Als ich gestern Abend beobachtete, wie mehrere Autos auf der Wilhelmstraße neben der Topographie des Terrors stoppten und dann in Kurven weiterfuhren, musste ich an Toni denken.
Es war zwar ein Fuchs, der sich in der Mitte der Straße nicht entscheiden konnte, ob er auf die Gedenkstättenfläche zurück oder den nächsten Innenhof an der Ecke zur Kochstraße aufsuchen möchte. Seine Silhouette aber ähnelte der von Toni, sehr schlank, fast zu dünn, das Fell eher struppig als glatt. Der Fuchs ging langsam ein paar Schritte nach dort, ein paar nach da, dann flitzte er fort, ohne Schaden zu nehmen.
Vermittlungen aus dem Ausland
Tonis Geschichte vor ihrer Berliner Zeit kennt nur sie allein. Sie war auf einer Tierschutz-Website zur Adoption angemeldet, wie man den Kauf eines Hundes zur Schutzgebühr nennt. Wenn man einmal anfängt, außerhalb der Züchtergilden nach einem Hund zu suchen, wird man geradezu im Überfluss mit Vereinen konfrontiert, die diese Tiere aus Spanien und Italien, aus Griechenland oder Rumänien nach Deutschland vermitteln. Es gibt ein übergreifendes Portal, das die Organisationen mit Angeboten füttern. Das ist voll mit herzergreifenden Geschichten von kleinen Streunern wie Toni, frauchenlos aufgegriffen, oder von Welpen, die neben Mülltonnen entdeckt wurden. Sogar auf Kleinanzeigen.de inserieren einige der Vereine. Dazwischen blinken automatisierte Warnungen auf wie „Kaufe Tiere nie aus Mitleid oder auf offener Straße!“.
Allerdings ist neben dem Aussehen („bildhübscher Rüde“, „wunderschöne Hündin“) Mitleid das Haupt-Vermittlungsargument. Die eine habe bisher viel Pech gehabt im Leben, der andere sei nicht rassegerecht gehalten worden. Zwei halb blinde Wuschelhunde würden nur gemeinsam abgegeben, weil sie so aufeinander bezogen seien. Eine Pinschermix-Hündin brauche einen selbstsicheren Zweithund in der Ankunftsfamilie. Ein schäferhundartiges Wesen suche Aufgaben, sonst verkümmere es. Ein Podenco-Mischling hatte Verletzungen durch Schläge, ein liebebedürftiger Jagdhund wurde mangels Jagdtrieb verstoßen.
Das Geburtsdatum der fuchsartigen Toni im Impfausweis ist geschätzt. Touristen hatten sie in einer griechischen Tierschutz-Station abgegeben, wo sie versorgt und kastriert wurde. In Berlin war schnell klar, dass sie über keinerlei Stadterfahrung verfügt, Autos, Roller und Fahrräder ihr ein Graus sind. Um Männer macht sie auf dem Bürgersteig einen größeren Bogen als um Frauen. Laute Kinderstimmen lassen sie zittern. Im Wald, auf der Wiese, am See ist Toni entspannt und fröhlich.



