Dienstags zwischen 10 und 13 Uhr klingelt bei Hasibe Dündar das Telefon unentwegt. Dann ist die Nummer der Energierechtsberatung geschaltet: 214 85-200, zum Ortstarif. Und dann klärt die Juristin der Verbraucherzentrale Berlin Fälle im Akkordtempo. Seitdem vor einem Jahr der deutsche Energiemarkt durch Preiserhöhungen und Kündigungen heftig in Bewegung geriet, rufen immer mehr Berlinerinnen und Berliner um Hilfe. Um den stark gestiegenen Beratungsbedarf zu decken, haben die Verbraucherschützer im Oktober diese kostenlose Notnummer eingeführt.
Dutzende Gespräche führt Hasibe Dündar in den drei Stunden, immer „maximal zehn Minuten, da mir keine Unterlagen vorliegen“. Für die längeren Gespräche, in denen die Beraterinnen und Berater auch Briefe formulieren und Rechnungen prüfen, verweist sie auf die persönliche Beratung, für diese müssen Termine gebucht werden.
Kräftig aufgerüstet hat die Verbraucherzentrale auch in diesem Bereich. „Früher reichte einmal pro Woche Beratung, heute müssen wir fast täglich die Probleme des sich unentwegt verändernden Energiemarktes lösen“, sagt Hasibe Dündar.
Dass der Bedarf enorm gestiegen ist, bestätigt ihre Kollegin Elisabeth Grauel von der Energieschuldenberatung. Dort kümmert man sich, wenn die Situation bereits eskaliert ist und der Energieversorger wegen Schulden eine Sperre androht. „Wir verzeichnen bei den Energieschulden einen Anstieg des Beratungsbedarfs um circa 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr 2021.“ Noch zahlreicher seien die Anfragen zu Problemen und Zahlungsschwierigkeiten bei Gasverträgen. „Sie sind im Vergleich zum Vorjahr um über 50 Prozent gestiegen“, sagt Grauel.
Die Not kommt nicht überraschend, die Energiepreise sind in schwindelerregende Höhen gestiegen. Hasibe Dündar rechnet vor, dass vor einem Jahr die Kilowattstunde Gas 5 bis 7 Cent kostete. „Jetzt liegen wir bei 18 bis 20 Cent, aber ich habe auch schon bis zu 40 Cent gesehen.“ Ähnliches spielt sich beim Strom ab. „27 bis 32 Cent – das ist lange her, augenblicklich sind 50 bis 60 Cent pro Kilowattstunde der Marktdurchschnittspreis.“
Versorger übertölpeln mit kreativen Tricks
Es sind nicht nur die heftigen Preissprünge, die den Verbrauchern Sorgen machen. „Die Versorger arbeiten auch mit kreativen Tricks, die selbst im Thema Geübte übertölpeln“, berichtet die Juristin. „Abschlagszahlungen werden einfach erhöht und darüber wird nicht einmal informiert.“ Man bemerkt es im ärgsten Fall erst auf dem Kontoauszug. „Dabei ist nicht in jedem Vertrag ein Preisänderungsrecht enthalten. Und wenn, muss der Versorger trotzdem eine Preiserhöhung mitteilen. Vier Wochen, bevor sie wirksam wird.“
Selbst Preisgarantien schützen nicht, viele Anbieter versuchen es dennoch dreist mit einem Vertragsbruch. Da hilft nur noch, Widerspruch einzulegen und sich an die Schlichtungsstelle Energie zu wenden (Tel.: 030 27 57 240–0).
Zu den weiteren Informationen, die der Energieversorger geben muss, gehört, „dass die Preiserhöhung verständlich und transparent erfolgen muss“. Verständlich und transparent muss dabei auch der Grund der Erhöhung sein. Dass die Beschaffungskosten gestiegen seien, so Dündar, sei nachvollziehbar und akzeptabel. Aber ein Anstieg der Entgelte nicht. Hasibe Dündar rät, solche Begründungen stets selbst zu überprüfen. Dabei helfen Informationen der Bundesnetzagentur und aus den Medien.
Zu den weiteren Formalien, die eine Preiserhöhungsmitteilung erst rechtlich wirksam machen, gehört der Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht. Das gewährt die Freiheit der Entscheidung, schnell zu kündigen. Eine solche schnelle Entscheidung kann aber auch falsch sein, und eine Rücknahme der Kündigung ist nicht möglich. Wer zu spät feststellt, dass sich nichts Besseres findet, dem bleibt nur noch der Gang zum regionalen Grundversorger. Allerdings: Die sind zurzeit sogar preiswerter, auch wenn sie gerade erhöhen – das ist eine der wenigen guten Nachrichten.
Im Falle der Ankündigung einer Preiserhöhung sollte man auf Vergleichsportalen im Internet schauen, wer zukünftig als Energieversorger infrage kommen könnte. Mehr aber sollte man dort auf den Portalen nicht erledigen. „Die Vergleiche beinhalten manchmal nicht die tagesaktuellen Preise“, sagt Hasibe Dündar. Den endgültigen Vertragsabschluss tätigt man sicherheitshalber besser bei den Versorgern selbst.
Telefonwerbung ohne vorherige Erlaubnis des Anschlussbesitzers ist verboten
In den Alarmzustand während eines Beratungsgespräches, sagt Hasibe Dündar, versetzen sie drei Firmennamen: Voxenergie, Primastrom und Nowenergy. Die Juristin warnt: „Sie sind dubios und extremst in ihrer Art und Weise, Kunden zu gewinnen, überrumpeln am Telefon mit Lockangeboten.“ Dabei ist Telefonwerbung ohne vorherige Erlaubnis des Anschlussbesitzers verboten und stellt eine Ordnungswidrigkeit dar.
Genauso gilt seit der Gesetzesänderung im Juli 2021, dass am Telefon keine Energielieferverträge abgeschlossen werden dürfen. „Die Verträge müssen in Textform, ob als SMS, per E-Mail oder auf Papier, vorliegen“, sagt Hasibe Dündar.
Eine ausführliche persönliche Beratung bei der Verbraucherzentrale Berlin kostet 20 Euro; Terminbuchung: 030 214 85-0/Montag bis Freitag 10–16 Uhr.








