Konzertkritik

Peter Fox triumphiert auf der Waldbühne: „Berlin Fanboy for Life“ – so war das Konzert

Der Berliner weiß, was den Leuten gefällt. Er tanzt, meckert, meistert technische Probleme, verändert Texte. Was war die größte Überraschung seines Heimspiels?

Pierre Baigorry alias Peter Fox beim Konzert in der Waldbühne in Berlin am 22. August 2023
Pierre Baigorry alias Peter Fox beim Konzert in der Waldbühne in Berlin am 22. August 2023Martin Müller/Imago

Der Himmel über Berlin: Grau zu Blau. Also doch noch ein sonniger Sommerabend. Alle möglichen Leute sind in die Waldbühne gekommen, um Peter Fox zu sehen. Er ist der deutsche Konsenskünstler, dieses seltene Mainstream-Phänomen, das auch von, wie er sie nennen würde, „Szeneschnöseln“ respektiert wird.

Es ist das erste von zwei Waldbühnen-Konzerten: Am Mittwoch spielt Fox hier gleich noch mal. Auf den Rängen der Waldbühne, im goldenen Abendlicht am Dienstag: Magnum-Eis, Picknick-Decken, Seifenblasen, Kleidung von Camp David bis Balenciaga, Fans von sieben bis siebzig. Vater und Tochter teilen sich einen Joint. Das Bier kostet 9,50 Euro, aber dafür steht „Zukunft Pink“ auf dem Becher.

Der Vorhang fällt, Peter Fox betritt die Bühne mit einer Fußballmannschaft von einer Band. Er beginnt mit „Vergessen wie“ vom neuen Album „Love Songs“, einem entspannt groovenden Track. Wie leicht wäre es gewesen, mit „Alles neu“ zu starten, dieser Adrenalin-Injektion, um das Energielevel gleich von der ersten Note durch die (hier nur metaphorische) Decke zu jagen? Aber Peter Fox hat etwas anderes vor, er setzt einen easy Tonfall, einen weichen, gemütlichen, mit diesem Slow Jam, der vom Erwachen aus dem Corona-Schlaf handelt. „Haben vergessen, wie es geht/ Aber die City lebt.“ Heute Nacht lebt die City in Westend – wann kann man das schon sagen?

„Ihr seid Berlin, ihr versteht mich, oder?“

Pause nach dem ersten Lied. „Ich würde direkt weiterspielen“, sagt er, „aber es gibt leider ein technisches Problem. Hört ihr mich, Leute?“ Alle jubeln. Aber er meint die Band, und die jubelt nicht. Ärger mit dem Monitor offenbar. Was für ein Stress. Ein ausverkauftes Amphitheater, Wetter spielt mit und dann stimmt die Technik nicht. Er sagt dann aber, dass er nicht länger warten will, dass er jetzt weiterspielen will, ausgefallener Monitor, verzögertes Signal hin oder her. Er ist ein Showman. „Ihr seid Berlin, ihr versteht mich, oder?“ Es ist eine rhetorische Frage.

Er macht weiter mit „Ein Auge blau“, „Weiße Fahnen“, noch mehr neuen Songs also. Auch eine Ansage: Klar war „Stadtaffe“ von 2008, sein bis vor kurzem einziges Album, eine unfassbar erfolgreiche Platte, aber das hier ist keine Nostalgieveranstaltung. Peter Fox und Kollegen tragen Anzüge und Sonnenbrillen, bewegen sich in choreografierten Tanzschritten. Stoff- statt LED-Leinwände, „Future is now“-Banner, monochromes Lichterspiel. Dreißig Fans sind mit auf der Bühne, tanzen auf einer Empore, flankieren Künstler und Band und verkleinern den Raum; sie lassen die riesige Bühne etwas wie einen Club aussehen.

Würde Peter Fox auf ein Peter-Fox-Konzert gehen?

„Schwarz zu Blau“, die Dancehall-Bässe ballern los, Peter Fox rappt die Hymne dieser Stadt. Es ist nicht halb sechs Uhr morgens am Kotti, sondern 20.45 Uhr am Pichelsberg; das Berlin, das im Song porträtiert wird, ist weiter entfernt als die zehn Kilometer Luftlinie. „Komm ausm Club/ War schön gewesen.“ Würde Peter Fox auf ein Peter-Fox-Konzert gehen?

„Da fehlen noch ’n paar“, sagt er, auf die tanzenden Fans auf der Bühne zeigend. Er geht ins Publikum, holt Leute aus dem Innenraum auf die Bühne. „Wir brauchen auch Männer“, sagt er – nicht, dass Row-Zero-Gedanken aufkommen. „Du bist auch nicht alkoholisiert oder so?“, fragt er jemanden. Schnell tanzen ein Dutzend weitere Fans auf der Bühne zu Seeed-Tracks wie „Augenbling“ und „Lass sie gehn“, einem Tango-Remix von „Haus am See“ (ein cooler Move, den größten Hit in einem neuen Arrangement zu spielen) und der Single „Zukunft Pink“.

Dieser letzte Song wurde nach seinem Erscheinen unter dem Gesichtspunkt der kulturellen Aneignung diskutiert. Peter Fox ist nicht schuld daran, dass die Urheber eines Stils häufig nicht an ihm verdienen, sondern dass dies eher von der Mehrheitsgesellschaft lieber bejubelte (soll heißen: weiße) Menschen tun. Sicher aber profitiert er davon. Er sollte nicht darauf reduziert werden, aber bemerkenswert ist es eben schon, wenn da ein weißer Typ Schwarze Musik spielt, mit PoC-Bandmitgliedern, für ein Publikum aus 23.000 absolut überwiegend weißen Menschen.

Grillen und Schnaps saufen: Heimspiel für Peter Fox am Dienstagabend auf der Waldbühne in Berlin
Grillen und Schnaps saufen: Heimspiel für Peter Fox am Dienstagabend auf der Waldbühne in BerlinMartin Müller/Imago

„Überall wird gemotzt und gemeckert, das kotzt mich an!“

Dass Peter Fox diese Diskurse mitverfolgt, ist anzunehmen. Ein Gefühl für wandelnde Sensibilitäten zeigt er etwa durch eine Textänderung. Bei „Haus am See“ singt er nicht: „Wir grillen, die Mamas kochen, und wir saufen Schnaps“, sondern: „Wir grillen, wir kochen, wir saufen Schnaps“. Die Mamas müssen nicht mehr kochen, jetzt kocht Peter selbst. Und was? Er sagt es später: „Lasst uns gemeinsam Liebe kochen!“

So sein Vorschlag nach einer Ansage, in der er sich darüber aufregt, dass sich alle immer aufregen. „Überall wird gemotzt und gemeckert, anstatt dass man sich einbringt. Das kotzt mich an!“ Von den Rängen johlen die Massen. Endlich sagt’s mal einer!

„Zukunft Pink“ ist das Gegengift. Es wird alles gut, mein Kind. Die letzten Zugaben sind „Alles neu“ (fantastisch!) und eine noch etwas unfertig arrangiert wirkende Piano-Version von „Haus am See“. Davor kam noch „Toscana Fanboys“, dessen Italien-Romantik der Hauptstadtjunge zu einem Loblied auf seine Heimat umdichtete: „Berlin Fanboy for Life“. Das gab Szenenapplaus. Peter Fox weiß, was den Leuten gefällt.