Als in „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ der Hund der Familie stirbt, stöhnt der Mann vor mir im Kino auf. Ich weiß nicht, ob er selbst so betroffen war von der Szene, da die Familie auf der Leinwand in Trauer vereint ist. Kann sein, dass ihn mein Schniefen störte und er mir auf diese Weise Einhalt gebieten wollte. Sicherheitshalber habe ich meinen großen Schal etwas breiter um meinen Kopf gelegt, als Lärmschutz gewissermaßen.
Wer wollte verurteilen, dass Menschen im Kino weinen? Das Lachen ist ja auch erlaubt. Im dunklen Raum sitzen wir in einer Gemeinschaft der Fremden. Oft sind einzelne Vertraute dabei, doch ist es kein Ort, wo man Bekanntschaften schließt. Small Talk während eines Films verkneift sich noch der geselligste Typ, Gequatsche unter Freunden wird von anderen mit Zischen oder einem strengen Satz quittiert.
Ein Schutzraum der Ähnlich-Fühlenden
Als ich „Close“ sah, den Film über eine Jungenfreundschaft und deren Ende, hatte ich die Taschentücher vergessen, aber glücklicherweise meine Tochter an der Seite, die eine ganze Packung dabei hatte. Es schluchzte hinter uns und neben uns. Das erzähle ich, um zu versichern, dass es nicht nur Tiere sind, die mich im Kino zum Weinen bringen. Und wenn man, zumal in einem kleineren Saal, das Gefühl hat, die Stimmung betrifft alle in ähnlicher Weise, kann das Kino auch ein Schutzraum sein. Eine kleine Wirklichkeit innerhalb der großen Realität.
Wenn im Kino ein Hund stirbt, taucht bei mir immer ein Funken Erinnerung an einen sowjetischen Film auf: „Weißer Bim Schwarzohr“, entstanden nach einem Roman von Gawriil Trojepolski (im Westen unter dem Titel „Weißer Bim, schwarzes Ohr“ gelaufen). Ein Schriftsteller sucht sich aus einem Wurf schwarz-brauner Setter den einzigen aus der Art geschlagenen aus, den der Züchter loswerden wollte, ein weißes Kerlchen mit ein paar Punkten und markantem Ohr. Sie entwickeln eine Beziehung, wie sie vielleicht nur zwischen Menschen und Hunden entstehen kann: innig und frei zugleich; wortlos, aber nicht stumm; Zutrauen, Vertrauen ohne Berechnung.
Eine Verdoppelung des Verlusts
Der Schriftsteller in „Weißer Bim Schwarzohr“ wird krank, dem Hund ergeht es dann schlecht. Es ist Jahrzehnte her, doch weiß ich noch, wie krank ich mich nach diesem Film fühlte, so sehr hatte mich die Trauer erschöpft. In der Kindheit und Jugend, wenn man vieles zum ersten Mal erlebt, graben sich Emotionen oft besonders tief ein. Deshalb erinnern wir uns erwachsen so gut an die frühen prägenden Lese- oder Seherlebnisse. Das Kino und die Literatur können uns sozusagen üben lassen, mit bestimmten Gefühlen umzugehen.
Der Blick ins Archiv zeigt mir, dass ich „Weißer Bim Schwarzohr“ gesehen hatte, als mein erster Hund bereits auf schreckliche Weise gestorben war, sich also beim Zuschauen eine Erschütterung wiederholte. Es war damals vermutlich der falsche Film für mich, „Krambambuli“ von Marie von Ebner-Eschenbach die falsche Lektüre; ich war zu jung für die Duplizität der Verluste.


