Auf der Friedrichstraße kniet am Montagmorgen ein älterer Mann mit Akkuschrauber in der Hand und schraubt ein rund 130 Kilogramm schweres magentafarbenes Schild an, auf dem „Regeln für ein gutes Miteinander in der Friedrichstraße“ steht. Laut diesem Schild haben Fußgänger hier Vorrang, Fahrräder müssen Schritttempo fahren, Lieferverkehr darf die Straße nur noch queren. „Mal sehen, wie lange die Dinger diesmal hier stehen“, sagt der Mann, der sich als Herr Rädel vorstellt. Eine telefonierende Frau bleibt neben ihm stehen, nimmt ihr Handy runter und erwidert: „In ein paar Wochen sind sie sicher wieder weg.“
Nun sind sie also erst mal wieder da: die Gitter und Schilder an der Friedrichstraße, die Autos am Durchfahren hindern sollen und die für so viel Gesprächsstoff und erhitzte Gemüter gesorgt haben in den vergangenen Monaten. Pkw oder Fußgänger – oder doch besser Fahrradfahrer? Kaum ein anderes Verkehrsthema hat für solch ideologische Gräbenkämpfe gesorgt, wie die Diskussion um die Verkehrsberuhigung in der Friedrichstraße.
Nachdem sie seit Sommer 2020 zwei Jahre lang vornehmlich als Fahrradschnellstraße genutzt worden war, musste das Projekt Ende 2022 durch einen Beschluss des Berliner Verwaltungsgerichts auf Eis gelegt werden. Vor etwa einer Woche dann kündigte die Verkehrssenatorin und Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch mitten im Wahlkampf an, man wolle die Straße zur Fußgängerzone umwidmen. Zumindest einen Teil der Straße. Um genau zu sein: 500 Meter.

Vom heutigen Montag an ist also die Friedrichstraße auf fünf Blocks, zwischen Französischer und Leipziger Straße, für Autos nicht mehr befahrbar. Mit Ausnahmen. Denn noch immer und auch in Zukunft sollen Anlieger von den Querstraßen aus mit ihren Autos auf die Friedrichstraße fahren dürfen. Lieferanten sollen weiter ihre Lieferungen zu den Geschäften bringen können. Und auch Fahrradfahrer sind weiterhin hier unterwegs. Zwar sollen sie eigentlich auf die parallele Charlottenstraße ausweichen, die extra zur Fahrradstraße umfunktioniert wurde – aber wer will das kontrollieren?
An diesem ersten Montag gehen die meisten Passanten jedenfalls noch auf dem Gehweg. Für eine Fußgängerzone ist auch noch relativ viel Verkehr auf der Straße. Es ist kühl, der Januarwind weht scharf durch die Häuserschlucht. Bisher lädt nichts zum Verweilen ein. Im Gegenteil, einige Geschäfte haben geschlossen oder sind im Räumungsschlussverkauf. Auch Doris H. eilt mehr, als dass sie geht, mit eng zusammengezogener Jacke. Sie wohnt gleich hier um die Ecke in der Jägerstraße, schon seit 15 Jahren. Sie ist aufgebracht. „Das ist der Todesstoß für die Gewerbetreibenden“, sagt sie. Es wolle doch niemand einkaufen und all die Tüten dann „kilometerweit zum Parkhaus schleppen“.
„Unsinn“, findet wiederum eine Frau namens Antje Osterburg. Sie arbeitet für das Planungsbüro, das die Umgestaltung zur Fußgängerzone begleitet. „Die Straße braucht einen Neustart“, sagt sie. Ein richtiges Argument, warum Autos auf der Friedrichstraße gut für das Geschäft seien, gebe es doch gar nicht. Stattdessen gebe es nun Konzepte für die etwa zehn Gastronomien auf dem Abschnitt, die ihre Ladenflächen auf die Straße erweitern könnten und so mehr Besucher anziehen würden. Blumenkübel seien geplant, insgesamt solle die Straße sehr viel grüner werden. Mehr Besucher würden auch zu mehr Kunden in den Geschäften führen.





