Kolumne

Hundeleben: Ist das Tier gesund, freut sich der Mensch

Manche Menschen finden Hunde in der Stadt schrecklich. Andere sind ihnen äußerst zugetan und zeigen das auch Fremden. Eine Kolumne.

Ein Diensthund eines südkoreanischen Rettungsteams im türkischen Antakya. Er hatte sich bei der Arbeit nach dem schweren Erdbeben im Februar eine Verletzung an der rechten Pfote zugezogen. 
Ein Diensthund eines südkoreanischen Rettungsteams im türkischen Antakya. Er hatte sich bei der Arbeit nach dem schweren Erdbeben im Februar eine Verletzung an der rechten Pfote zugezogen. dpa

Neulich traf ich nach einer Veranstaltung einen früheren Kollegen. Wir haben fast gar nicht über die Arbeit gesprochen. Zum Abschied fragte er nach der Gesundheit meines Mannes, aber ich sagte ihm nur, dass es meinem Hund schlecht ginge. Das fand er befremdlich. Meine Interviewpartnerin davor hatte Verständnis, als ich mein Handy während des Gesprächs angeschaltet lassen musste, weil ich auf einen Anruf aus der Tierklinik wartete. Und der Gesprächspartner am nächsten Tag erzählte gleich von dem Einschnitt, den der Tod seines Hundes für ihn bedeutete, obwohl ich dieses Wort doch bitte nicht hören wollte.

Man hat zu Hunden eine Beziehung oder nicht. Die Frage, ob man sie in der Stadt halten sollte, ist so umstritten wie die Schmackhaftigkeit von Rosenkohl, das Tragen von Socken in Sandalen oder die Qualität des Films „Im Westen nichts Neues“.

Dreckmacher oder soziale Wesen

Diese Tiere, die eigentlich stundenlang durch Wälder rennen könnten (wenn kein Landeswaldgesetz sie daran hindert), würden auf Straßen und in Parks gegen ihre Natur gehalten, sagen die einen. Hundegegner verweisen außerdem auf die Haufen, die diese Tiere in Städten hinterlassen, auf schädliche Stickstoffverbindungen und Nitrate im Urin, die den liebevoll gepflegten Beeten um Straßenbäume zusetzen, auf den Dreck in den Hausfluren. Die anderen schätzen den Hund als soziales Wesen, das sich seinem menschlichen Bezugspartnern in Treue verbunden fühlt, aufmerksam, verspielt, zugewandt wie ein Geschwister, ein Freund, ein Ruhepol oder Stimmungsaufheller.

Hundeleben: Streichler und Grabscher

Von Cornelia Geißler

08.12.2020

Ein Haustier, womit nicht das domestizierte Nutztier gemeint ist, was der Mensch ja auch züchtet, um sich zu ernähren und zu kleiden, kann sich seinen Halter nicht aussuchen, passt sich aber an die Umstände an. Ethisch verantwortlich handelnde Menschen gehen mit ihm nicht wie einer dem Hausrat zugerechneten Sache um, wo es juristisch eingeordnet wird, sondern wie mit einem Geschöpf, das fühlt und Bedürfnisse hat, ohne es zu vermenschlichen.

Der wahlweise Schopenhauer, Friedrich dem Großen und George Sand zugeschriebene Ausspruch „Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere“ hat zwar dem Blog Zitatforschung zufolge keinen eindeutigen Urheber, wird aber in jedem Jahr wieder auf Kalenderblätter gedruckt und in Grabsteine gemeißelt, weil diese Liebe vielen Menschen so echt und rein erscheint. Tiere, Hunde zumal, sind im Grunde nie gemein, missgünstig, nachtragend. Sie mögen verfressen sein, aber nicht egoistisch.

Ein Futtermittelhersteller, der auf die anderen weit verbreiteten, Fell tragenden Menschenbegleiter spezialisiert ist, warb jahrelang mit dem Spruch „Ist die Katze gesund, freut sich der Mensch“. Der lapidare Satz passt für Hunde genauso, und nicht erst seit Corona wissen wir, was Gesundheit für ein wertvolles Gut ist, normalerweise so selbstverständlich, in der Abwesenheit oft mit Schrecken verbunden.

Wie wäre es mit gattungsübergreifendem Interesse?

Wer mit einem Hund, der eine sichtbare Verletzung trägt, erkennbar etwa an einem Verband, einem Schutzschuh oder diesen schrecklichen Trichtern, die das Tier am Belecken einer Wunde hindern sollen, auf die Straße geht, empfängt viel direkter und offener Mitgefühl, als in Begleitung eines kranken Menschen. Leute, die Rollstühle schieben oder jemanden mit Drei-Punkte-Binde am Arm führen, werden kaum einmal angesprochen. Halter kranker Hunde hören viel Bedauern oder Neugier, vorgetragen ohne Scheu. Vielleicht sollten wir am gattungsübergreifenden Interesse noch arbeiten. Mein Kollege lachte zwar, aber er stellte dann doch noch eine Frage mehr. Er sprach danach von seinen Zähnen, und ich bedauerte ihn auch ein bisschen.