Theater

Eklat an der Volksbühne: „Sardanapal“-Premiere ohne Benny Claessens

Benny Claessens sollte neben dem regieführenden Fabian Hinrichs in Lord Byrons „Sardanapal“-Tragödie spielen. Plötzlich ist er vom Besetzungszettel verschwunden.

Der Schauspieler Benny Claessens ist in der Volksbühne bei den Endproben aus der Produktion „Sardanapal“ ausgestiegen.
Der Schauspieler Benny Claessens ist in der Volksbühne bei den Endproben aus der Produktion „Sardanapal“ ausgestiegen.Bettina Strenske/imago

Es ist kein gutes Zeichen, wenn am Premierentag in der Pressestelle der Volksbühne keiner zu erreichen ist. An einem solchen Tag gehen von den Kritikern noch späte Kartenwünsche ein, gibt es Nachfragen, was die Spielfassungen und die Spieldauer betrifft. Zumal wenn es sich um eine mit hohen Erwartungen belegte Premiere handelt wie die, für die der Pollesch- und „Tatort“-Schauspieler Fabian Hinrichs als mitspielender Regisseur verantwortlich zeichnet. Zusammen mit seinen beiden Kollegen Lilith Stangenberg und Benny Claessens hat er sich mit Lord Byrons „Sardanapal“-Tragödie beschäftigt, also mit der Geschichte des letzten assyrischen Königs, der lieber speiste, liebte, Boot fuhr, Sterne besah und Wein trank, statt Kriege zu führen und Verschwörungen zu bekämpfen. Mit der Geschichte eines Menschen, der sich dem Druck der herrschenden Konventionen, Erwartungen und Pflichten verweigert – und dabei umkommt.

Am Dienstagabend soll es bei einer der letzten Hauptproben zu einem Eklat zwischen Hinrichs und Claessens gekommen sein, nach welchem nun, kurz vor der Premiere, Benny Claessens’ Name von der Besetzungsliste gestrichen wurde. Wir wollen nicht genau wissen, was passiert ist, weil Theaterproben vor der Öffentlichkeit geschützt bleiben müssen. Dennoch ist der Vorgang von Interesse und wuchtig genug, dass er nicht unbemerkt bleiben konnte und einsortiert werden sollte.

Zum Hintergrund gehört, dass Hinrichs und Claessens, natürlich auch Lilith Stangenberg, zu den Schauspielern gehören, die sich auf der Bühne größte Freiheiten nehmen und den Akt des Spielens als einen des eigenen künstlerischen Ausdrucks verstehen – nicht als Erfüllungspflichtaufgabe für Regiekonzepte. Der Juror Hinrichs hat seinem Geistesgenossen dafür 2018 den Alfred-Kerr-Preis beim Theatertreffen verliehen und seine Laudatio auf Claessens mit einer Philippika auf den Darstellungsdienstleistungsbetrieb des deutschsprachigen Theaters verbunden.

Der Schauspieler Fabian Hinrichs führt diesmal auch Regie an der Volksbühne.
Der Schauspieler Fabian Hinrichs führt diesmal auch Regie an der Volksbühne.Eventpress/imago

Hier ein Ausschnitt aus der damals viel beachteten Rede, für die ein selten gewordener Seefisch als Metapher herhielt: „Der künstlerische Schauspieler ist heute ruhmlos, ein Träger von Talenten ohne Heimat, gefangen in den Rückhaltebecken der Regiekonzepte, in den begradigten Wahrheiten der flachen Ästhetiken, in trostlosen Betonbecken moralischer Selbstgewissheit. […] Der deutsche Schauspieler des beginnenden 21. Jahrhunderts könnte berichten: So kam ich unter die Theaterregisseure. Handwerker siehst du, aber keine Menschen, Herrn und Knechte, Jungen und gesetzte Leute, aber keine Menschen – ist das nicht wie ein Schlachtfeld, wo Hände und Arme und alle Glieder zerstückelt untereinanderliegen, indessen das vergossene Lebensblut im Sande zerrinnt?“ Die Rede war nach ihrem Zielpunkt betitelt: „Und dann kam Benny“.

Nun ist Claessens offenbar gegangen. Dass es nun so gerappelt hat, dass die beiden exzentrischen Bühnenkünstler sich kurz vor der Premiere im Streit getrennt haben, ist einerseits jammerschade. Andererseits ist es aber auch ein Beleg dafür, dass die Volksbühne die künstlerischen Grenzen ausreizt und mit jeder Theaterproduktion ein Wagnis eingeht. Es gehört zum Selbstverständnis des subventionierten Kulturbetriebs und darf begrüßt werden: Gut, dass es noch Institutionen gibt, die eklatfähig sind. Laut der Theaterwebsite findet die Premiere dennoch statt, wir hoffen auf ein Wunder und werden Zeugnis ablegen. 

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