Jan Böhmermann hat in der Sendung vom Freitag die Berliner Zeitung mehrfach in die Kamera gehalten und daraus einige Zitate gebracht. Wegen der Kurzlebigkeit des TV-Geschäfts bringen wir für alle Fans und Interessierten den vollständigen Artikel, den Böhmermann in Auszügen vortrug, noch einmal im Wortlaut.
Die in dem Artikel gestellten Fragen sind bis heute nicht beantwortet, wir bleiben dran.
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Der Artikel erschien unter der Überschrift:
Böhmermanns dubiose Geschäfte: Ist Steuergeld im Spiel?
Vom 27. September bis 19. Oktober 2025 präsentieren „Jan Böhmermann & Gruppe Royale, bekannt durch das ‚ZDF Magazin Royale‘, im Haus der Kulturen der Welt (HKW) in Berlin die Ausstellung ‚Die Möglichkeit der Unvernunft‘“. Das teilt das HKW mit und will am Samstag in einer Pressekonferenz eine Vorschau auf das Programm geben. Das HKW will „als Raum für ein dreiwöchiges Kunst- und Kulturprogramm“, welches von Böhmermann „kuratiert“ werden soll, auftreten. Es soll „fünf Kanzleramts-Konzerte auf der Dachterrasse, zwei Gesprächsabende mit Jan Böhmermann und zum krönenden Abschluss ,24HKW‘ – ein 24-stündiges Live-Programm aus dem Herzen der Schwangeren Auster“ geben. Hier treten 18 Acts in 24 Stunden auf – ohne Pause! Das HKW sagt, das Programm sei „für alle, die Kunst erleben wollen, bevor sie etikettiert, editiert oder erklärt wurde“. Die „Gespräche“ wird Böhmermann mit Kulturstaatsminister Wolfram Weimer und Promi-Anwalt Christian Schertz führen. Schertz beantwortete bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht, ob er für den Auftritt ein Honorar erhält.
Über die Finanzierung der Ausstellung wollen die Beteiligten lieber schweigen. Allerdings ist klar, dass Böhmermann mit seinen neuen Aktivitäten nun nicht mehr nur durch die ZDF-Gebührengelder, sondern direkt mit Steuergeldern finanziert wird. Das Haus der Kulturen der Welt gehört zur Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH, die aus dem Etat des Kulturstaatsministers finanziert wird. Weimer ist Aufsichtsratsvorsitzender der GmbH. Eine Sprecherin des Ministeriums behauptete in einer Antwort an Nius, die Ausstellung selbst werde nicht gesondert gefördert. Sie räumte jedoch ein, dass das HKW mit rund 57 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt finanziert werde. Der Pressesprecher des HKW wollte sich auf Anfrage der Berliner Zeitung nicht äußern und verwies auf die Pressekonferenz am Samstag. Das HKW sieht sich demnach außer Stande, die Frage, ob man Mitveranstalter sei, mit Ja oder Nein zu beantworten. Da die Ankündigung der Veranstaltung auf HKW-Briefpapier erfolgte, ist klar: Der Steuerzahler finanziert Böhmermanns Auftritte mindestens mit. Das ZDF antworte bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht auf die Frage, ob man ausschließen könne, dass auch Gebührengelder für die Show im HKW eingesetzt werden. (Update Freitag, 26.9., 9:40 Uhr: Das ZDF schreibt: „Die von Ihnen angeführte Veranstaltung im Haus der Kulturen der Welt wird weder vom ZDF veranstaltet, noch sind wir in deren Abwicklung oder Finanzierung involviert.“)
Immerhin: Die Berliner Zeitung darf all diese Fragen am Samstag stellen. Das ist nicht selbstverständlich: Böhmermanns Truppe, die alle Anfragen der Berliner Zeitung bis zum Reaktionsschluss dieser Ausgabe unbeantwortet ließ, hatte versucht, die Berliner Zeitung von der Pressekonferenz fernzuhalten. Am Donnerstag entschuldigte sich ein HKW-Sprecher für die „Verwirrung“.
