Der Patient musste zweimal wiederbelebt werden, sagt die Ärztin. Ihr Gesprächspartner steht mit hängenden Schultern vor ihr und antwortet nichts. Wir hoffen das Beste, sagt sie nun wieder. Der Patient müsse weiter beobachtet werden. Ein Krächzen ist zu hören, das zum Räuspern wird. Ob er denn irgendetwas tun könne, fragt der Mann.
Später, als ich mit Lotta an der Leine den Wartebereich verlassen kann, sehe ich die beiden wieder, eine weitere Frau im weißen Kittel ist dabei, sie reden zu dritt auf eine Stimme aus einem laut gestellten Handy ein. Die Begriffe „Therapie“ und „Medikament“ fallen, aber auch aus den ruhigen Worten klingt eine Sorge, die so ansteckend ist, dass ich nur schnell weg möchte.
Wir sind diesmal davongekommen, aber ich habe Lotta auch schon auf dem Behandlungstisch erlebt, als sie gar nicht mehr aussah, wie ich sie kannte. Und die Tierärztin schickte ernste Blicke in die Runde. Damals hatte sie Drogen aufgenommen, und ich fragte mich, warum dieses sonst so verständige Wesen manche Dinge einfach nicht begreifen will. Man isst nichts, was auf der Straße liegt. Man meidet, was in der Hasenheide verbuddelt ist.
Der Form nach ein Vogel
Zwischen „Herr und Hund“, wie die Beziehung bei Thomas Mann heißt, entsteht in kurzer Zeit ein Vertrauensverhältnis, das schnell sehr eng wird. Natürlich auch zwischen Frau und Hund, Kind und Hund. Das Tier wird „Der Freund“, wie Sigrid Nunez ein wunderbares Buch genannt hat, das die Beziehung zwischen einer Frau und einer Dogge beschreibt, der Hund steht hier auch als Erbe eines verstorbenen Menschen, er verbindet sie. Wer einen Blick dafür hat, sieht dieses Vertrauen manchmal bei Zweibeiner-Vierbeiner-Paaren an der Ampel. Das Tier schaut hoch, wartet auf das erlösende Wort: Los! Oder in der U-Bahn, wenn ein Hund sich zwischen den Menschenfüßen verkriecht.
Die Tierklinik der Freien Universität in Dahlem ist ein sehr friedlicher Ort, der meistens Hoffnung stiftet. Und weil einige der Gespräche nicht hinter verschlossenen Türen, sondern im Wartebereich stattfinden, liegt viel Mitgefühl in der Luft. Zwei Frauen in grober Kleidung, die aussieht wie für Arbeit im Freien geschneidert, kommen zum Anmeldungsfenster. Sie hätten eine verletzte Taube gefunden. Die ist erst gar nicht zu sehen, bis beide sich setzen und die eine einen Stoffbeutel an ihren Körper hält. Der Form nach könnte der Vogel da drin stecken.
Homöopathie, eine Frage des Glaubens
Tauben sind verhasst in Berlin, auf den Fensterbrettern der Innenstadthäuser sind lange Stacheln angebracht, die den sogenannten Flugratten die Pause unerträglich machen sollen. Eine Klinikmitarbeiterin holt den Taubenbeutel ab, schaut auf die ausgefüllten Papiere. Sie bedankt sich, dass der Fundort dabeisteht, Freiwillige des Nabu würden sich kümmern, dass die Taube dahin zurückkehren kann. Nein, die Finder können nicht angerufen werden. Dafür fehle die Zeit.



