Sie ist 550 Meter lang, auf ihr stehen 32 Restaurants und Bars, unzählige Terrassenflächen – und eigentlich ist hier an sieben Abenden in der Woche Lärm. So könnte man die Oderberger Straße im Prenzlauer Berg beschreiben. Eine junge Mieterin im ersten Stock über einem Lokal könne immer erst schlafen, wenn der Betrieb geschlossen und aufgeräumt habe, gegen zwei, drei Uhr nachts. Eine andere Anwohnerin höre jede Nacht, wie am frühen Morgen lautstark der Müll des Restaurants entsorgt werde. Diese Szenarien beschreibt Lars Nickel der Berliner Zeitung. Er ist vor 33 Jahren dort hingezogen, „da war das noch anders“. Nur die Feuerwache, die gab es damals schon, es ist die älteste Berlins. Laut war die schon lange.
Lars Nickel ist Teil der Bürgerinitiative „Mach mal halblaut“. Denn ihm und vielen Leuten in der Straße, die er kenne, sei es dort mittlerweile zu laut. „Der Lärm innerhalb der normalen Geschäftszeiten, der ist gar nicht das Problem“, stellt er klar, „ich habe mich noch nie darüber beschwert, dass ein Restaurant bis 22 Uhr offen ist.“ Doch der Lärm verlagere sich. Öffnungszeiten dehnten sich aus, Tische und Bänke blieben auch nach Ladenschluss draußen und laden auf den großen Terrassenflächen zum Hinsetzen ein.
Nickel ist der Meinung, dass er und die anderen Einwohner mit ihrem Anliegen, nachts nicht schlafen zu können, im Recht liege. Deshalb gründete er die Initiative. An die Anwohner der Oderberger Straße verteilt er Informationszettel und die Bürger werden dazu ermutigt, sich bei Lärm an das Bezirksamt, die Polizei oder das Ordnungsamt zu wenden. Ein Vordruck mit einer Lärmanzeige wird direkt mitgegeben. Nickel möchte so die Bürger untereinander vernetzen und sammele gleichzeitig noch Unterschriften, um das Thema auch auf einem weiteren Weg präsent zu halten.
Dem zuständigen Polizeiabschnitt, an den sich die Bewohner der Oderberger Straße laut der Bürgerinitiative wenden sollen, liege allerdings bisher nur eine Anzeige eines Beschwerdeführers vor. „Zudem wurden hier im Zeitraum vom 1. Juni bis 26. Juli 2023 insgesamt drei Ordnungswidrigkeitsverfahren aufgrund von Lärmanzeigen eingeleitet“, sagt die Berliner Polizei auf Anfrage der Berliner Zeitung. Die verteilten Zettel der Initiative kenne die Polizei nicht.

Wegen des Lärms mitten in der Nacht habe Lars Nickel schon oft die Polizei gerufen. Das Ordnungsamt sei um diese Zeit für die Regelverstöße nicht mehr zuständig. Die Polizei ließe nachts um zwei Uhr auf sich warten, es brauche oft mehrere Anrufe, bis tatsächlich ein Einsatzwagen geschickt werde. Ihm habe die Polizei gesagt, dass sie um die Zeit nur wegen solcher Beschwerden unterwegs sei. Bis sie dann aber da sei, irgendwann gegen drei Uhr, wären die meisten dann aber schon gegangen, erzählt Nickel.
Nickel habe den Eindruck, dass man das Pferd von hinten aufzäume: „Es wäre viel einfacher, wenn man die Restaurants dazu verpflichte, ihre Möbel hochzustellen.“ Diese Regelung gibt es aber nicht, „das müsste in den Sondernutzungsvereinbarungen der Schankvorgärten stehen, tut es aber nicht“, sagt Nickel. Mithilfe eines Anwalts habe er Einsicht in zwei solcher Vereinbarungen bekommen.
Was ist denn überhaupt erlaubt?