Die „Verwirrung“ scheint kein Zufall zu sein: Böhmermann will offenbar seinen Kreuzzug gegen unabhängige Medien nun auch mit Steuergeldern finanzieren; zeitgleich mit unseren Anfragen schickte Jan Böhmermann einige „Fragen“ an die Berliner Zeitung, in denen der Satiriker einzelne Redakteure dieser Zeitung attackiert und ihr unterschwellig eine finstere russisch-ungarische Verschwörung andichtet. Wir dokumentieren im folgenden die Fragen und unsere Antworten.
Böhmermanns Anfrage an die Berliner Zeitung
Die Redaktion des „Magazin Royale“, die Sendung des Komikers Jan Böhmermann, hat sich im Rahmen einer Recherche zur Berliner Zeitung und ihrem Verleger Holger Friedrich mit Fragen an uns gewandt. Wir haben in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass diese Form der Fragenkataloge eher der juristischen Absicherung der anfragenden Medien dienen, als dass sie von ehrlichem Erkenntnisinteresse getrieben wären. Wir machen es daran fest, dass unsere Antworten auf bisherige Fragenkataloge zum Beispiel des Spiegels oder der FAZ ausnahmslos auszugsweise und, so finden wir, oftmals sinnentstellend wiedergegeben wurden. Im Ergebnis haben wir stets festgestellt, dass es für die entsprechende Berichterstattung über uns effektiv egal war, ob wir Fragen beantworten, oder nicht.

Das halten wir für bedauerlich, denn eine umfassende und objektive Berichterstattung, wie sie der Auftrag des ÖRR ist, entsteht so nicht. Im Sinne der Transparenz sowohl gegenüber unseren Lesern und gegenüber den Gebührenzahlern, die das „Magazin Royale“ beziehungsweise die dieses Satire-Magazin produzierende Firma Unterhaltungsfernsehen Ehrenfeld UE GmbH finanzieren, veröffentlichen wir daher an dieser Stelle die Fragen der Redaktion des „Magazin Royale“ sowie unsere Antworten darauf.
Die E-Mail mit der ursprünglichen Anfrage sowie den Namen des anfragenden Mitglieds der „Magazin Royale“-Redaktion veröffentlichen wir aus Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person nicht.
Frage 1: Am 11. Oktober 2022 diskutierten Sie (gemeint ist Holger Friedrich, Verleger der Berliner Zeitung; Anm. d. Red.) zusammen mit Alexander Marguier vom Cicero mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán (siehe hier): Welchen redaktionellen Nutzen sehen Sie in solchen Begegnungen?
Zu unserem Verständnis objektiver und unabhängiger Publizistik gehört, eine Vielzahl von Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Herr Orbán äußerte in unserem damaligen Gespräch unter anderem erstmals öffentlich die Einschätzung, der Krieg Russlands gegen die Ukraine könne nur zwischen Russland und den USA beigelegt werden. Diese, insbesondere für die ukrainische Bevölkerung schmerzhafte Wahrheit, die unter größten Opfern unter der russischen Invasion leidet, konnte so ihren Weg in den politischen und medialen Diskurs in Deutschland finden.
Frage 2: Im Mai 2023 waren Sie zu Gast bei einem Empfang in der Russischen Botschaft (siehe hier). Warum sind Sie der Einladung gefolgt?
Holger Friedrich ist an diesem Tag nacheinander drei Einladungen gefolgt: einer in die israelische Botschaft, einer U.S.-Veranstaltung der Familie Bush sowie einer in die russische Botschaft. Seine Eindrücke aller drei Termine hat er im Nachgang in der Berliner Zeitung [siehe hier] veröffentlicht.
Der offene Austausch von Argumenten, ein deutliches Bekenntnis zur Gewaltfreiheit und das Nutzen von Gesprächsmöglichkeiten zur Vermittlung dieser Positionen ist ein Privileg unserer demokratischen Gesellschaft. Wir weichen vor keinem inhaltlichen Austausch zurück, halten Gewalt zur Durchsetzung partikularer Interessen für inakzeptabel sowie die Durchsetzung von Denk- und Sprechverboten für wenig zielführend. Holger Friedrich hat die mit dieser Einladung verbundene Chance zum Austausch ergriffen und dem russischen Botschafter diesen Standpunkt mitgeteilt.
