Sie etablierte einst „Tatort“-Figuren, die heute noch für Spitzenquoten sorgen, etwa Maria Furtwängler als Charlotte Lindholm oder Axel Milberg als Borowski. Er holte aufstrebende Talente vor die Kameras seiner beliebten Volksmusikshows, zum Beispiel Helene Fischer und Florian Silbereisen. Beide waren hochrangige ARD-Spitzenkräfte – und beide standen beziehungsweise stehen nach finanziellen Verfehlungen vor Gericht.
Doris Heinze, die einflussreiche Fernsehspielchefin des NDR, wurde 2012 wegen Bestechlichkeit, Betrug und Untreue zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Udo Foht, bis 2011 mächtiger Unterhaltungschef beim MDR, muss sich seit dieser Woche vor dem Landgericht Leipzig wegen derselben Vorwürfe verantworten, elf Jahre nach Auffliegen seiner merkwürdigen Geschäfte.
Mehrere Spitzenfunktionäre vor Gericht
Die Fälle sind nicht nur interessant wegen möglicher Parallelen zum Skandal um Patricia Schlesinger – bei dem noch längst nicht klar ist, welche juristischen Folgen er haben wird. Die Verhandlung gegen Udo Foht hat gerade zu Konsequenzen beim MDR geführt. Denn Ines Hoge-Lorenz, Direktorin des Landesfunkhauses Sachsen-Anhalt, trat von ihrem Posten zurück. Sie erklärte, sie habe es versäumt, darüber zu informieren, dass ihr Mann einst in der Causa Foht eine Rolle gespielt habe.
Dieses Eingeständnis verwundert: Denn beim MDR wissen bestimmt noch einige, dass Stefan Hoge mal Produktionsleiter bei der Firma Neo Productions war, die im Auftrag von Udo Foht Unterhaltungssendungen wie die Reiseshow „Wir sind überall“ umsetzte. Eine Google-Recherche bringt die Namen in Sekunden zusammen. Diese Sendung wurde moderiert von einem Günstling von Udo Foht, nämlich von Carsten Weidling, Sohn der DDR-Showlegende O. F. Weidling. Auch Weidling soll vor Gericht gehört werden.
Betrug im großen Stil
Ob zuvor Doris Heinze, Udo Foht oder jetzt Patricia Schlesinger – diese einstigen Spitzenkräfte verbindet einiges. Alle glaubten, eigene, einsame Entscheidungen fällen zu müssen, wollten sich nicht mit lästigen Gremien abgeben, sondern bauten auf kleine Zirkel. Wahrscheinlich glaubte ja Patricia Schlesinger, sie würde mit einem illustren Salon in der eigenen Wohnung den RBB in der Stadt besser vernetzen – und reichte deshalb ihre Spesenquittung beim Sender ein.
Doris Heinze, ebenso selbstbewusst und eloquent wie die damalige NDR-Kollegin Schlesinger, verantwortete hohe Etats und besaß enormen Einfluss in der Branche. Die Angst, bei ihr nicht mehr zum Zug zu kommen, ließ manchen Skeptiker verstummen. Heinze verfasste immer wieder Drehbücher mit – etwa zu Filmen mit Hape Kerkeling – und ging eines Tages dazu über, dem Sender die Bücher ihres Mannes Claus Strobel und eigene Werke unterzuschieben – und zwar unter Pseudonym.
Denn diese „fremden“ Bücher von „Niklas Becker“ und „Marie Funder“, denen die Heinze sogar Biografien erdachte, kaufte sie zum vollen Preis – für Drehbücher aus dem eigenen Hause hätte der NDR aber nur die Hälfte ausgeben dürfen. Erst Nachfragen neugieriger Journalisten deckten den Betrug auf. Udo Foht wiederum hat womöglich weder den Gebührenzahler betrogen noch sich selbst bereichert: Er akquirierte mit Bettelbriefen auf MDR-Briefpapier immer wieder Extragelder für seine Sendungen, ließ sich Darlehen und Bargeldsummen geben, die er nie zurückzahlte. Betrogen wurden offenbar Größen der Showbranche, deren Auftritte die Verhandlungen gegen den früheren Unterhaltungschef durchaus unterhaltsam machen könnten.
Der MDR fällt seit 2011 nicht mehr negativ auf
In den Jahren zwischen 2005 und 2011 flogen weitere ARD-Spitzenkräfte wegen finanzieller Betrügereien auf. Jürgen Emig, Sportchef beim Hessischen Rundfunk, und Wilfried Mohren, Kollege beim MDR, kamen sogar in Haft. Sie hatten Sponsorengelder für Sport-Events, über die dann ausgiebig und gefällig berichtet wurde, auf private Konten umgeleitet.
Der Hessische Rundfunk forderte später von seinem Sportchef mehr als eine Million Euro Schadenersatz zurück und verrechnete die Summe mit Emigs Ansprüchen aus der Altersvorsorge. Auch dieser Fall war erst von Zeitungsreportern aufgedeckt worden – innere Kontrollmechanismen hatten versagt beziehungsweise waren nicht existent. Den größten Schaden aber verursachte ein Mann aus der mittleren Ebene: Ein Herstellungsleiter beim Kinderkanal (Kika) finanzierte seine Spielsucht, in dem er jahrelang Gelder an Komplizen einer Firma ausreichte, die aber gar keine Leistungen erbrachte.
Über acht Millionen Euro sollen so geflossen sein. Der Betrüger, der sich selbst kontrollieren durfte, musste für mehr als fünf Jahre ins Gefängnis. In der Folge musste Kika-Chef Steffen Kottkampp gehen. Beim MDR war 2011 gleich die komplette Führung unter Intendant Udo Reiter abgetreten. Der Rundfunkrat machte hier mit Karola Wille nicht zufällig die Justiziarin zur Intendantin. Die Leipzigerin, bislang einzige ostdeutsche ARD-Intendantin, war lange Zeit auch die Einzige, die auf regelmäßige Gehaltssprünge verzichtete. Ihr Sender fiel seither nicht mehr mit finanziellen Skandalen auf.