Grundsätzlich gibt es in Berlin sogenannte Immissionsrichtwerte für Gewerbelärm, die nicht überschritten werden dürfen. Küchengeräte, Musikanlagen, Klima-, Lüftungstechnik und Ähnliches dürfen in Mischgebieten, wo also auch gewohnt wird, tagsüber von 6 bis 22 Uhr den Richtwert von 60 Dezibel (eine normale Gesprächslautstärke) nicht überschreiten. Nachts, von 22 bis 6 Uhr, sinkt der Wert auf 45 dB (eine ruhige Wohnung, ein Wohnviertel ohne Straßenverkehr). Für seltene Ereignisse dürfen Ausnahmen gemacht und tags und nachts 70 dB (Großraumbüro) erreicht werden. Das darf den Immissionsrichtwerten zufolge aber nicht mehr als zehn Tage oder Nächte eines Kalenderjahres und nicht an mehr als zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden.
Durch laute Gespräche verursachter Lärm von Gästen ist laut den Vorschriften in Berlin von 22 bis 6 Uhr an Werktagen sowie an Sonn- und Feiertagen ganztägig verboten.
Schankvorgärten, die es in der Oderberger Straße auch gibt, haben keine generelle zeitliche Beschränkung bis 22 Uhr, wie zum Beispiel Restaurants. Sie müssen aber trotzdem die geltenden Immissionsrichtwerte für Gewerbelärm einhalten. Ausnahmezulassungen können aber normalerweise für Freitag und Samstag bis 24 Uhr und für die übrigen Tage bis 23 Uhr erteilt werden.
Das mexikanische Restaurant und die Cocktailbar „PocoLoco“ in der Oderberger Straße hat täglich bis ein Uhr nachts geöffnet. Lars Nickel stört das. Ihm zufolge sei der Lärm auch eine Belastung für die Anwohner des Hauses. Es ist das Lokal welches die Mieterin nicht schlafen lässt und wo der Müll lautstark entsorgt werde.
Dem Restaurantteam zufolge sei es dem Betrieb ein Anliegen, die Lautstärke auf der Terrasse ab 22 Uhr zu senken, sagt es der Berliner Zeitung. Man stelle die Musik leiser oder aus. Auch verteile man an die Gäste ein Informationsblatt, in dem darauf hingewiesen werde, dass die Lautstärke ab 22 Uhr gesenkt werden muss. „Das ist nicht verhandelbar“, so das Team. Die Gäste bitte man, sich im Lokal hinzusetzen. „Wenn Gäste dem nicht nachkommen, werden sie gebeten zu bezahlen und das Restaurant zu verlassen“, heißt es vonseiten der Bar.
Das Lärmproblem ist in Berlin häufiger vertreten
Auf die Vernunft der Gäste zu pochen ist aber häufig nicht nachhaltig zielführend. Das zeigen auch Beispiele aus anderen Berliner Partystraßen, bei denen die Lärmbelästigung seit Jahren Streit auslöst.
Die Simon-Dach-Straße in Friedrichshain ist auch eine dieser besonders belebten Ecken Berlins. Im Jahr 2015 versuchten bereits Pantomime-Künstler, für gegenseitiges Verständnis und Ruhe zu werben, Gespräche zwischen Kneipenbetreibern und Anwohnern wurden geführt. Gebracht hat das alles nichts. Darum wurde 2018 eine Allgemeinverfügung erlassen, die den Außenausschank nur noch bis 23 Uhr erlaubt. Dann muss alles aufgeräumt und die Gäste drinnen oder weg sein. Ob sich alle daran halten und inwieweit das kontrolliert wird, ist eine andere Frage.

Ein anderes Modellprojekt startete erst Anfang des Monats. An der Admiralbrücke in Kreuzberg wurde der „Lärmomat“ aufgestellt. Der soll die feiernden Menschen dazu animieren, leiser zu sein und die Anwohner weniger zu nerven. Der Automat misst den Geräuschpegel in der Nacht und leuchtet rot, wenn es zu laut ist. Ein Schriftzug auf dem Display mahnt, leiser zu sein. Der Versuch geht zunächst bis Oktober. Bisher aber bemerkten viele Leute den „Lärmomaten“ gar nicht oder wüssten nicht, was das rote Licht bedeute, berichtet der RBB.




