Bei den European Championships in München lieferten sich die Marathonläufer aus Deutschland und Israel vor wenigen Tagen ein packendes Duell: Ein Deutscher siegte im Einzel, Israel gewann die Teamwertung. Zwar sind Israels Sportler schon lange in die europäischen Strukturen integriert – München aber bleibt ein spezieller Ort für sie. Vor 50 Jahren wurden elf Mitglieder des israelischen Olympia-Teams von palästinensischen Terroristen ermordet. Die Mannschaft besuchte den Gedenkort im Olympischen Dorf.
Die Bilder von 1972 sind medial immer noch sehr präsent. Der Geiselnehmer mit der Strumpfmaske und sein Anführer mit dem Sommerhütchen erschienen in allen TV-Nachrichten weltweit, ebenso die Bilder der Polizisten, die im Trainingsanzug die Geiseln befreien wollten – die TV-Übertragung vereitelte das Vorhaben. Für das dramatische Ende und das desaströse Scheitern der deutschen Sicherheitsbehörden stehen die ausgebrannten Hubschrauber auf dem Flugplatz in Fürstenfeldbruck. Alle Filme zum Thema, ob dokumentarisch oder fiktiv, bauten und bauen auf diese Bilder – auch Steven Spielbergs Thriller „München“ von 2005. Die öffentlich-rechtlichen Sender widmen sich zum Jubiläum mit einem halben Dutzend Dokumentationen dem Drama, bieten dabei durchaus verschiedene Ansätze und Schwerpunkte.
„Tod und Spiele – München ’72“
Am aufwendigsten ist die internationale Co-Produktion „Tod und Spiele – München ’72“, die als vierteilige Serie in der ARD-Mediathek und als neunzigminütiger Film im Ersten zu sehen ist. Die Autoren Bence Máté und Lucio Mollica rekonstruieren das Geschehen aus allen denkbaren Perspektiven: So stehen hier nicht nur Mitglieder der israelischen Olympiamannschaft, Angehörige von ermordeten Teammitgliedern, Polizisten und professionelle Beobachter vor der Kamera, sondern auch die beiden überlebenden Geiselnehmer, die zwar in München verhaftet, aber schon wenige Wochen später mit einer Flugzeugentführung freigepresst worden waren und seither im Untergrund leben.

Mohammed Safany, der schon mehrfach für tot erklärt wurde, berichtet hier, dass er immer noch stolz auf seine Taten ist und sie jederzeit wieder begehen würde. Solche Aussagen müssen besonders bitter für jene sein, die Angehörige verloren oder dem Anschlag durch Zufall entkamen: Geher Shaul Ladany hatte noch den Holocaust überlebt, war im Alter von acht Jahren aus dem KZ Bergen-Belsen befreit worden. Der amerikanische Kriegsberichterstatter Gerald Seymour hatte sich in München eine Abwechslung von Bomben und Kugeln erhofft. Peter Brandt bot sich seinem Vater, dem Bundeskanzler Willy Brandt, als Austauschgeisel an. Auch bayerische Polizisten kommen zu Wort, die auf Gewalt vollkommen unvorbereitet waren und durch ihre Anwesenheit vor allem zum Bild der heiteren Spiele beitragen sollten. Dieses breite Spektrum an Stimmen gibt immer wieder überraschende, neue Einblicke in das schon zigfach aufgearbeitete Ereignis.
Das DDR-Fernsehen bezeichnete das Attentat als „Abenteuer“ im Dienste einer gerechten Sache
Exklusive Bilder verspricht das ZDF-Pendant „München ’72 – Anschlag auf Olympia“, doch die prägenden Aufnahmen sind bekannt. Zu den Zeitzeugen zählt Günther Jauch, der damals von der besonderen Atmosphäre begeistert war und sich gern vor die Kameras seiner früheren Firma i&u TV stellt. Der ZDF-Film kann mit einem Deutschen aufwarten, der ohne es zu ahnen zum Helfershelfer der Terroristen wurde. Ankie Spitzer, die ihren Mann, den Fechter André Spitzer, erst zur Teilnahme an den Spielen gedrängt hatte, beklagt bis heute die Ignoranz und Arroganz der deutschen Behörden. DDR-Schwimmer Klaus Dockhorn bedauert, dass seine Mannschaft nicht an der Trauerfeier teilnehmen durfte – das DDR-Fernsehen bezeichnete das Attentat als „Abenteuer“ im Dienste einer gerechten Sache.

Diesem Spezialthema widmet sich detaillierter die ARTE-Doku „Terror, Tote, Völkerfreundschaft“. Der Film vom MDR erklärt, wie und warum die DDR in der arabischen Welt damals um Anerkennung buhlte und den Palästinenserführer Arafat bei den Weltfestspielen 1973 wie einen Popstar feierte.
Dagegen nimmt das Attentat in der ARTE-Doku „Olympia 72 – Deutschlands Aufbruch in die Moderne“ nur vier von 45 Minuten ein. Der Beitrag vom Bayrischen Rundfunk stellt vielmehr heraus, wie stark die Spiele die Entwicklung von München vorangetrieben hatten, welche bis heute gefeierten Bauwerke entstanden – so erklärt Fritz Auer Planung und Bau des spektakulären Stadiondaches – und welch anderes Bild der Bundesrepublik Deutschland die Spiele trotz des Dramas boten, denn 1972 sollte ja ein bewusstes Gegenbild zu den Spielen von 1936 zeigen. Die aktuellen European Championships ließen gerade die anfangs heitere Atmosphäre von 1972 wieder aufleben.
„Munich Games“ bei Sky
Ein origineller Sprung von 1972 ins Jahr 2022 gelingt der fiktiven Sky-Thrillerserie „Munich Games“. Eigentlich soll es nur um ein Fußballfreundschaftsspiel gehen: Eine Elf aus Israel spielt zum 50. Jahrestag gegen ein Spitzenteam aus München (das hier aber nicht Bayern München heißt). Die Serie, clever ausgedacht von Michal Aviran und Martin Behnke, elegant in Szene gesetzt von Philipp Kadelbach, erzählt vom permanenten Kampf der deutschen und israelischen Sicherheitsbehörden, die 1972 nicht zusammenarbeiten durften, nun aber eine Kooperation beschwören. Autorin Michal Aviran, deren Großeltern aus Deutschland stammten und den Holocaust überlebten, lässt hier anspielungsreich und vielstimmig die Kulturen aufeinanderprallen.
Im Zentrum stehen die deutsche LKA-Beamtin Maria Köhler (Seyneb Saleh), die Wurzeln im Libanon hat und enge, allzu private Kontakte zu Palästinensern pflegt, und der israelische IT-Spezialist Oren (Yousef Sweid) vom Mossad, der im Netz detaillierte Anschlagspläne findet. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden wie zwischen ihren Behörden ist hoch spannungsgeladen. Nicht nur Mossad, LKA und BKA und Verfassungsschutz arbeiten teils gegeneinander. Der Besitzer des israelischen Teams wird von Kriminellen erpresst, ein Spieler sogar entführt. Erst spät wird klar, wer welches Spiel spielt. Der Weg zum dramatischen Finale bietet viele Wendungen, ist wirklich atemberaubend und eröffnet nach sechs Folgen sogar den Weg in eine Verlängerung.
Tod und Spiele – München ’72, vier Folgen in der ARD-Mediathek, am Mo, 5.9., 20.15 Uhr, ARD
München ’72 – Anschlag auf Olympia, in der ZDF-Mediathek
Olympia ’72 – Deutschlands Aufbruch in die Moderne, Do, 1.9., 20.15 Uhr, ARTE



