlage, die der Vertreter der Berliner Senatskanzlei mitgebracht hatte, erfuhr die Berliner Zeitung. Dort waren Fakten zum 29-Euro-Aboticket zusammengestellt – unter anderem zu den möglichen Kosten.

„Die Debatte war intensiv“, so ein Bericht. Aufsichtsratsmitglieder aus dem Land Brandenburg bekräftigten ihre Ablehnung. Das preiswerte Berliner Angebot habe dazu geführt, dass Stammkunden ihre Abos und Jahreskarten bei Brandenburger Verkehrsbetrieben gekündigt hätten, gaben sie zu bedenken. Durch den Umstieg auf das 29-Euro-Ticket seien den regionalen Busbetreibern hohe Einnahmen verloren gegangen. Werde das Angebot fortgeführt, seien weitere Verluste zu befürchten.

Brandenburger Landräte verlangen mehr Geld von der Landesregierung

Allerdings waren die Reihen der Brandenburger Delegierten nicht geschlossen. Landräte schlugen vor, den Geltungsbereich des 29-Euro-Tickets künftig größer zu fassen. Es sollte sich nicht nur wie bisher auf das Tarifgebiet Berlin AB beschränken, sondern mit Berlin C auch das benachbarte Umland umfassen. „Das würde aber bedeuten, dass das Land Brandenburg mehr Geld für den öffentlichen Verkehr bereitstellt“, hieß es. Andere Landräte nutzten den Verlauf der Debatte dazu, für kommunale Verkehrsunternehmen im Land Brandenburg höhere Landeszuschüsse zu verlangen. Die Brandenburger Betriebe werden von der Regierung in Potsdam traditionell kurzgehalten.

„Die Landräte haben den Ball aufgenommen und zurückgespielt“, lautete das Fazit. Was den weiteren Ablauf anbelangt, so stünde derzeit nur fest, dass es während der nächsten Aufsichtsratssitzung im Juni wieder um das Berliner 29-Euro-Aboticket gehen wird. Ob dann auch ein Beschluss gefasst wird, gilt als ungewiss. „Selbst wenn im Juni grünes Licht gegeben würde, bräuchten die Verkehrsbetriebe einige Zeit, um den Vertrieb vorzubereiten“, hieß es. Dafür seien mehrere Monate zu kalkulieren.

Land Berlin müsste jährlich bis zu 779 Millionen Euro zahlen

Bis dahin stehen weitere Debatten an. Dabei dürfte es auch um die Frage gehen, ob das Geld nicht besser in neue Anlagen und Strecken investiert werden sollte. „Brandenburger fragten, ob es künftig noch genug Mittel für das Investitionsprogramm i2030 geben würde“, so eine Darstellung aus dem Aufsichtsrat.

Wie berichtet hat die derzeit noch von den Grünen geleitete Senatsverwaltung für Mobilität die Kosten einer Fortführung des 29-Euro-Abotickets durchgerechnet. Die direkten Kosten werden mit 276 Millionen bis 302 Millionen Euro kalkuliert, heißt es in einem Papier, das der Berliner Zeitung vorliegt. Preisstand: 2023. Weil der Druck wächst, außer Umweltkartenabos auch andere Tickets zu verbilligen, wären Folgekosten von 33 Millionen und 168 Millionen Euro pro Jahr zu erwarten. Die weiteren Ticketsubventionen, die in Berlin zu zahlen wären, würden sich jährlich auf 309 Millionen Euro summieren. Dazu zählt der Beitrag des Landes zum Deutschlandticket, der auf jeden Fall zu zahlen ist. Er beläuft sich auf 135,7 Millionen Euro pro Jahr.

Unterm Strich würden sich die jährlichen Kosten für das Land je nach Szenario auf 618 Millionen bis 779 Millionen Euro summieren, so die Kalkulation aus der Verwaltung von Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne). Jarasch wird den Posten verlassen. Aller Voraussicht nach wird ihr Posten von der CDU besetzt.

Linke-Politiker: Die Berliner SPD bricht ihr zentrales Wahlversprechen

„Da der VBB das Thema 29-Euro-Ticket vertagt hat, ist unvermeidbar, dass das Ticket Ende April auslaufen wird“, kommentierte der Linke-Politiker Kristian Ronneburg am Freitag. „Damit bricht die SPD ihr zentrales Wahlversprechen, noch bevor die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind. Es ist damit auch die erste gemeinsame Niederlage der vermutlichen Koalitionspartner CDU und SPD, die sich noch vor wenigen Tagen in den Sondierungen darauf verständigt hatten, das 29-Euro-Ticket weiterzuführen.“

Franziska Giffeys Plan, das 29-Euro-Ticket Berlin AB zu einem späteren Zeitpunkt im Sommer fortzuführen, sei „unrealistisch“, so Ronneburg. „Jetzt muss der künftige Berliner Senat schnellstmöglich mit Brandenburg das VBB-Tarifsystem nach Einführung des bundesweit gültigen 49-Euro-Tickets ab 1. Mai grundlegend überarbeiten. Damit wäre es dann auch künftig möglich, den Berlinerinnen und Berlinern ein bundesweit gültiges 29-Euro-Ticket anzubieten.“

Eines ist klar: Am Montag beginnt auch in Berlin und Brandenburg der Verkauf des Deutschlandtickets. Mit dem neuen Abo für 49 Euro im Monat darf der Nah- und Regionalverkehr in ganz Deutschland genutzt werden.