Die Berliner Zeitung war im Übrigen das einzige Medium, welches an diesem Tag bei der Veranstaltung in der russischen Botschaft vor Ort war (hier unser Bericht). Gerne haben wir in der Folge zahlreichen weiteren Medienhäusern auf deren Bitte unser Bildmaterial des Termins zur Verfügung gestellt, darunter auch dem ZDF. Der Bericht über die Anwesenheit prominenter AfD-Politiker wurde bundesweit zitiert. Der Spiegel schrieb damals: „Wäre der Artikel in der „Berliner Zeitung“ nicht erschienen, die Öffentlichkeit hätte vermutlich nie davon erfahren.“ In der AfD gab es nach dem Bekanntwerden der Teilnahme von Tino Chrupalla erbitterten Streit (Bericht hier).
Frage 3: Seit 2022 wurden fünf Journalist:innen in der Berliner Zeitung eingestellt (siehe u.a. hier), die zuvor für staatlich kontrollierte Medien in Russland gearbeitet haben. Wie gehen Sie damit um, dass mehrere Ihrer Redaktionsmitglieder zuvor bei russischen Staatsmedien beschäftigt waren? Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für Ihre Redaktion?
Die von Ihnen angesprochenen Kolleginnen und Kollegen haben zum Zeitpunkt des Angriffs Russlands auf die Ukraine entweder bereits nicht mehr für diese Medien gearbeitet oder aber ihren Arbeitsvertrag als Reaktion auf und aus Protest gegen eben diesen Angriff gekündigt. Das finden wir couragiert und richtig. Den Vorwurf einer etwaigen Kontaktschuld, wie man ihn in Ihre Frage hineinlesen kann, halten wir für abwegig. Darüber hinaus handelt es sich bei allen fünf dieser Kolleginnen und Kollegen um Profis ihres Faches, die bisher einen wertvollen Beitrag in unserer Redaktion geleistet haben und leisten.
Frage 4: Thomas Fasbender schrieb viele Jahre für die ultrarechte „Junge Freiheit“ und arbeitete bis kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine beim russischen Staatssender RT. Wie stellen Sie sicher, dass frühere Tätigkeiten Ihres Mitarbeiters die Objektivität der Berichterstattung nicht beeinflussen?
Ihre Frage impliziert, dass das reine Tätigwerden für ein Medium geeignet ist, die zukünftige Arbeit eines Journalisten zu formen. Diesen Wirkzusammenhang halten wir für konstruiert. Beiträge von Journalisten prägen im besten Fall Publikationen, nicht andersherum. Fest steht, dass Herr Fasbender einer der erfahrensten und profiliertesten Kenner aktueller geopolitischer Entwicklungen in Deutschland ist.
Ihre Feststellung ist außerdem dahingehend unpräzise, dass Herr Fasbender nicht „bei“ RT gearbeitet hat (im Sinne einer festen Anstellung), sondern dort Beiträge von ihm als freiem Autor veröffentlicht wurden. Wir legen Ihnen nahe, sich inhaltlich mit den Texten von Herrn Fasbender zu befassen, was die Frage nach seiner Objektivität erübrigen würde. Zum Beispiel mit seinem Text aus dem August 2023: „Warum ich für Russia Today gearbeitet und wieder aufgehört habe“. [siehe hier]
Dass Sie dies im Vorfeld Ihrer Anfrage augenscheinlich nicht getan haben, sondern stattdessen lediglich unpräzise auf vergangene Publikationsorte von Herrn Fasbender verweisen, halten wir für unseriös.
Frage 5: Einerseits betonen Sie, dass Sie als Verleger der Berliner Zeitung „keine Texte verhindern oder durchsetzen“ können (siehe hier), andererseits berichtete z.B. die TAZ am 12. Juli 2025 (siehe hier), dass zahlreiche Mitarbeitende Ihren Verlag verlassen haben, Mitarbeitende sollen laut dem Bericht zudem eine „zentralisierte Machtstruktur“ wahrnehmen. Wie erklären Sie die unterschiedliche Darstellung Ihrer redaktionellen Befugnisse?
Offen gesprochen ist der von Ihnen angesprochene Artikel der taz aus journalistischer Sicht kaum ernst zu nehmen. Was der Autor dort aufführt, beruht auf behaupteten Darstellungen ehemaliger Mitarbeiter. Ein Bemühen darum, ein objektives Bild über unser Haus zu vermitteln, können wir darin nicht erkennen. Wir verweisen auf die Replik der Chefredaktion.




